Hattingen. Die Gartenpforte öffnet sich wieder: Nach 20 Jahren erzählt eine Pionierin von ihrem Kampf mit Ängsten – und dass sie reicht belohnt wurde.

Aus ihrem und den Gärten ihrer Mitstreiter hat Ingrid Adelt Tausende Euro geschleppt - im wahrsten Sinn des Wortes. Kiloweise Kleingeld trug sie zur Bank. Doch vorher kämpfte sie mit der Angst ihres Mannes. Die ganze Geschichte:

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Seit 20 Jahren können Hattinger hinter anderer Leute Türen schauen. Jedes Jahr wieder und gleich mehrfach. Zumindest, wenn man sich mit der Gartentür begnügt. Wie machen das andere eigentlich mit dem grünen Kleinod hinterm Haus? Das zeigt unter anderem Ingrid Adelt, die in Hattingen als erste ihren Garten öffnete und seit 20 Jahren dabei ist. Ganz einfach war der Weg dahin nicht. Aber am nächsten Sonntag (25.8.) setzt sie ihn wieder einmal fort. In ihren Geschichten rund um die Offene Gartenpforte berichtet die Hattingerin über die Erfolgsgeschichte.

Verängstigter Mann - jetzt kommen die Einbrecher

…Ich mach dann mal den Garten auf. Ist doch ganz einfach, Gartentor auf, Schild aufstellen, nett mit Besuchern plaudern – ach wie ist das schön! Halt! Vor 20 Jahren, als ich diese Idee hatte, ging das noch. Natürlich hatten die Engländer, Niederländer und einige wenige Regionen in Deutschland diese Idee auch schon, aber direkte Vorbilder, die man mal fragen konnte, wie das so abläuft, hatte ich nicht.

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Der Mann war sowieso skeptisch und verängstigt: Diebe, Einbrecher, verwüsteter Garten und was ein Mann sich so denkt, wenn ihn das Gartenfieber noch nicht schüttelt. Ich hatte eher Bedenken, dass niemand kommen könnte, und ging völlig verschüchtert zur kleinen Geschäftsstelle der WAZ in Hattingen. „Könnten Sie vielleicht meine Gartenöffnung in ihrer Zeitung ankündigen? Und bitte dazu schreiben „nur nach vorheriger telefonischer Voranmeldung“ (wegen dem Mann).

In diesen Gärten kann man sich wohlfühlen: Die Offene Gartenpforte in Hattingen ist eine Erfolgsgeschichte - und Arbeit, die sich auch finanziell auszahlt.
In diesen Gärten kann man sich wohlfühlen: Die Offene Gartenpforte in Hattingen ist eine Erfolgsgeschichte - und Arbeit, die sich auch finanziell auszahlt. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Schon früh am Morgen stand das Telefon nicht mehr still, die ersten Besucher standen vorm Gartentor. Keine Zeit mehr, um ans Telefon zu gehen. Ja, ein Handy war damals noch eine Seltenheit, geschweige denn eine Kommunikation über E-Mail oder soziale Medien. Aber einen Anrufbeantworter gab es, der dann auch schnell die Ansage bekam, dass eine Anmeldung nicht mehr nötig sei.

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Termine der Gartenpforte

In 20 Jahren Offene Gartenpforte - Gärten an der Ruhr kamen nach Abzug der Druckkosten für Flyer 142.229 Euro zusammen. Es gab zwei herausragende Gartenjahre: 2011 mit 20 Gärten und 11.000 Euro Spendeneinnahmen und 2017 mit zwar nur neun Gärten, aber 10.800 Euro Spendeneinnahmen. 47 Gärten haben im Laufe der Jahre mitgemacht.

Im 20. Jahr sind die Gärten an der Ruhr an verschiedenen Termine geöffnet. Dabei sind Gärten aus Hattingen, Essen, Bochum und Sprockhövel. In Hattingen öffnet als nächstes der Garten Adelt, Essener Straße 128, am 28. Juli und 25. August. Der Garten Lehmann-Schulz, Am Friedhof 4, ist am 21. und 22. September dabei. Mehr Infos auf www.gaerten-an-der-ruhr.de.

Das Ergebnis des Tages: pures Glück, gefühlt über 100 Besucher, 27 Gästebucheintragungen, mehrere Anfragen von Gartenbesitzern, ob sie sich mir nicht anschließen könnten. Und tatsächlich, im Folgejahr machten schon acht Gärten mit, und dann begann die wirkliche Arbeit, aber das ist eine lange Geschichte.

Aufstieg mit Hindernissen

Wir waren jetzt eine Gruppe von acht ahnungslosen Gartenöffnungs-Anwärtern, die irgendwie dafür sorgen mussten, dass man uns kennenlernte. Wo heute ein Aufruf in sozialen Medien gang und gäbe ist oder eine Veröffentlichung auf einer Homepage, waren wir noch im Zeitalter von Telefon, Mund zu Mund Propaganda oder Zeitungsmeldungen.

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Eine Mitstreiterin war aber wenigstens schon im Computerzeitalter angekommen. Also hockten wir tagelang zusammen und bastelten ein DIN A 4 Blatt mit der Beschreibung unserer Gärten (aber ohne Anschrift, sie wissen ja, die Männer mit ihren Ängsten) und druckten es im Copyshop aus. Die Faltung machte jeder selbst.

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Erst ab 2010 gab es dann den ersten „professionellen“ Flyer in Hochglanz aus der Druckerei. Die ursprüngliche Form haben wir bis heute beibehalten, und wenn Sie auf das Deckblatt blicken mit der Kinderzeichnung – das war ich mit meinem ersten Zeichenversuch mit Paint. Der Flyer ist so schön auffällig neben den anderen gestylten Flyern, dass wir das Deckblatt bisher noch nicht geändert haben, aber die Partei der Gegenstimmen wird immer lauter.

Schwer wiegende Spenden

Und da war da noch die Sache mit den Spendengeldern. Bei 1,50 Euro Eintritt gab es so gut wie nur Kleingeld, das zur Bank gebracht werden musste. Wissen Sie, wieviel einige tausend Euro in Münzen wiegen? Ganz, ganz grob geschätzt wiegen 1000 Euro in überwiegend 1-Euro- und 50-Cent-Stückelung um die 13 Kilogramm.

Seit 20 Jahren lockt Adelts Gartenparadies interessierte Besucher an.
Seit 20 Jahren lockt Adelts Gartenparadies interessierte Besucher an. © FUNKE Foto Services | Biene Hagel

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Wir hatten ja keine Ahnung, wieviel Spendengelder so zusammenkommen würden. Wir haben eher in Hunderterdimensionen gedacht, aber Tausend und mehr war nur ein Traum. Schon 2006 waren wir bei über 5000 Euro.

Etwas Wunderbares

Ein Junge schrieb am 26. Juni 2011 in mein Gästebuch: „Ich war hier in diesem schönen Garten. Ich bin zwölf Jahre alt, ich wollte erst gar nicht mitkommen mit meinen Eltern, weil ich mich gar nicht für Blumen interessiere. Für mich sind Blumen eigentlich ganz langweilig. Doch was ich hier gesehen habe, ist das reinste Paradies. So viele verschiedene Farben, so eine schöne gut riechende Blumenluft. Also das in so einem kleinen Garten einen riesigen Garten zaubern kann, man glaubt es kaum. Für jemanden, der sich nicht dafür interessiert, ist das fast ein großes Wunder.“