Hattingen. Sozialarbeiterin der Alzheimer Gesellschaft in Hattingen zieht den Hut vor Rudi Aussauers öffentlichem Bekenntnis. Erkrankte und Angehörige in Hattingen teilen jedenfalls seine Angst vor der Krankheit.
„Ganz schön mutig“ findet Maria Elisabeth Warnecke von der Alzheimer Gesellschaft, wie Rudi Assauer mit seinem öffentlichen Bekenntnis zur Krankheit und dazu, Angst zu haben, die Flucht nach vorn antritt. Auf die Arbeit vor Ort hat sich das bislang nicht in verstärkten Reaktionen niedergeschlagen, doch „das wird noch kommen“.
Und nach Ansicht der Sozialarbeiterin noch eine ganz andere Wirkung haben als bei anderen bekannten Betroffenen, etwa dem Tübinger Professor Walter Jens. Wenn ein Typ, der in der öffentlichen Wahrnehmung ein Macho und Frauenheld sei, „wie mancher Mann es vielleicht gern wäre und den manche Frau vielleicht gern hätte – wenn der sagt, ich hab’ eine Scheißangst, dazu gehört viel Mut“. Und anders als andere Prominente mit der Krankheit sei er „von hier um die Ecke“.
Krank, nicht bekloppt
„Er ist nicht mehr mein Mann“, hatte Inge über Walter Jens gesagt. Solche Erfahrungen macht auch Frau Müller aus Hattingen, wenn sich ihr Mann etwa psychisch deutlich verändert. Die Alzheimer Gesellschaft empfiehlt dann, die zehn Merkmale für Demenz zu überprüfen und wenn mehrere zutreffen, einen Arzt zu Rate zu ziehen. Allerdings könnten die Ursachen auch andere sein und auf Medikamentennebenwirkung oder Kurzzeitstörung beruhen.
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Assauers Angst teilen Betroffene und Angehörige vor Ort ebenfalls. Mit dem Wissen um die Krankheit und dem Bekenntnis dazu kann auch eine Last abfallen. Zumal, so Warnecke, Versteckspiele und Vertuschen ohnehin nur bei klarem Verstand funktionierten. „Ich bin krank, ich bin nicht bekloppt“, hat ihre seit Jahren erkrankte Freundin einmal geäußert.
Doch es führt kein Weg daran vorbei: „Alzheimer macht Angst“, weiß Warnecke. Und manche halten sie für die schlimmste Krankheit, die einen treffen kann. So hat ein guter Freund angesichts der Diagnose Darmkrebs gesagt: „Gottseidank, ich hab’ kein Alzheimer.“
Familie muss umdenken
Der Verlust der Kontrolle werde als besonders schlimm empfunden. Dabei könne die Umgebung helfen, die Krankheit für alle Beteiligten erträglicher zu machen. Wer weiß, dass der Nachbar betroffen ist, kann ihn unterhaken und heimbringen, wenn er 50 Meter entfernt steht und sein Haus nicht findet.
Eine wertschätzende Haltung, die jedem zu wünschen wäre, erleichtere den Umgang. Verlängert die positiven Phasen, die es auch bei dieser Krankheit gibt. Und verlangt Angehörigen Umdenken ab. Wenn die Mutter in drei Töpfen Kartoffeln gekocht hat, bedeutet das für die Tochter sich zu freuen, dass gekocht wurde und es morgen Kartoffelsalat, übermorgen Bratkartoffeln geben kann. Statt zu meckern, dass Fleisch und Blumenkohl fehlen. Mit Wertschätzung allein wird nicht zu haben sein, was der Alzheimer Gesellschaft dringend fehlt: ein Haus für Aktivitäten auch im Frühstadium der Krankheit.