Essen. . Der traditionsreiche Auto-Zulieferer Kiekert geht in den Besitz von Hebei Lin­gyun Industrial aus Peking über.

Im Sommer 2011 berichtete diese Zeitung erstmals über aufkommende Spekulationen einer Übernahme des weltgrößten Autoschlösser-Herstellers Kiekert in Heiligenhaus, jetzt ist der Eigentümerwechsel bestätigt. Der traditionsreiche Zulieferer geht in den Besitz von Hebei Lin­gyun Industrial aus Peking über. Das Unternehmen ist Tochter von Norinco, des größten chinesischen Rüstungskonzerns. Für die 1000 Kiekert-Mitarbeiter in Heiligenhaus gilt unverändert der Standortsicherungsvertrag.

2010 wurde im Zuge der Wirtschaftskrise vereinbart, dass bis 2012 mindestens 800 Stellen in Heiligenhaus erhalten bleiben. Weltweit hat das Unternehmen 4000 Beschäftigte mit Standorten in China, USA, Mexiko und Tschechien.

Kiekert produzierte im vergangenen Jahr 41 Millionen Schließsysteme für die Automobilindustrie – größtes Volumen in der Geschichte des 1857 gegründeten Unternehmens, das sich der Erfindung der Zentralverriegelung rühmt. Der Umsatz des Schließsystem-Spezialisten erreichte 500 Millionen Euro. Zusammen mit Lingyun werden über eine Milliarde Euro Umsatz erreicht.

Kiekert ist nicht der einzige Fall einer Übernahme in der Autobranche durch chinesische Firmen. Der spektakulärste Fall war 2010 der Kauf der schwedischen Ford-Tochter Volvo durch den Kleinwagenspezialisten Geely. Weniger bekannt sind die Übernahme der deutschen Zulieferer Preh 2011 und SaarGummi. „Man muss mit weiteren Zukäufen rechnen“, sagt Autoexperte Dudenhöffer von der Universität Duisburg Essen, „Die Chinesen kaufen zunehmend Kompetenz ein, um schneller voranzukommen.“ Betroffen seien vorrangig Firmen in der Hand von Finanzinvestoren.

Mit dem Aufkauf durch Lingyun zu einem nicht bekanntgegebenen Preis wird zumindest ein vorläufiger Schlussstrich unter das langjährige Hickhack um den Traditionshersteller gezogen. Vor 25 Jahren endete Kiekert als Familienbetrieb durch eine Übernahme aus dem Management heraus („Management Buy Out“). 1995 folgte der Börsengang.

Wellen schlug 1998 der „Lieferstreik“ von Kiekert an seinen Hauptkunden Ford, der die Preise drücken wollte. Die von den Lieferungen aus Heiligenhaus abhängigen Kölner Autobauer mussten darauf mehrere tage lang die Produktion einstellen.

2000 erwarb der internationale Finanzinvestor Permira eine Mehrheitsbeteiligung, und im April 2002 endete schließlich die Börsennotierung. Permira bürdete der Firma hohe Schulden in Höhe von einer halbe Milliarde Euro auf, um die eigenen Übernahmekosten zu finanzieren.

Absatzprobleme des Hauptkunden Ford ließen Kiekert in die Krise rutschen. Permira trat 2006 seine Anteile an Gläubiger ab und verzichtete dabei auf Forderungen gegenüber Kiekert in Höhe von 145 Millionen Euro. Neue Eigentümer und jetzige Verkäufer: die Hedgefonds BlueBay Asset Management und Silver Point Capital sowie die Investmentbank Morgan Stanley.