Hattingen. Bäckereien, die noch alles frisch zubereiten, werden weniger. Der Trend geht zum Aufbacken vorproduzierter Waren. Trotzdem gibt es in Hattingen noch Bäcker, die selbst in ihrer Backstube stehen und genau wissen, welche Brötchen sie ihren Kunden verkaufen.
Rund 90 Kilogramm Brot, Brötchen und andere Getreideerzeugnisse verputzt der Durchschnittsdeutsche laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung jährlich. Auch bei den Hattingern ist die Stulle zum Frühstück hoch im Kurs. Doch wie kommen Brot und Brötchen überhaupt auf den Tisch? Neben den Back-Filialen, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus der Erde schossen und vorproduzierte Backwaren nur aufbacken, gibt es in Hattingen auch noch Bäckereibetriebe, die alles selbst produzieren.
Die Bäckerei Nieland am Steinhagen ist eine von ihnen. Als Frank Nieland das Geschäft im Jahr 1994 übernahm, habe es in der Stadt noch sehr viel mehr backende Betriebe gegeben, erinnert sich der gelernte Konditor und Bäckermeister. 1899 hat sein Ur-Ur-Großvater die Bäckerei eröffnet. Zunächst noch auf der anderen Straßenseite, befindet sich das Unternehmen seit 1974 am Steinhagen 5.
Etwa zwölf Tonnen Mehl lagerten im Keller der Bäckerei. „Das reicht für rund drei Wochen.“ Davon backen Nieland und sein Team knapp 3000 Brötchen und 300 Brote Tag für Tag. Hinzu kommt eine große Palette an anderen Gebäck. „Wir machen von Schwarzbrot bis zur Trüffelpraline alles. Bei uns gibt es nichts was es nicht gibt.“
Das Außergewöhnlichste sei einmal eine Torte für 600 Personen gewesen. „Fast zweieinhalb Tage haben wir daran gearbeitet. Wir mussten extra Gestelle bauen.“ Am Ende sei die Torte mehr als zwei Meter hoch und ebenso breit geworden.
Produktion erfolgt zu 99 Prozent in der Backstube
Dass in seiner Backstube zu 99 Prozent selbst produziert wird, darauf ist Frank Nieland stolz. Die Filial-Betriebe hätten dagegen eine zentrale Bäckerei, die die Backwaren liefere. „Nur sehr spezielle Produkte werden bei uns besorgt, weil die Stückzahl zu niedrig ist. Ansonsten backen wir alles selbst.“ Dies sei heute für viele Kunden aber nicht mehr so wichtig, wie stets volle Ladenregale und günstige Preise.
„Bei den zwölf Filialisten, die hier im Umkreis von 400 Metern sind, können wir preistechnisch nicht mithalten. Preisdruck und Überlebenskampf werden immer härter. Man hat es immer schwieriger als Bäcker.“ Auch verändert hätten sich in den vergangenen Jahren die Ansprüche der Kunden an einen Bäckerladen. „Früher war der Bäcker nur zum Backen da. Heute erwartet der Verbraucher ein kleines Café in jedem Betrieb.“
Ein anderer Betrieb in Hattingen, in dem noch selbst produziert wird, ist die Bäckerei Thiele in Winz-Baak. Auch die Backstube an der Dahlhauser Straße hat eine lange Familientradition. „Ich bin Bäcker in der vierten Generation“, erzählt Markus Thiele, der das Geschäft gemeinsam mit Vater Werner führt. Auch nördlich der Ruhr gibt es noch jede Menge Handarbeit. „Wir machen alles selber: Brot, Brötchen, Sauerteig, Vorteige. Nur das Mehl mahlen wir nicht selbst.“ Die Bäckerei Thiele konzentriert sich hauptsächlich aufs Frühstücksgeschäft. „Brote backen wir eher weniger. Dafür gehen hier am Tag etwa 2500 Brötchen über die Theke“, so Markus Thiele.
Geschäft ist schneller geworden
Wie er die Veränderungen in seinem Beruf in den vergangenen Jahren erlebt hat? „Das Geschäft ist schneller geworden. Wenn der Kunde etwas nicht kriegt, geht er eben zur Konkurrenz.“ Früher hätten die Leute dann eben gewartet. Aufgefallen sei dem Bäcker auch, dass günstige Preise viele Kunden zu den Back-Filialen trieben. „Noch vor einigen Jahren war vielen egal, was etwas gekostet hat. Heute wird mehr auf den Preis geachtet.“
Zwar habe sich das Kaufverhalten geändert, was die Kunden gerne essen blieb dagegen nahezu unverändert. „Vollkornprodukte sind beliebt. Zum Beispiel das Kohlenhydrat-reduzierte Brot.“ Von einem Gesundheitstrend könne man aber nicht reden. „Wenn der Malocher morgens zu uns kommt, braucht der nach wie vor seine Kalorien“, scherzt Thiele.