Heiligenhaus. . Christoph Meschede arbeitet seit 30 Jahren in der Einrichtung in der Oberilp. Vieles klappe gut. Was seiner Meinung nach schief läuft.
Mehr Konflikte, weniger Verständnis, mehr Verrohung: Der Leiter des Oberilper Spielhauses, Christoph Meschede, klagt über zunehmende Probleme, auch in seiner Einrichtung. Und die seien, so sagt er, auch das Ergebnis einer falschen Integrationspolitik. „Ich bin alles andere als rechtslastig, aber man darf auch nicht die Vernunft ausschalten, wenn man über Probleme sprechen will“, erklärt er.
Kinder, die hier Hausaufgaben machen oder sich einfach den Nachmittag vertreiben wollen, Jugendliche, die Probleme mit den Eltern oder auch sonst haben und nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen – das Spielhaus ist seit 1973 eine feste Institution in der Oberilp. Und schon lange mehr als nur für die Jüngeren gedacht, „bei uns treffen sich Mütter und es gibt Erwachsene, die Hilfe benötigen“, so Meschede. Und viele Besucher haben Migrationshintergrund.
Friedensgang sorgte für Gesprächsstoff
Für Gesprächsstoff sorgte Christoph Meschede aktuell mit einem Leserbrief Bezug nehmend auf den Friedensgang der Realschule (siehe Infobox), wo er den Teilnehmern aufgrund der Teilnahme der Ditib-Gemeinde Naivität vorwarf. „Das ist blauäugig, wenn man weiß, dass die Ditib auch höchst politisch ist. Ich muss doch, wenn ich eine Situation verbessern will, kritisch hinterfragen, mit welchen Akteuren ich es zu tun habe.“ Und viele der Ansichten, die die Ditib vertrete, deckten sich „nicht mit dem, was wir wollen im gemeinsamen Leben verschiedener Kulturen.“
Nicht im Raum stehen lassen will er jedoch den Vorwurf, rassistisch zu sein: „Wenn ich rechts wäre, dann hätte ich die letzten 30 Jahre aber ein hartes Leben gehabt, denn ich arbeite hier seit 1987“, nimmt er direkt zu den Vorwürfen Stellung, die auf seinen Leserbrief folgten. Die Oberilp sei aber schon lange kein sozialer Brennpunkt mehr. „Vieles klappt gut, aber wir haben auch Probleme. Die Kinder streiten heute viel mehr, auch um neue Dinge auf unserer Außenanlage, der Ton ist rauer geworden“, stellt er nüchtern fest. Auch werde der Begriff „Jude“ häufig als Schimpfwort benutzt, „und das ganz bewusst.“ Zu Konflikten komme es leider häufig zwischen Andersgläubigen und verschiedenen Nationalitäten.
Noch einiges an Aufklärungsarbeit nötig
In der letzten Zeit würde die Abneigung gegenüber den bulgarischen Jugendlichen zunehmen, die noch nicht lange in Deutschland leben – und leider aufgrund mangelnden Respekts oft anecken würden. „Sie kennen das Leben hier ja auch nicht. Es ist eine ganz andere Kultur und noch viel Aufklärungsarbeit nötig“, stellt Meschede fest, „der Respekt fehlt sogar gegenüber den Mitarbeitern, wir haben schon mehrfach Verweise erteilt.“
Hier sieht Meschede dringend Handlungsbedarf der Politik: „Ich kann nicht einfach nur die Grenzen der EU erweitern. Ich muss doch als agierender Politiker sehen, dass es in den Ländern gravierende kulturelle Unterschiede gibt – und dass es besser sein kann, den Menschen vor Ort zu helfen.“ Die EU-Grenzen zu erweitern und die gesamte Integrationsarbeit „auf die Schultern von Sozialarbeitern zu verteilen, kann doch nicht die Lösung sein“. Man könne ja auch verstehen, dass viele Menschen nach Deutschland auswandern würden, „weil die Lebensqualität hier deutlich höher ist als in vielen Staaten, die nun zur EU gehören. Aber wer hier zu uns kommt, der muss auch die Lebensart respektieren“, fordert Meschede. Wer auswandere, sei in der Bringschuld, „nicht das Land, in das man auswandert.“
Die Politik sei nun gefordert
Dass seine Kritik auf Echo stieß, wundert Christoph Meschede nicht. „Wir sind es nicht gewohnt, gegen das Weich gespülte etwas zu sagen. Aber man muss doch sagen können, wo es Probleme gibt, wenn man etwas verbessern will“, betont Christoph Meschede. Man habe mittlerweile das Gefühl, sobald Ansätze von Kritik angesprochen werden, werde man eher selber zum Problem oder einem politischen Lager zugeordnet, mit dem man gar nichts zu tun habe. „Das führt dazu, dass sich keiner traut, Missstände aufzuzeigen, die Gesellschaft lässt nur einen gewissen Meinungskorridor zu.“
Integration, da ist Meschede sich auch mit all seiner Berufserfahrung sicher, „ist aber eben nicht, alles gleich zu machen.“ Viele Veranstaltungen würden in den Mittelpunkt stellen, was Kulturen und Glauben verbindet. „Wir sind aber eben nicht alle gleich, sondern wir unterscheiden uns. Aber wir können dennoch fried- und respektvoll miteinander leben, wenn wir uns alle an die Spielregeln halten.“
Der Ton sei rauer geworden
Doch das könnten eben nicht alle, stellt er auch im Spielhaus-Alltag fest: „Der Streit unter Kindern hat definitiv zugenommen, denn sie werden immer unfähiger, die Persönlichkeit der anderen, deren Wünsche zu respektieren und ihnen den gleichen Raum zugestehen, den man selber für sich beansprucht.“ Es gebe kein Interesse, „den anderen als gleichwertig zu sehen.“ Auch habe die Konzentration bei vielen Kindern nachgelassen, „sich hinzusetzen und ausgiebig ein Gesellschaftsspiel zu spielen, ist unmöglich geworden.“ Es gebe viel Trouble, „unser Nachmittag hat sich verändert.“ Das liege natürlich auch an der Digitalisierung und den neuen Medien, die die Kinder teils ungefiltert konsumieren. „Es gibt Dinge, die sind einfach nicht dafür gedacht, dass Kinder und Jugendliche das sehen.“
Doch was wünscht er sich für die Integration hier vor Ort in Heiligenhaus? Denn die Ditib-Gemeinde hatte Meschede in seinem Leserbrief kritisiert. „Die Ditib müsste sich freimachen von den Behörden in der Türkei, sie muss autonom sein. Außerdem denke ich nicht, dass es förderlich ist, Imame, die weder die Kultur noch die Sprache vor Ort kennen, nach Deutschland zu berufen.“ Besser wäre es für die Integration und das Vermitteln zwischen den Kulturen, „wenn ich die Dinge weiß, die für diese Gesellschaft, in der ich lebe, nötig sind.“
>>> HINTERGRUND ZUM FRIEDENSGANG
- Im September hatte die Realschule alle Vertreter der Kirchen und Glaubenseinrichtungen in Heiligenhaus zu einem Friedensgang eingeladen. Dem folgten die katholische und evangelische Kirche, die Ditib- sowie die marokkanische Gemeinde.
- Grund für den Friedensgang war die Zertifizierung der Unesco Realschule durch den Verein Engel der Kulturen für ihre besondere interkulturelle und interreligiöse Kompetenz.