Heiligenhaus. . Wer zuwandert, muss sich ein stückweit anpassen: Sozialdezernent Thomas Langmesser spricht im WAZ-Interview zu Problemen und Herausforderungen.

Wir haben Probleme bei der Integration: Mit dieser Aussage hatte Spielhaus-Leiter Christoph Meschede jüngst für Aufsehen gesorgt. Auch die Realschule sagte klar: Ja, es läuft nicht alles rund – die Politik sei gefordert. „Die Integration ist kein Selbstläufer“, äußert sich nun auch der Dezernent für Jugend, Soziales und Kultur, Thomas Langmesser, im Interview mit WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt.

Herr Langmesser, was ist aus Ihrer Sicht der Kern des Problems bei der Integration derzeit?

Integration ist kein Selbstläufer. Es ist immer die Frage: Wollen die, die gerade ankommen, integriert werden, sind sie bereit, auch ihren Beitrag dazu zu leisten? Und auf der anderen Seite: Wie sind die Möglichkeiten und Chancen, hier gut anzukommen? Angefangen vom Spracherwerb bis hin zur beruflichen Integration.

Ihr Spielhaus-Leiter Christoph Meschede hat nun klar gesagt: Es gibt Probleme bei der Integration, es muss was passieren. Wie stehen Sie zu der Feststellung?

Christoph Meschede hat recht mit dem, was er sagt und hat meine volle Unterstützung – denn er erklärt seine Auffassung begründet. Nur wenn man sagt, was nicht läuft, kann man etwas verbessern. Wir kommen in manchen Stadtteilen an Grenzen, was eine gelungene Integration angeht. Wenn eine bestimmte Bevölkerungsgruppe sich konzentriert, wird es mit der Integration auch schwieriger. Nicht nur mit den deutschen Anwohnern, wir wissen auch, dass türkische Mitbürger ein Problem damit haben, wenn sich plötzlich viele Rumänen, Bulgaren oder Libanesen in ihrem Stadtteil ansiedeln – und sie dann gerne woanders hinziehen möchten. Da kommt es zu Konflikten. Auch das gibt es. Ich würde sagen, die Menge macht bei der Integration den Unterschied.

Also viele Probleme?

Ich möchte aber auch betonen: Es gibt durchaus viele positive Beispiele in Heiligenhaus, vieles funktioniert gut. Wir sehen ja auch Erfolge in dem Bereich: Von 20 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die wir derzeit betreuen, sprechen 15 schon gut Deutsch, sind im Schulsystem integriert und machen sich hier richtig gut. Wenn sie dann noch einen Ausbildungsplatz finden, kann man von erfolgreicher Integration sprechen. Ich bin überzeugt, gerade bei den Jüngeren klappt es durch die Anbindung ans Schulsystem gut, dass diese lernen, sich an das Leben hier anzupassen.

Was kann man denn als Stadt tun, damit es noch besser läuft?

Thomas Langmesser spricht über Probleme und mögliche Lösungsansätze beim Thema Integration.
Thomas Langmesser spricht über Probleme und mögliche Lösungsansätze beim Thema Integration. © Alexandra Roth

Zunächst einmal muss ich sagen, dass Heiligenhaus mit der Stadtteil-Sozialarbeit in drei Stadtteilen mit besonderen Problemlagen seit vielen Jahren eine erfolgreiche Arbeit ermöglicht hat und weiterhin auch finanziert. Gleichzeitig gibt es jetzt neue Herausforderungen durch den Zuzug vieler Flüchtlinge und jüngst auch Migranten aus Südost-Europa. Notwendig ist hier eine bessere Ausstattung der vorhandenen Systeme, wie Kindertagesstätten und Schulen, die vor Ort einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Das ist aber nur bedingt eine kommunale Angelegenheit.

Was ist mit denen, die nicht zur Schule gehen?

Schwierig ist es für Leute, die nichts machen dürfen – die teilweise Jahre in ihrer Unterkunft sitzen, weil sie ein laufendes Asylverfahren haben und in der Zeit nichts machen dürfen. Ich bin mir sicher, wenn man sie früher in den Arbeitsmarkt integrieren würde, wäre das für alle ein Gewinn. Für sie persönlich, weil sie keinen Koller kriegen und sich einbringen können, und auch für die Gesellschaft. So könnte Integration funktionieren.

