Seit August ist die Ära Hertie zu Ende. Stella Addamiano, Bernd Mikoleit und Thomas Barchewitz-Espey fanden einen neuen Job.
Die Ware liegt verstreut auf dem Boden – stapelweise. Kartons: aufgerissen. Regale: leer gefegt. Die Kunden feilschen, wühlen, schimpfen. Schleppen Schnäppchen in Massen. „Das war schlimmer als auf dem Basar, katastrophal”, erinnert sich Stella Addamiano an die letzten Tage bei Hertie. Traurig war sie, „weil es so zu Ende ging”. Und enttäuscht. Inzwischen kann die 38-Jährige wieder lachen: Sie hat einen neuen Job gefunden.
In der Bäckerei Löscher verkauft sie frische Brötchen, kocht Kaffee, schneidet Torten. Auch bei Hertie stand sie an der Kasse, arbeitete neun Jahre in der Schreibwaren-Abteilung. Monatelang bangte die allein erziehende Mutter um die Zukunft der Filiale – umsonst. Am 8. August schloss Hertie für immer seine Türen. Eine Woche dauerten die Aufräum-Arbeiten, Stella Addamiano packte mit an. „Das tat so weh.” Ängste quälten sie, „ich wusste ja nicht, ob ich überhaupt wieder einen Job bekomme”. Vier Bewerbungen später Erleichterung. „Ich erfuhr direkt nach meinem Vorstellungsgespräch, dass ich bei Löscher anfangen kann.” Nur eine Woche war Stella Addamiano arbeitslos, „ich hatte einfach großes Glück”.
Das hatte auch Bernd Mikoleit. Vor 20 Jahren fing er bei Karstadt an, kümmerte sich um die Elektrik, Heizungen, Lüftungen und die Rolltreppe. Vom Hertie-Konkurs erfuhr der Energieanlagen-Elektroniker im Sommerurlaub 2008. „Ich habe mich sofort nach was anderem umgesehen, Bewerbungen geschrieben.” Bereits im Dezember verließ er das Haus, arbeitet seit der Eröffnung im Reschop Carre´. „Als Haustechniker”, sagt der Vater von zwei Kindern glücklich. Der neue Job gefällt dem 48-Jährigen. „Der Umgang miteinander – auch mit den Mietern – ist sehr persönlich, fast familiär.” Mikoleit denkt oft an die alten Kollegen. „Ich habe mit ihnen gelitten, ich bekam ja alles mit, war direkt nebenan.” Jetzt hofft er nur eines: „Dass ich so was nicht noch mal erleben muss. Ich wünsche mir sehr, dass sich alle Mieter etablieren, wir lange zusammen arbeiten.”
Thomas Barchewitz-Espey möchte ebenfalls wieder gemeinsam arbeiten. 17 Jahre leitete er das Reiseland Hertie, „bis zum 31. Juli, dann war Schluss.” Im Juni erfuhr der 49-Jährige die Hiobsbotschaft, „danach ging alles ganz schnell. Die letzten Wochen waren einfach nur grausam”.
Die Zeit danach war auch nicht einfach. „Mir war klar, dass ich in meinem Alter auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen habe. Irgendwann ist ein Zeitpunkt erreicht, wo einfach nichts mehr geht. Da musste ich Gas geben, um aus diesem Loch wieder raus zu kommen.” Der Essener eröffnete im Oktober sein eigenes Reisebüro, nur wenige Meter vom leeren Hertie-Haus entfernt. „Ich wollte Hattingen auf keinen Fall verlassen. Ich mag diese Stadt, die Menschen, die Intimität.”
Der Familienvater erinnert sich an den Beginn seiner Selbständigkeit: „Ich hatte Angst vor diesem Schritt. Angst, dass es nicht klappt”. Doch es klappt. Seine Stammkunden folgen ihm ins neue Geschäft. Bald will er eine der alten Kolleginnen einstellen. Es geht weiter.