Heiligenhaus. . Der Klimawandel geht auch an der Region nicht spurlos vorbei. Was die veränderten Bedingungen mit Wildschweinen und Detektivarbeit zu tun haben.

  • Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch bei uns - gerade in den Wäldern der Region - zu spüren
  • Weil es im Winter in der Regel nicht mehr so frostig ist wie früher, vermehren sich die Wildschweine
  • Exotische Pflanzen und Tierarten siedeln sich in der Region an und verdrängen mitunter heimische Arten

Die Folgen des Klimawandels hier bei uns rotten sich grunzend durchs Unterholz. Klimawandel, der findet mit steigendem Meeresspiegel für viele irgendwo auf Inseln in der Südsee statt. Doch die Auswirkungen des Klimawandels sind auch vor unserer Haustür und gerade in den Wäldern der Region zu spüren. Denn weil es im Winter nicht mehr so frostig ist, vermehren sich die Wildschweine stark.

„Heute ist echtes Buchenwetter“, sagt Stadtförster Hannes Johannes und blickt in das von Nebel und Nieselregen verwaschene Paradies hinter dem Heimatmuseum. Die Buche, in der Region weit verbreitet, mag es kühl und feucht. Aber vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit falle auf, dass es oft gar nicht mehr so richtig kalt sei. „Die Frosttage nehmen ab“, sagt Stadtförster Hannes Johannsen.

Weniger Schnee als noch vor viele Jahren

Der in Heiligenhaus aufgewachsene Förster berichtet von seiner Kindheit, in der er jeden Winter mit dem Schlitten die Hügel hinunter flitzte, sogar Iglus baute. Für seine eigenen Kinder gehört der Anblick einer Schneedecke zu seltenen Momenten. „Schnee ist bei uns heute eine Ausnahme“, sagt er.

Weil es im Winter nicht mehr so frostig ist, vermehren sich die Wildschweine stark.
Weil es im Winter nicht mehr so frostig ist, vermehren sich die Wildschweine stark. © Diana Roos

Weniger Schnee und Frost bedeuten aber beispielsweise auch mehr Wildschweine. Früher hatte es die Bache im Winter schwer, im gefrorenen Boden ausreichend Nahrung zu finden und so genügend Milch für ihren Nachwuchs zu produzieren. „Etwa die Hälfte der acht bis zehn Frischlinge überlebte den Winter nicht“, berichtet Hannes Johannes. Inzwischen ist der Waldboden nur selten so hart gefroren, dass die Futtersuche für die Wildschwein-Mutter schwierig wird.

Immer mehr junge Wildschweine überleben

Die Folge: Die kleinen Wildschweine kommen durch, die Population wächst. „Bis vor etwa zehn Jahren gab es nördlich der A46 gar keine Wildschweine“, so der Förster. Inzwischen machen sich die Wildtiere auch in den heimischen Wäldern breit.

Richtig ausgebreitet hat sich inzwischen auch das Indische Springkraut mit seinen pink-leuchtenden Blüten — und verdränge dabei das heimische Springkaut. „Diese eingewanderten Pflanzen bezeichnet man als Neophyten“, erklärt Johannsen. Aber nicht nur exotische Pflanzen siedeln sich an, auch Tiere aus anderen Regionen fühlen sich im Heiligenhauser Stadtgebiet heimisch. Am Stauteich haben beispielsweise Nilgänse ein neues Zuhause gefunden. Die Tiere mit den dunklen Flügeln und den langen Beinen brüten in der Abtsküche und ziehen dort ihren Nachwuchs groß.

Opa erlebte nur zwei heftige Stürme in 48 Jahren

Besonders auffällig findet der Stadtförster jedoch die zunehmenden Wetterextreme. So hätten in den vergangenen 26 Jahren mit Lothar, Wiebke, Kyrill und Ela vier schwere Stürme ihre Spuren in der Region hinterlassen. „Mein Opa hat in seiner 48-jährigen Dienstzeit als Förster gerade einmal zwei solcher heftigen Stürme erlebt“, berichtet Johannsen. Und auch die langen trockenen Phasen im Sommer nehmen seiner Beobachtung nach zu. „Und das mag die Buche gar nicht“, so der Förster.

Der Heiligenhauser Stadtförster Hannes Johannsen beobachtet den Klimawandel in der Region genau.
Der Heiligenhauser Stadtförster Hannes Johannsen beobachtet den Klimawandel in der Region genau. © Detlev Kreimeier

Gerade die Wetterextreme sind es, die den Förstern in unserer Region Sorgen bereiten. Denn die Herbststürme fegen nicht nur im Oktober oder November durch die nahezu kahlen Äste, derartige Stürme gibt es jetzt auch im Mai. Und das kann für die dann oft in voller Blüte stehenden Bäume schwerwiegende Folgen haben.

Die Stadt muss ihr Personal gut schulen

Die Stadt muss deshalb langfristig nicht nur mehr Geld für die Verkehrssicherungspflicht aufwenden, sondern auch das Personal gut schulen und mit den notwendigen Gerätschaften ausstatten. „Die Sturmereignisse sind für uns nicht planbar. Aber wir können lernen, wie wir im Erstfall damit umgehen“, so Hannes Johannsen. Kniffelig wird es für den Förster und sein Team auch, wenn es um Neuanpflanzungen geht. Pflanzt man Bäume, die seit Jahrhunderten gut an die Umgebung angepasst sind? Oder weicht man auf Arten aus, die sich mit den neuen Gegebenheiten besser zurecht kommen könnten?

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Für Stadtförster Johannsen hat der Klimawandel auch viel mit Detektivarbeit zu tun. Denn oft wisse man gar nicht so genau, was die Ursache für die Ansiedlung einer neuen Tier- oder Pflanzenart sei. Ob die klimatischen Veränderungen Teil des schon immer währenden Wechsels zwischen Warm- und Kaltzeiten seien und welche Rolle der Mensch tatsächlich beim Klimawandel spiele.

Falter, die sich anpassen, sind im Vorteil

Dietmar Borbe, Schmetterlings-Experte aus Heiligenhaus, hat bemerkt, dass sich Falter aus dem südlichen Raum immer weiter Richtung Norden ausbreiten. Es flattern in der hiesigen Region also Tag- und auch Nachtfalter herum, deren Vorkommen hier früher nicht oder kaum zu belegen gewesen sei.

„Beispielsweise taucht bei uns jetzt auch der Kleine Sonnenröschen-Bläuling auf“, berichtet Borbe. Durch den Klimawandel seien die Winter jetzt nasser. „Das verändert das Mikroklima im Bodenbereich. In der Folge leidet dadurch zwangsläufig die Überwinterung von Eiern, Puppen und Raupen der Schmetterlinge, die dann viel eher zugrunde gehen und keine neuen Populationen aufbauen können“, so der Fachmann für Falter.

Schmetterlinge reagieren sensibel auf Veränderungen

Schmetterlinge reagieren auf Veränderungen des Klimas sehr sensibel. Vögel beispielsweise können leicht woanders hinfliegen, das sei bei den Faltern normalerweise kaum der Fall. Neue für sie passende Biotope fehlten oft und das bedeute meist keine neuen Populationen, erst recht, wenn es sich um Spezialisten handele.

„Falter, die sich gut an veränderte Umweltbedingungen anpassen können, sind im Vorteil“, berichtet Borbe. Letztlich führe das zu weniger Artenvielfalt und stelle so gesehen eine Verarmung der Natur dar.