Heiligenhaus. . Das Waldmuseum zeigt in seiner Dauerausstellung, wie wichtig der Rohstoff Holz für die Menschen war und wie schwierig es war, ihn zu gewinnen.

  • Das Waldmuseum im Paradies zeigt in einer Dauerausstellung teils jahrtausendealte Berufe
  • Nicht nur Männer, auch Frauen mussten damals ordentlich malochen, damit das Holz genutzt werden konnte
  • Die Industrialisierung und die Eisenbahn haben jedoch zahlreiche Berufe rund um den Wald unnötig gemacht

Der Wald: heute grüne Lunge der Stadt, einst Lebensgrundlage des Menschen. Und ein Arbeitsplatz, an dem man früher nicht alt wurde. „Über Jahrtausende war das Überleben der Menschen ohne die Nutzung des Waldes unmöglich“, erklärt Stadtförster Hannes Johannsen. Wie viele Berufszweige sich einst um den Wald drehten, welche Werkzeuge die Menschen dabei benutzten und wo Gefahren lauerten, zeigt das Heiligenhauser Waldmuseum in seiner Dauerausstellung.

„Die Arbeit im Wald war körperlich sehr belastend, es gab viele Arbeitsunfälle und keinerlei Schutzkleidung“, sagt der Förster und zeigt auf das so genannte Schindeleisen. Die altertümliche Säge mit Holzgriffen an jedem Ende hängt neben zahlreichen anderen Werkzeugen im Ausstellungsraum des Waldmuseums. Um mit diesem Werkzeug einen Stamm nah am Erdboden absägen zu können, mussten sich zwei Arbeiter auf Knien abmühen. Alte Fotografien zeigen mürrisch drein blickende Männer. „Die Waldarbeiter trugen alte Sonntagsanzüge. Helme und Handschuhe gab es nicht“, sagt Hannes Johannsen. Nicht nur Männer, auch Frauen leisteten im Wald Schwerstarbeit. Das beweisen weitere historische Fotografien, die im Museum ausgestellt sind. Mit von der Last gekrümmten Rücken schleppen Frauen Kiepen voller Brennholz.

Fichtenharz gewinnen wie in der Vergangenheit

Malochen wie in vergangenen Zeiten: Praktikantin Miranda Shook aus den USA hat eine Kiepe geschultert, die Förster Hannes Johannsen mit Holz belädt.
Malochen wie in vergangenen Zeiten: Praktikantin Miranda Shook aus den USA hat eine Kiepe geschultert, die Förster Hannes Johannsen mit Holz belädt. © Alexandra Roth

Der Wald lieferte neben Brenn- und Baustoff auch das Gerbmaterial für die Verarbeitung von Leder. „Die Rinde junger Eichen enthält Gerbstoffe, früher wurde sie deshalb mit einem speziellen Werkzeug, dem Loheisen, abgeschält“, erklärt der Förster. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der pflanzliche Gerbstoff dann zunehmend durch künstlichen ersetzt.

Das Harz einiger Baumarten benötigte man zum Abdichten von Schiffsplanken, Holzfässern und mit Öl verdünnt als Schmiere für hölzerne Wagenachsen. Um an den klebrigen Saft zu gelangen, ritzten die „Harzer“ die Rinde von Kiefern mit einem speziellen Hobel an und fingen das Harz in Gefäßen auf. Wie das funktioniert, hat das Team um den Heiligenhauser Stadtförster an einer Fichte vor dem Waldmuseum getestet. Dort hat sich rund um den pfeilförmigen Einschnitt eine dicke Harzschicht gebildet. Der Baum werde dabei nicht verletzt, nur angeritzt. „Wenn man das gut macht, kann man viele Jahre lang ernten“, so Hannes Johannsen.

