Heiligenhaus.. Kiekert begann vor 160 Jahren in Isenbügel. Jetzt hat die Firma weltweit 6500 Mitarbeiter. Vorstandschef Karl Krause bekennt sich zum Standort.

Das Heiligenhauser Traditionsunternehmen Kiekert besteht seit 160 Jahren und hat jetzt anlässlich dieses Geburtstags seine Geschichte, Meilensteine und Zukunftsperspektiven präsentiert. Den Beginn um Firmengründer und Namensgeber Arnold Kiekert in Isenbügel, der Möbelbeschläge herstellte, skizzierte der jetzige Vorstandsvorsitzende Dr. Karl Krause aber nur kurz und ging vielmehr auf jüngere Jahre ein.

Vorstandschef Dr. Karl Krause (rechts) und Entwicklungsleiter Dr. Thorsten Nottebaum bei der Pressekonferenz zum 160-jährigen Firmenbestehen
Vorstandschef Dr. Karl Krause (rechts) und Entwicklungsleiter Dr. Thorsten Nottebaum bei der Pressekonferenz zum 160-jährigen Firmenbestehen © Lars Heidrich | Unbekannt

Zwar sei durch den Umzug auf das Gelände an der Kettwiger Straße (1896), wo inzwischen der Campus steht, erst das wirkliche Wachstum von Kiekert ermöglicht worden und passiert, doch erst eine bahnbrechende Erfindung in den 1970er Jahren habe für den Automobilzulieferer den Weg zum Technologieführer für automobile Schließsysteme geebnet: die Zentralverriegelung.

Inzwischen produziert Kiekert weltweit 70 Millionen Seitentürschlösser pro Jahr und hat in seiner langen Firmengeschichte mehr als 1,9 Milliarden Schließsysteme für die Autoindustrie entwickelt und gebaut. Nach wirtschaftlich schwierigen Zeiten erwirbt Schroders Ventures Europe die Mehrheit an Kiekert (2000) und verhindert so eine Insolvenz. Das belegen Unterlagen aus dem Stadtarchiv, ebenso, dass nach der Übernahme bis 2006 zwar die Mitarbeiterzahl weltweit mit 4000 gleich blieb, aber 900 Stellen ins Ausland verlagert wurden. Danach arbeiteten nur noch 1600 Beschäftigte in Heiligenhaus.

Chinesischer Industriekonzern wird Eigentümer

Das Gemälde zeigt Firmengründer Arnold Kiekert.
Das Gemälde zeigt Firmengründer Arnold Kiekert. © Kiekert | Unbekannt

Ein neuerlicher Wendepunkt kam 2007, als ein Hedgefonds und Banken Kiekert erwarben. „Wir haben gemerkt, dass wir die Welt nicht von Heiligenhaus aus erobern können“, sagt Karl Krause. Bis dahin sei Kiekert nur in Heiligenhaus mit „kleinen Aktivitäten“ im Ausland (Tschechien, USA, Mexiko) vertreten gewesen. Das neue Management, zudem auch er gehört, habe entschlossen, Kiekert komplett neu aufzustellen. So habe man sich entschieden, nach China und sehr aggressiv in den chinesischen Markt zu gehen und dessen Autohersteller zu Partnern zu machen. Nur wenige Jahre später übernimmt der chinesische Industriekonzern Lingyun die Firma. „Kiekert ist Schritt für Schritt in die Welt gewachsen“, sagt Krause und ergänzt, Lingyun „ist die gewünschte und, ich denke, endgültige Heimat.“ Denn der neue Eigentümer, dem Kiekert seit 2012 gehört, lasse der Heiligenhauser Firma ihre Eigenständigkeit, weil man mit keinem Produkt konkurriere.

240 Arbeitsplätze in der Fertigung bis 2023 gesichert

Inzwischen hat Kiekert nach Unternehmensangaben 6500 Mitarbeiter in zehn Ländern mit acht Produktions-, sechs Entwicklungs- und drei Vertriebszentren. „Heiligenhaus war, ist und bleibt die Keimzelle von Kiekert“, verspricht der Vorstandschef Karl Krause. Es gebe ein sehr klares, sehr deutliches Bekenntnis zum Standort. 950 Beschäftigte arbeiten am Höseler Platz und allein 90 seien in den vergangenen 18 Monaten eingestellt worden.

