Heiligenhaus/Kettwig. Kein Sport im Lockdown: Das hat auch Auswirkungen auf die Reitpferde in Heiligenhaus. Was am Isenbügeler Carolinenhof derzeit passiert.

Lockdown, alle Sportstätten sind geschlossen. Auch die Reiterhöfe dürfen keinen Unterricht anbieten. Doch das ist nicht nur für die Menschen eine Herausforderung, sondern besonders für die Tiere: Denn die Pferde sind die ungewohnte Langeweile nicht gewohnt. Nur auf dem Carolinenhof in Isenbügel geht das Leben etwas weiter, denn er ist ein integrativer Reiterhof.

Auf der Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung dreht sich alles um gelebte Inklusion und den wertschätzenden Umgang mit dem Lebewesen Pferd. Auch während Corona müssen die Pferde fit gehalten und trainiert werden. „Unseren Pferden fehlen fast die Hälfte ihrer Kinder, sie sind einfach nicht mehr ausgelastet“, fasst Hofleiterin Sibylle Braun die Corona-Situation auf dem Carolinenhof zusammen.

150 Kinder und Jugendliche können derzeit nicht auf den Hof kommen

Weiterhin muss auch das Aufsetzen von Personen geübt werden, die nicht alleine auf dem Pferd sitzen können.
Weiterhin muss auch das Aufsetzen von Personen geübt werden, die nicht alleine auf dem Pferd sitzen können. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Rund 150 Kinder und Jugendliche können zurzeit nicht auf den Hof kommen, und das bedeutet für die Mitarbeiter maximale Einbindung in die Betreuung und Weiterbildung der Pferde. „Unsere 34 Therapiepferde werden an drei Vormittagen jeder Woche trainiert und ausgebildet“, erzählt Braun. „Das ist schon ein enormer Aufwand, aber wenn es wieder los geht, müssen die Pferde einfach startbereit sein.“

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Der Carolinenhof ist vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V zertifiziert und bietet alle Disziplinen der Reittherapie an, darunter Hippotherapie (Physiotherapie mit dem Pferd), die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd und das Reiten als Sport für Menschen mit Beeinträchtigung. Ulrike Wölker, Hippotherapeutin und verantwortlich für die Pferdeausbildung, erklärt: „Alle unsere Pferde sind Allrounder und haben die Grundausbildung zum Therapiepferd hinter sich. Je nach Einsatzgebiet erhalten sie dann noch Spezialtraining.“

Bewegung alleine reicht nicht aus

Grundvoraussetzung ist, dass die Pferde selbst gesund sind, denn nur so können sie ihre Reiter symmetrisch tragen. Um als Therapiepferd eingesetzt werden zu können, müssen sie besonders gelassen sein, dürfen nicht schreckhaft sein und dem Menschen gegenüber offen und zugewandt sein. Auch wenn die Pferde in einem Aktivstall ohne Boxen und mit viel Auslauf leben, reicht diese Bewegung alleine nicht aus. Sie werden gymnastiziert, dürfen freispringen und werden regelmäßig klassisch beritten – denn sonst könnte es auch mal zu Herdenhierarchie-Rangeleien unter den Tieren führen, wenn sie nicht ausgelastet werden.

Ihre Runden drehen müssen auch die Ponys weiterhin – auch wenn keine Kinder hinten drauf sitzen.
Ihre Runden drehen müssen auch die Ponys weiterhin – auch wenn keine Kinder hinten drauf sitzen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Damit sie immer zuverlässig sind, ist das Training von Therapiesituationen und Gelassenheitstraining wichtig. Mit Langzügeltraining und der Simulation von untypischen Bewegungen oder Lautäußerungen werden die Tiere auf die Therapie vorbereitet. Neben den Therapeuten unterstützt ein großes Team aus Ehrenamtlern und Bundesfreiwilligendienstlern die Arbeit auf dem Hof. Ziel der unterschiedlichen Reittherapie-Inhalte sei so unter anderem die Stärkung sozial-emotionaler Kompetenzen sowie die Stärkung der Muskelfunktionen und der Bewegungsabläufe.

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Inklusion kann derzeit nicht stattfinden

„Für jeden Kunden gibt es unterschiedliche Therapieziele, aber zu Beginn ist es am Wichtigsten, Vertrauen zu fassen und eine gute Beziehung zu Pferd und Therapeutin aufzubauen. Danach kann an Sprache, Motorik und Handlungskompetenz gearbeitet werden“, erklärt Reittherapeutin Barbara Duelli. „Vom Pferd kann man Rückschlüsse auf den Kunden ziehen, denn das Pferd spiegelt seinen Reiter und dessen Emotionen, lange bevor wir sie wahrnehmen können.“ Auch bei der Hippotherapie spiegelten die Tiere ihre Reiter. Ulrike Wölker berichtet: „Manche Kinder können nicht frei sitzen und da merkt das Pferd oft vor uns, ob jemand etwas rutscht.“

Die richtige Balance beim Training finden, dass müssen die Mitarbeiter auf dem Carolinenhof derzeit wortwörtlich.
Die richtige Balance beim Training finden, dass müssen die Mitarbeiter auf dem Carolinenhof derzeit wortwörtlich. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Für jeden Kunden wird die Ausrüstung für die Therapie individuell variiert. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sättel und Gurte, sowie einen Lift, um Rollstuhlfahrenden den Aufstieg aufs Pferd zu ermöglichen. Während die (in Coronazeiten rezeptpflichtigen) Therapien im Gegensatz zum ersten Lockdown trotz Corona stattfinden können, fällt ein weiterer zentraler Aspekt des Carolinenhofs zwangsweise aus: Die gelebte Inklusion innerhalb der integrativen Steckenpferd-, Voltigier- und Reitgruppen, in denen jeweils vier Kinder ohne Handicap und zwei mit Beeinträchtigung teilnehmen. „Das ist für die Kinder, ihre Familien und auch für uns wirklich sehr herausfordernd“, betont Sibylle Braun, „es fehlt das soziale Miteinander und der Wohlfühlfaktor auf dem Hof. Wir wünschen so sehr, dass wir die Kinder bald wieder begrüßen dürfen.“

Weitere Infos zum Carolinenhof

Der Carolinenhof wurde durch die Stiftung Regenbogen ins Leben gerufen. Die Finanzierung der Therapien wird durch Förderverein sichergestellt; wer will kann für 65 Euro im Jahr unterstützen. Es sind derzeit noch Plätze frei, zu erreichen ist der Hof unter 02054/9366580 oder per Mail an oder über carolinenhof.org. Der Carolinenhof sucht noch Hippotherapeuten, Mitarbeiter in der Heilpädagogischen Förderung am Pferd und ehrenamtliche Helfer.

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