Heiligenhaus. . Marco Schild ist Schülersprecher der Realschule. Im WAZ-Interview spricht er über den politischen Unwillen der Jugend, über Integration, Infrastruktur und Italien.

Der letzte Jugendhilfeausschuss räumte es selbst ein: Wie es um das politische Interesse der Heiligenhauser Jugendlichen steht, muss man einen Jugendlichen fragen. WAZ-Mitarbeiter Fabian May sprach mit dem Schülersprecher der Unesco-Realschule, Marco Schild (17), über die unpolitische Befindlichkeit seiner Generation.

Interessiert dich Politik?

Ich verfolge täglich übers öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio, was passiert. Ich möchte auch meinen Teil zur Politik beitragen, nämlich die Initiative ergreifen und meine Kameraden auf Probleme aufmerksam machen, die vorhanden sind, und sie auch lösen.

In welcher Form betreibst du das, abgesehen von deiner Rolle als Schulsprecher?

In Gesprächen. Als Neunjähriger hab’ ich zum Beispiel mit Bürgermeister Heinisch über die damalige Bolzplatz-Situation gesprochen. Den Termin hatte meine Oma für mich gemacht.

Was weißt du über den Jugendrat?

Nicht viel. Ich weiß, dass es ihn mal gab und dass er abhanden gekommen ist.

Warum ist das passiert?

Aus Mangel an Interesse. Aus unserer Generation haben offenbar die meisten keine Lust, sich mit Politik auseinanderzusetzen, jeder ist hauptsächlich an sich selbst interessiert. Vielleicht liegt dass auch daran, dass es uns in der Schule nicht richtig nahegebracht wird. In Italien ist das anders. Von 2007 bis 2010 habe ich bei meiner Mutter in der Toskana gelebt. Dort wird einem in der Schule politisches Denken viel nähergebracht, auch durch den Geschichtsunterricht. Vielleicht hatte ich auch bloß eine gute Lehrerin. Aber Politik als Schulfach ist in Italien intensiver, schwieriger, ich musste viel mehr lernen.

Ein möglicher Kandidat für den Jugendrat

War das nur dein Eindruck oder auch der deiner italienischen Schulkameraden?

Auch die Schulkollegen hat das positiv beeinflusst. Die Jugendlichen sind in Italien politisch aktiver. Wegen der Schulreformen haben wir gemeinsam mit Jugendparteien gestreikt und demonstriert.

Ist es hier anders, wenn du mit Kameraden über Politik sprichst?

Die meisten sind leider ziemlich uninformiert. Es ist schwierig, jemanden zu finden, mit dem man auf Augenhöhe diskutieren kann. Wenn man solche Themen anschneidet, schlägt einem zwar keine direkte Ablehnung entgegen, aber es kommt nicht so viel zurück.

Kannst du dir vorstellen, für den Heiligenhauser Jugendrat zu kandidieren?

Auf jeden Fall.

Was muss man tun, um die Schüler zu erreichen, damit es diesmal klappt?

Ansprechende Plakate aufhängen, und zwar dort, wo viele Jugendliche sind: in der Innenstadt, am Skaterpark, in Schulnähe. In den Schulen mit den Schülern selbst sprechen. Das Thema im Unterricht aufgreifen. Wie bisher alle anzuschreiben, ist sicher wichtig, um möglichst viele zu erreichen. Man muss aber noch stärker auf diejenigen zugehen, die sich eh schon interessieren und bereit zum Engagement sind.

Meinst du, dass man in der Schülervertretung eher diese Leute findet?

Eher als anderswo. Auch in den Gemeinden könnte man fündig werden.

Ist die Schülervertretung eine Vorstufe zum politischen Engagement?

Da gibt es definitiv Zusammenhänge mit politischem Denken. Man kommt mit wichtigen Leuten in Kontakt, man will Verantwortung übernehmen. Darum bin ich ja Schülersprecher: Damit man mich in Erinnerung behält für gute Taten. Ich würde gern später politisch aktiv werden.

Aus dem Friseurberuf in die Politik

In welcher Form stellst du dir das vor?

So weit nach oben wie möglich. Erst mal mache ich aber den Realschulabschluss und dann eine Friseurlehre. In diesem Beruf kann ich mich als eher künstlerischer Typ entfalten. Man braucht einen Beruf, den man mit Leidenschaft macht.

Welche Themen beschäftigen die Jugendlichen?

Integration und Infrastruktur. Die Infrastruktur für Jugendliche könnte attraktiver sein. Es ist wirklich tot hier abends, und man muss weit fahren. Die Jugendlichen wünschen sich mehr Angebote statt einer Umgehungsstraße. Es ist zum Beispiel fast nie etwas für Jugendliche im Club.

Letzte Woche gab es im Club den ersten Indie Rebel Club. Ist das nichts?

Davon hab’ ich nicht sprechen gehört. Das heißt wohl, dass es nicht so viele interessiert. Mit House würde man man mehr Leute meiner Generation ansprechen als mit Rock. Man könnte mal einen gescheiten DJ einladen, der so was wie David Guetta und Paul Kalkbrenner auflegt. Die beiden mag ich zum Beispiel.

Und das Thema Integration?

Vonseiten der Mitschüler mit ausländischen Wurzeln spüre ich nicht richtig den Integrationswillen. Sie müssen sich aber integrieren, das ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Früher in den Siebzigern und Achtzigern war noch mehr Miteinander. Heute ist jede Gruppe sehr für sich. Ich beobachte, dass Hass entsteht.