Heiligenhaus. Jörg Potthaus hat seinen zweiten Roman veröffentlicht. Der 66-Jährige hat am IKG 23 Jahre Deutsch- und Geschichte unterrichtet.
Jörg Potthaus ist ein markanter Typ, einer, der ins Auge fällt. Genauso scheint es wohl auch eine unbekannte Dame empfunden zu haben, die 2005 – ebenfalls wie Potthoff – eine Lesung des Autoren Pascal Mercier (Pseudonym von Peter Bierl) in Mühlheim besucht hatte. Der heute 66-Jährige, ehemalige Lehrer des IKG, hatte damals, im Anschluss an die Lesung, das Vier-Augen-Gespräch mit Marcier gesucht, als eben diese Frau, damals etwa 25 Jahre, mit langen schwarzen Haaren und rotem Mantel, ihn leicht am Arm touchierte, ihm „Sie sind ein beeindruckender Mann“ entgegenbrachte, auf dem Absatz kehrt machte und verschwand.
Aus dem literarischen Werk entsprungen
Erinnern kann sich Potthoff an die Situation als sei sie gestern gewesen, lange habe er an dem späten Abend noch alles umliegenden Straßen abgesucht, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit der unbekannten Schönen. Vielmehr aber habe ihn noch etwas anderes irritiert. „Ich hatte das Gefühl, als sei sie Marciers literarischen Werk ,Nachtzug nach Lissabon’ entsprungen und habe im wirklichen Leben Gestalt angenommen“, versucht der Kettwiger seine damaligen Gefühle zu beschreiben, „ja, ich weiß, das klingt verrückt.“
Realität und Fiktion
Dieses Erlebnis hat auch Jahre später nicht an Intensität verloren, es hat ihn so geprägt, dass er es nun als Einstieg für seinen gerade erschienenen Roman „Warten auf Julie“ gewählt hat. In dem Buch heißt die Hauptfigur Johannes und eben dieser Johannes ist sich sicher: Mit dem plötzlichen Verschwinden der Frau im roten Mantel hat er das späte Glück seines Lebens versäumt. Und dann, nach 13 Jahren, glaubt Johannes, diese Frau in der Schweiz wiederentdeckt zu haben – in Gestalt der Französisch-Lehrerin Julie Laforet. „Natürlich klingt das autobiografisch“, weiß Potthaus und grinst, „aber das wäre zu einfach. Die Geschichte ist eine Mixtur aus Realität und Fiktion.“
Schreiben als Passion
Das Schreiben ist für den pensionierten Lehrer zu einer Passion geworden. Literatur habe ihn von je her begeistert und fasziniert, genauso wie die Musik, wie Fußball (Schalke 04 „zumindest früher mal“) und aktives Tennisspiel („derzeit leider nicht möglich“). „Ich habe viele tausend Seiten Tagebuch geschrieben und als Deutschlehrer immer mit Sprache zu tun gehabt“, erzählt Potthaus, winkt aber schnell ab, „das kann man aber eigentlich nicht als ernstes Schreiben bezeichnen.“ Erst ein erster siebentägiger Schreibworkshop bei Schriftsteller Bodo Kirchhoff und seiner Frau, einer erfolgreichen Lektorin, am Gardasee mit vielen Inspirationen, gutem Essen, gutem Wein habe ihm den Zugang zum literarischen Schreiben eröffnet. „Es gibt einfach Techniken, derer man sich bedienen kann, wie etwa Autofiktion oder Rückblenden. Ich fühlte mich anschließend gut gerüstet und habe mit dem ersten Buch begonnen.“
Schreiben als Befreiungsschlag
Herausgekommen ist 2018 sein Erstlingswerk „Dionysos-Bar“, es ist vielschichtig, die Handlung spielt auf Kreta, der griechischen Insel, die Potthaus unzählige Mal bereist hat, es geht um die Liebe, um andere tiefe Gefühle. „Ich habe es in einer Zeit geschrieben, in der ich emotional extremst belastet war und hatte mir erhofft, dass das Schreiben bei mir als Befreiungsschlag wirkt – das war aber nicht so. Es hat ein wenig geholfen, aber nicht so, wie es oft suggeriert wird.“
Schreiben gibt Struktur
Aus der ersten Begegnung mit Bodo Kirchhhoff ist längst eine enge Freundschaft geworden – schließlich hat Jörg Potthoff mittlerweile an unzähligen Schreibworkshops teilgenommen, möchte darauf auch in Zukunft nicht verzichten. Es fällt ihm, diesem jünger erscheinenden, begeisterungsfähigen und hochsensibel wirkenden Mann, schon schwer genug, dass die Dinge, denen seine Leidenschaft gehört – Reisen, Konzerte, Sport – derzeit nicht stattfinden können.
Roman kurzfristig erhältlich
Was ihm bleibt, ist das Schreiben zu Hause in den eigenen vier Wänden in Kettwig – er sitzt bereits an seinem dritten Roman. „Ich versuche mich wirklich täglich zu bestimmten Zeiten zum Schreiben zu zwingen, das gibt dem Tag eine Struktur, die gerade für Rentner wie mich und zudem in diesen Zeiten besonders wichtig ist.“
Der Taschenbuch-Roman „Warten auf Julie“ ist bei den lokalen Buchhandlungen und bei Amazon kurzfristig erhältlich (ISBN 9783943322200) und kostet 12,80 Euro. https://www.waz.de/staedte/heiligenhaus/so-abonnieren-sie-den-waz-newsletter-fuer-heiligenhaus-id230093900.html