Gerade die Verwaltung und die Entwicklungsabteilung würden auch künftig wachsen, so Krause, die hiesige Produktionsabteilung dagegen aber schrumpfen. Immerhin sind 240 Arbeitsplätze in der Fertigung und in produktionsnahen Bereichen vertraglich bis mindestens zum Jahr 2023 gesichert.

Heiligenhaus ist wichtig im Fachkräftewettbewerb

Aber auch darüber hinaus gebe es keine Pläne, die Firmenzentrale von Heiligenhaus in einen Glaspalast in einer Metropole wie Düsseldorf zu verlegen, sagt Karl Krause. Das tue Kiekert schon aus Eigeninteresse nicht, ergänzt Entwicklungsleiter Dr. Thorsten Nottebaum. Als Technologieführer stehe man immer im Wettbewerb um die besten Ingenieure, und dafür sei Heiligenhaus in einer Technologieregion perfekt gelegen. „Wir sind wie die Spinne im Netz“, sagt er, denn durch die Nähe zu Düsseldorf, dem Ruhrgebiet und Köln gebe es in der Region viele Universitäten und selbst für Ingenieure, die frisch an der RWTH Aachen abschließen, seien Heiligenhaus und Kiekert interessant.

„Wir sind froh, dass wir hier sind und wollen eigentlich nicht weggehen“, bestätigt Karl Krause. Das unterstreiche etwa das große Sommerfest im Juli für Mitarbeiterfamilien, das erste seit gut 20 Jahren, sowie die Zusammenarbeit mit der hiesigen Hochschule.

Blitzeinschlag als Muskelspiel

In der Automobilbranche ist die Firma Kiekert als Technologieführer bei Schließsystemen weltbekannt. Nach eigenen Angaben arbeitet das Unternehmen mit 60 Autoherstellern zusammen. Durch die mehr als 2000 Patente sei zudem ein Kiekert-Design in jedem dritten Auto auf der Welt, da auch Mitbewerber patentierte Produkte nachbauen.

Zumindest überregionale Bekanntheit außerhalb der Fachbranche hat die Traditionsfirma im Jahr 1998 erlangt, als sie die Ford-Werke in Köln zwang, die Produktion stillzulegen. Angeblich sei der Blitz bei Kiekert eingeschlagen und habe deren Computer beeinträchtigt. Daher bekam Ford keine Türschlösser geliefert und die Fließbänder standen still. Fachmänner aus Köln wollten zwar dabei helfen, den Schaden zu reparieren, aber Kiekert lehnte dies ab. Die Mitarbeiter würden die Schäden selbst engagiert beheben, wenn sie wüssten, dass Ford sich an den abgeschlossenen Rahmenvertrag halten würde. Darin hatte Ford Kiekert zugesichert, zehn Jahre lang Türschlösser nur von ihnen zu beziehen.

Gründersohn August Kiekert schied 1897 aus der Firma aus

Der Automobilhersteller war kurz vor dem Lieferengpass gegen diesen Vertrag vorgegangen. Außerdem soll es zwischen dem Hersteller und seinen Zulieferern zu Unstimmigkeiten über Preise gekommen sein. Daher vermuteten damals Fachleute, dass Kiekert gegenüber Ford seine Muskeln spielen ließ und einen Blitzeinschlag nur als Grund vorschob, um keine Türschlösser zu liefern.

Wie ein Blitz traf dagegen die Heiligenhauser Firma gut ein Jahrhundert zuvor, dass Gründersohn August Kiekert 1897 aus der Firma ausschied. Er hatte sie mit seinen drei Brüdern Wilhelm, Albert und Fritz nach dem Tod seines Vaters (1888) übernommen. Später (1904) wurde er Mitbegründer der Firma Kiekert & Nieland, die vor einigen Jahren geschlossen wurde.

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Kiekert hat an allen seinen Standorten insgesamt 6500 Mitarbeiter.

Die Verwaltung ist weiterhin in Heiligenhaus, gegründet wurde das Unternehmen 1857 in Isenbügel, Am Kämpchen, als Schloss- und Beschlagfabrik unter dem Namen „Arnold Kiekert und Söhne“.

In seiner 160-jährigen Geschichte hat Kiekert über 1,9 Milliarden Schließsysteme für die Autoindustrie entwickelt und gebaut. Inzwischen produziert die Firma rund 70 Millionen Seitentürschlösser pro Jahr. Sie sind bis heute das Kernprodukt des Unternehmens.

Kiekert erwartet für das Jahr 2017 einen Gesamtumsatz von 880 Millionen Euro.