Das Leuchtmittel der armen Leute

Nick Paulus ritzt  die Baumrinde an, um Harz abzuzapfen.
Nick Paulus ritzt die Baumrinde an, um Harz abzuzapfen. © Alexandra Roth

Ein weiterer Berufszweig beschäftigte sich ebenfalls mit einem klebrigen Produkt aus dem Wald: die Zeidlerei. „Das ist die Imkerei im Wald“, erklärt Johannsen. Die Honigbienen nutzten verlassene Spechthöhlen als Domizil für die Honigproduktion. Um an die begehrten Bienenwaben zu gelangen, folgten Imker den Bienen und kletterten die Bäume hoch. „Das war nicht ungefährlich“, so der Förster. Gerade durch den Wachsbedarf für die Beleuchtung von Kirchen und Städten erhielt die Imkerei im Hochmittelalter Auftrieb. Außerdem war Honig bis zur Einfuhr von Rohrzucker und der Züchtung der Zuckerrübe der einzige verfügbare Süßstoff in der Region. Wer sich das Bienenwachs nicht leisten konnte, nutzte Kienspäne zur Beleuchtung. „Die waren billig, brannten wie Kerzen, rußten jedoch sehr stark“, erklärt Johannsen. Die von Harz durchzogenen Holzspäne waren das Leuchtmittel der armen Leute.

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Von den Produkten des Waldes abhängig waren viele Berufszweige, die mit dem geernteten Holz arbeiteten wie Drechsler und Schindelmacher. Der Rohstoff Holz und damit auch der Wald war Grundlage des Lebens. Nicht umsonst trägt die Zeit bis ins Jahr 1850 den Beinamen „hölzernes Zeitalter“.

„Erst die Industrialisierung hat den deutschen Wald gerettet“

Ohne Holz blieben früher Essen und Wohnung kalt, es hätte keine Mühl- und Zahnräder, weder Axtstiele noch Baumaterial gegeben. Aus Holz wurden Leuchtmittel, Geschirr und Möbel hergestellt. Der Wald wurde aber auch als Weidefläche für Vieh, das Laub aus Mangel an Stroh als Einstreu für Ställe genutzt. Es wurden große Mengen Brennholz in Privathaushalten und in der frühen industriellen Produktion benötigt, zum Beispiel bei der Herstellung von Glas oder im Bergbau. Dort mussten die Stollen wegen der Einsturzgefahr mit Holzbalken abgestützt werden.

Frühere Generationen beuteten den Wald regelrecht aus. „Erst die Industrialisierung hat den deutschen Wald gerettet“, sagt Förster Hannes Johannsen. Denn durch die zunehmende Industrialisierung und den Bau der Eisenbahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdrängte Kohle das Brennholz als Hauptenergielieferant. Die zunehmende Nutzung von Stroh in den Ställen führten außerdem zu einer Regeneration der ausgelaugten Waldböden, auf denen das Laub nun wieder verrotten konnte.

Innerhalb von zehn Jahren wurden die Köhler arbeitslos

© Alexandra Roth

Im und mit dem Wald verdienten lange die Köhler bei der Holzkohlegewinnung ihren Lebensunterhalt. Bis zur Erfindung der Dampfmaschine und damit auch der Eisenbahn gab es tausende Köhler, die in den deutschen Wäldern ein einsames Leben an ihren Meilern führten. Mit der Eisenbahn konnte die Steinkohle als Energielieferant schließlich überall hin transportiert werden, wo sie gebraucht wurde. Die ortsnahe Produktion von Holzkohle wurde überflüssig. „Innerhalb von zehn Jahren wurden die Köhler arbeitslos“, berichtet Johannsen.

Der Förster zählt Wildhüter, Pferderücker, Holzfrauen und noch zahlreiche andere Berufsgruppen vergangener Tage auf, die mit dem Wald ihren Lebensunterhalt verdienten. Heute drehen sich nur noch sehr wenige Berufe um die grüne Lebensgrundlage von einst. Dazu gehören der Beruf des Försters, des Forstwirts, des Rangers und des Waldpädagogen.

>>> Führungen durch das Museum sind nur nach Anmeldung möglich

Hier dreht es sich um den Wald und alte Waldberufe: Mitten im Naturschutzgebiet Vogelsangbachtal befindet sich das zum Umweltbildungszentrum (UBZ) gehörende Waldmuseum.

In den Räumen des ehemaligen Wasserwerks ist eine Ausstellung über Menschen und Wälder zu sehen. Ein Teil der Exponate stammt von den Dachböden der Verwandtschaft des Stadtförsters Hannes Johannsen. Der Beruf hat in seiner Familie eine lange Tradition.

Die Besichtigung des Museums ist nur mit Anmeldung im UBZ möglich.