Heiligenhaus. . Gut 100 Heiligenhauser spielen derzeit Pokémon Go auf dem Handy. Viele verabredeten sich im Hefelmannpark und wagten einen digitalen Überfall.

Sie sind Monsterjäger der ersten Stunde und haben sich in Heiligenhaus wieder auf die Pirsch begeben. Yannick Kolossa und Julian Gertz spielen Pokémon Go und haben sich jetzt mit vielen Mitstreitern im Hefelmannpark getroffen, um ein besonders starkes Pokémon, ein Monster, zu besiegen – natürlich alles digital.

Seit 2016 gibt es dieses Handyspiel, „anfangs haben wir unseren Rucksack gepackt und sind mit Regenschirm und Laufschuhen durch die Stadt gezogen.“ Nun sind sie besser organisiert, haben immer eine Powerbank dabei, einen externen Ersatzakku. Zudem sind sie Teil der hiesigen Community, die gut 100 Spieler zählt. Und sie wächst, weil stets Optionen hinzukommen, um das Interesse der Veteranen zu halten und das neuer Leute zu wecken.

„Alles ist darauf ausgelegt, dass man Teams bildet und zusammenarbeitet“: Yannick Kolossa (links) und Julian Gertz gehen zusammen auf Monsterjagd.
„Alles ist darauf ausgelegt, dass man Teams bildet und zusammenarbeitet“: Yannick Kolossa (links) und Julian Gertz gehen zusammen auf Monsterjagd. © Ulrich Bangert

„Als Pokémon-Spieler wird man schnell erkannt“, sagt Gertz (20) und deutet aufs Powerbank-Kabel, das seinem Kumpel aus der Hosentasche hängt. Einige Meter weiter sitzt zudem ein Pärchen, das auf ihren Handys mit dem Zeigefinger eine Spirale nach der anderen zeichnet – so werfen sie digitale Fallen. Sich gegenseitig zu erkennen ist wichtig, denn viele Monster kann man meist nicht alleine besiegen; man braucht Verbündete. „Alles ist darauf ausgelegt, dass man Teams bildet und zusammenarbeitet“, sagt Kolossa.

Kindheitserinnerungen an die Fernsehserie

Gut 30 Mitstreiter sind in den Hefelmannpark gekommen, um am allmonatlichen Raid (Überfall) teilzunehmen, bei dem man eine Monster-Arena für sein Team erobert und dabei starke Widersacher einfängt. Nur wenige Stunden stehen dafür zur Verfügung und man muss vor Ort sein. „Pokémon ist für alle Altersklassen“, sagt Gertz. Für ihn sind damit aber Kindheitserinnerungen verbunden, an die Fernsehserie, das Sammelkarten- und das Gameboy-Spiel.

„Man muss auf jeden Fall von der Couch runter“, sagt Sarah Bobrik. „Man lernt mit dem Spiel die eigene Stadt erst richtig kennen.“ Denn was im echten Leben ein Schrebergarten in der Wassermangel ist, kann in der Spielwelt eine umkämpfte Arena sein. Als Einzelkämpferin war es für Bobrik schwer; jetzt verabredet sie sich per Whatsapp mit anderen – und nach erfolgreicher Jagd geht es gerne mal zusammen zum Shoppen.

Neulinge finden schnell Anschluss

© Rieck / Archiv

Dass Neulinge schnell Anschluss finden, merken Marjolein und ihre elfjährige Tochter Anna, die erstmals bei einem Überfall mitmachen und sich einem mächtigen Monster stellen. Besiegt und fängt man es, wird es trainiert und verbessert. So werden Spieler schlagkräftiger für Herausforderungen. Zwar mag Anna Judo und ihre Geige lieber als Pokémon, „aber es gefällt mir ganz gut. Ich habe Spaß und kann viele Leute treffen.“

Als der Überfall auf die Arena losgeht und die gegnerischen Monster bezwungen werden müssen, wird es plötzlich ruhig rund um den Spielplatz im Park. 17 Spieler bündeln ihre Kampfwerte und erteilen auf ihren Handys die Angriffsbefehle.

Pokémon-Spieler sind eine große Gemeinschaft

Kurz darauf ist es vollbracht. Anna lächelt, sie hat ein starkes Monster namens Registeel gefangen und zu ihrer Monstersammlung hinzugefügt, ihr erstes dieser Art. Sie wird es nun füttern und trainieren, damit es wächst und für sie immer gefährlichere Monster besiegt – und sollte ihr Heiligenhaus als Jagdgrund zu klein werden, steht Anna die gesamte Welt offen.

„Pokémon gibt es fast in jedem Land und in jeder Stadt“, sagt Julian Gertz, und besonders Sehenswürdigkeiten seien fast immer auch digitale Orte – und Spieler seien überall anhand ihrer Handbewegungen zu erkennen. „Man lernt Leute kennen, die man sonst nie kennenlernen würde“, sagt Gertz und lobt, dass die Pokémon-Spieler eine große Gemeinschaft seien. Doch in Heiligenhaus sei sie ganz besonders, so Yannick Kolossa: „Wir sind hier eine total lockere Subkultur und alle haben Spaß und werden schnell zu Kumpeln.“

>>> Kostenloses Spiel mit Suchtpotenzial

  • Pokémon Go kann kostenlos aufs Handy geladen und gespielt werden. „Es geht nicht um Skills, sondern um Durchhaltevermögen“, sagt Yannick Kolossa. „Pokémon belohnt, wenn man konstant dabei bleibt.“ Daher seien Rentner mit viel Zeit oft sehr starke Mitstreiter und Überfällen mit wenig Spielern, wie in Heiligenhaus, sehr gerne gesehen.
  • Er warnt jedoch vor Suchtgefahr: So soll es Spieler gegeben haben, die sich unerlaubt von der Arbeit schlichen, weil plötzlich für kurze Zeit ein seltenes Monster aufgetaucht sei, das sie noch für ihre Sammlung fangen wollten. Dass man fast immer und überall spielen kann, sei allerdings eine Stärke. „Es wird nie langweilig“, so Kolossa.