Hattingen. Die Extraschicht hatte in Hattingen zu starke Konkurrenz. Weniger Besucher als sonst kommen auf die Henrichshütte - dafür aus wichtigen Gründen.
„Ich schicke lieber 2000 glückliche Menschen, als 6000 mit der Meinung ‚naja, geht so‘ nach Hause“, sagt Robert Laube. Er ist Museumsleiter des LWL Industriemuseums Henrichshütte in Hattingen. Dort fand am Samstag, wie auch an 18 anderen Standorten des Ruhrgebiets, die Extraschicht statt. Champions League Finale, Altstadtfest und Wetterprognose standen einer hohen Besucherzahl in diesem Jahr jedoch entgegen. Trotzdem zog es einige Menschen zu Hattingens Extraschicht - und die erlebten unter anderem einen leuchtenden Himmel.
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„Man stellt sich die Industrie männlich vor“, sagt Jule Heinz-Fischer (25). Aus diesem Grund schaut sie sich mit Begleitung Pauline Bajus (29) die Ausstellung „Die Hütte ist weiblich“ an. Über die Hälfte der Angestellten auf der Hattinger Henrichshütte war nämlich weiblich – hauptsächlich in Verwaltung, Bibliothek und Co. - erklärt Museumsleiter Robert Laube. All diese Frauen wurden mit einer Ausstellung geehrt, die insbesondere auch jüngere Besucherinnen anlockt - Frauen wie Jule Heinz-Fischer und Pauline Bajus sieht man zahlreich auf dem Industriegelände. „Es ist einfach eine schöne Gelegenheit, Industriekultur und -geschichte an verschiedenen Standorten zu sehen“, sagt Bajus über das Event.
In diesem Jahr ist alles weiblich
Nicht nur die Ausstellung thematisiert das Motto Weiblichkeit auf der Hütte. Alle musikalischen Beiträge sind in diesem Jahr von Frauen. Eigentlich im „Glockengarten“, fürs Erste jedoch nach drinnen verlegt, singt Zofia Charchan über schwere Zeiten im Leben, Zainab Lax sorgt für Musik zum Träumen und Grooven an der Harfe. Am Standort „Werkstatt“ spielt Alunite modernen Alternativ-Rock, Barbara Greshake Deutsch-Pop. Drei Musen gibt es auch - also drei Frauen, die wie eine Art griechische Göttin verkleidet, auf Stelzen über das Gelände tanzen. Von den Leuten drumherum werden sie bestaunt. Den Blick kann man gar nicht von ihnen lassen. Mit riesigen Flechtfrisuren, Schminke und Goldschmuck, im Dunkeln sogar noch erleuchtet, sind sie ein echter Hingucker.
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„Dort sieht man einen Jungen in einem Spielzeug-Panzer sitzen. Ja, das ist fast schon perfide“ meint Robert Laube. Es geht um die Ausstellung „Krieg und Frieden“ mit Fotografien von Nanna Heitmann. Sie ist Deutsche, fotografiert jedoch in Russland und wurde in diesem Jahr für den Pulitzer-Preis nominiert. 2022 landete eines ihrer Bilder sogar im Times Magazin – ein russischer Panzer in der Ukraine.
Vor dem Krieg fotografierte sie hauptsächlich die Schönheiten Russlands – seit dem Krieg das, was er mit sich bringt. Die Leinwände der Ausstellung sind beidseitig bedruckt, eine Seite zeigt den Krieg, die andere den Frieden. Zum Beispiel sieht man auf der einen Seite die Landschaft in Russland, auf der anderen einen Soldaten, der eine Frau umarmt. „Man sieht, dass der einfach Angst hat. Und es ist egal, ob der Russe ist oder Ukrainer oder sonst was. Ob der heute noch lebt, wissen wir nicht“, erzählt Laube.
Kulturindustrie, Krieg und Frieden
Fotografien von sämtlichen Industriegebieten des Ruhrgebiets können in der Ausstellung „Heimatgefühl“ bewundert werden – alle in schwarz weiß. Es sind Bilder des Hobby-Fotografen Adam Glagla, der eigentlich im Museum arbeitet. Direkt neben den Bildern, die für Heimatgefühl sorgen sollen, kann beobachtet werden, wie 900 Grad Celsius heißes, flüssiges Aluminium in eine Form gegossen wird und kleine Flammen erzeugt. „Boah, das ist ja echt der Wahnsinn“, sagt Daniela Wagner. Auch ihr Sohn ist ganz begeistert.
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Dort sieht man also einen echten Teil Industrie. Das kann man auch durch Führungen, die halbstündig über das riesige Gelände angeboten werden. Das große Finale macht um Mitternacht jedoch eine Drohnenshow, die ein Lichtspektakel an den Nachthimmel zaubert.
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