Wie kann man denn aber Menschen, die aus einer ganz anderen Kultur kommen, unsere Werte näherbringen?

Am besten und wirksamsten durch ein aktives Miteinander eben. Das funktioniert aber nur in wirklich noch gemischten Bewohnerstrukturen. Wird der Anteil einzelner Gruppen von Migranten zu groß, droht der Rückzug in nationale oder religiöse Untergruppen. Eine wichtige Chance zur Integration geht da verloren. Für ganz bestimmte Problemlagen gibt es auch immer wieder Fördermittel vom Land, wie zum Beispiel zum Thema sexualisierte Gewalt. Das ist nötig und es ist gut, dass es solche Projekte gibt, denn die Menschen kommen nun mal teilweise aus einer ganz anderen Welt. Da muss man ganz klar sagen: Du kommst zu uns, dann musst du dich hier ein stückweit anpassen und unsere zentralen Regeln und Wertevorstellungen respektieren.

Manche Stadtteile sowie ihre Einrichtungen sollten weiter gefördert werden.
Manche Stadtteile sowie ihre Einrichtungen sollten weiter gefördert werden. © Victor Gurov

Warum hat man das Gefühl, dass keiner lange Zeit so wirklich offen über Probleme bei der Integration sprechen wollte?

Nun, man will ja gerade in diesen Zeiten von Hetze in sozialen Netzwerken nicht unnötig dramatisieren – aber man wird der Realität auch nicht gerecht, wenn man sagt, alles ist gut. Dann fühlen sich viele Menschen mit ihren Ängsten und Alltagserfahrungen nicht wahrgenommen. Aber ja, es gibt Frauen, die haben Angst vor Übergriffen, es gibt Schüler, die machen Gewalterfahrungen in ihrem Umfeld. Und ja, da müssen wir weiter intensiv an der Wertevermittlung bei bestimmten Zuwanderern arbeiten. Und dafür benötigen wir auch weiterhin Ressourcen, um Projekte voranzutreiben.

Wo muss man ansetzen?

Ansetzten sollte man bei dem Thema schon so früh wie es geht, Werte den Kleinsten vermitteln, aber auch den Erwachsenen. Ich muss aber auch nochmal betonen: Es ist nur der geringste Teil, der sich hier nur schwer oder gar nicht integrieren lässt. Wir haben so viele positive Beispiele, aber die, die sich nicht integrieren wollen, fallen mehr auf. Und machen es denen, die sich integrieren, umso schwerer. Wir haben viele Menschen auch mit Migrationshintergrund, die sich nicht nur integrieren, sondern auch engagieren. Das muss man auch sagen.

Was kann man bei den Problemfällen besser machen?

Für die, die es uns schwer machen, sind viele Ressourcen erforderlich. Aber das muss der Staat sich leisten wollen, hier zu investieren, damit die Mehrheit der Zuwanderer sich irgendwann integrieren kann – gerade auch in der Arbeitswelt. Denn wer sich wirtschaftlich nicht integrieren kann, der wird sich auch gesellschaftlich nicht integrieren. Da ist der Neid, was man sich alles nicht leisten kann im Gegensatz zu den anderen, hoch.

Was sind die Kernpunkte für eine bessere Integration?

Die Vermittlung von Bildung ist Dreh- und Angelpunkt. Wir haben in Deutschland gute Grundwerte, die es zu verteidigen und näherzubringen gilt. Das klappt aber nicht über den einfachen Weg, zu sagen, alles wird gut. Wir müssen klarstellen: Hier ist eine Grenze, wer hier leben möchte, muss diese achten. Und dafür brauchen wir mehr Ressourcen, mehr Förderprogramme, ausreichend Personal und Geld, gerade an den Orten, die besonders viel zur Integration beitragen müssen, wie die Stadtteile mit besonders viel Zuwanderung und den Einrichtungen, die hier arbeiten. Wir haben plötzlich Angelegenheiten, die kannten wir in dem System bislang nicht. Aber es ist unsere Aufgabe, die Perspektive zu sehen. Und Probleme stärker anzusprechen und damit auch den ersten Schritt zu deren Lösung zu gehen.