Hattingen. Franz Dinnendahl baut eine Schule in Niederwenigern. Die Frau und den Konstrukteur haben in Hattingen etwas gemeinsam. Jeder kann ihnen begegnen.
Was für ein Besitz: Ein Ruhrstück, Gärten und Felder bis hinauf nach Hattingen, die Ruhrwiesen des Steinkamps und der Koppel, das Klifferfeld, den Kleverhof und viele Hattinger Häuser gehörten einer Frau, sie warf sogar achtlos einen teuren Ring in den Flusss. Danach verarmte sie und musste betteln. Details.
Passiert ist der Sage nach dieses Unglück der Herrin von Haus Cliff. Nachzulesen ist sie auf einer von fünf Sagentafeln, die jetzt in Hattingen hängen. „Hattingen sagenhaft“: So sind die Tafeln überschrieben, für deren Texte Dirk Sondermann und für deren Finanzierung Stalter Immobilien verantwortlich zeichnen. Angefangen hat alles mit einem Wunsch des Sagenexperten Sondermann, den er für das Jahr für 2022 gegenüber der WAZ äußerte: Er möchte Tafeln, die hinweisen auf sagenhafte Plätze in Hattingen.
Reiche Frau verarmt, ein Lehrer kann nicht rechnen: Alles ist in Hattingen passiert
Das las Lothar Stalter von Stalter Immobilien, der Sondermanns Buch bereits zuvor seiner Frau geschenkt hatte. Und weil er und sein Philipp Stalter als Hattinger etwas für Hattinger tun wollten, kontaktierten sie Sondermann. „Viele kennen die Sagen der Stadt gar nicht“, sagt Philipp Stalter. Außerdem, ergänzt Lothar Stalter, seien die Sagen auch gut für den Tourismus. „Andere Städte leben von ihren Sagen.“ Die Loreley und Loch Ness nennen beide als Beispiel. Ein Einstieg „light“ in die Geschichte seien Sagen, die eine emotionale Bindung zu Orten schaffen könnten.
Was die übermütige Herrin von Haus Cliff betrifft: Ob die Sage auf die geschichtlich beglaubigte Persönlichkeit der Dorothea Lowisa Klamor, der Gemahlin des Ferdinand Sigismund von Heiden, Herrn zu Kliff um 1730, zurückzuführen ist, ist laut Sondermann unklar, zumal die Sage ähnlich an anderen Orten auch bekannt ist. Die Verschwendungssucht der Frau jedenfalls war wohl groß: „Für einen Diamantring zahlte sie 2000 Reichstaler und versetzte dafür ein ganzes Gut“, schreibt Sondermann.
Standortsuche für Tafeln in Hattingen komplizierter als gedacht
Dass es nun zwei Jahre bis zur Realisierung gedauert hat, lag vor allem daran, dass die Anbringung der Tafeln Schwierigkeiten bereitete. „Es war unklar, wo wir sie befestigen dürfen“, so Lothar Stalter. Dirk Sondermann fand eine Lösung: Die AVU unterstützt die Aktion, indem sie das Befestigen der Tafeln an ihren Laternen in der Nähe der Orte genehmigt.
Historische Tafeln
Überall in der Stadt gibt es historische Tafeln. „Welper historisch“ beleuchtet u.a. die Spateisenzeche Müsen III. Die mit Abstand berühmteste Blankensteinerin war die Frauenrechtlerin Franziska Mathilde Annecke. Eine Erinnerungstafel ziert ihr Wohnhaus in der Vidumestraße. Die „Hattingen historisch“-Tafeln beleuchten die Historie von Gebäuden und Orten in der City.
Auch der Gethmannsche Garten - seit 2008 als Gartendenkmal ausgewiesen - ist bestückt mit Tafeln zur Geschichte. 2008 bis 2009 wurden diese Informationsschilder hier angebracht: Südeingang, Platz an den Steintischen, Gertrudengrotte, Eremitage, Königsplatz, Belvedere, Tannenallee, Obstbaumallee. In dem 1808 bis 1855 angelegten Garten setzte der Tuchhändler, Bergwerksbesitzer und Schiffsreeder auch seinen Söhnen ein Denkmal: Denn nach ihnen benannte er die Aussichtspunkte Friedrichsberg und Wilhelmshöhe.
Und so hat das Trio nun die fünf mit dem ehemaligen Denkmalpfleger abgestimmten Sagen-Tafeln angebracht: „Die Sage vom Horkenstein“ wird an der Reschop-Kreuzung, August-Bebel-Straße, angebracht, „Die Mühlenhexe“ an der Rauendahlstraße, „Das silberne Spinnrad“ an der Isenburg, „Der Mann ohne Kopf im Welper Feld“ an der Siedlung Müsendrei - und „Die hochmütige Herrin von Haus Kliff“ in der Nähe der Birschel Mühle.
Geschichtstafel zur ersten katholischen Schule in Niederwenigern
Keine Sage, sondern Ortsgeschichte präsentiert die fünfte Tafel des Kultur-Förderkreis in Niederwenigern. Sie erklärt, wie es dazu kam, dass Franz Dinnendahl, Erbauer der ersten Dampfmaschine für die Zeche Wohlgemuth bei Kupferdreh, im Auftrag der katholischen Gemeinde die erste katholische Schule in Niederwenigern entwarf.
1809 stand die Schule. Doch auch schon vorher gab es Unterricht - und zwar seit etwa 1600. Es war der Justinenvikar, der im so genannten Brauhaus des Pastorats hinter dem alten Elisabeth-Krankenhaus unterrichtete. Als das 1789 nicht mehr genutzt werden konnte, verlegte der Lehrer und Küster den Unterricht in seine Wohnung.
Viertklässler der heutigen Grundschule schrauben die Tafel in Hattingen an
1808 stellte ein Schulkommissar fest, „dass der Lehrer selbst nicht richtig lesen und schreiben konnte“, so Hans Kühne vom Kultu-Förderkreis Niederwenigern. Die Landesverwaltung ordnete die katholische Gemeinde an, ein Schulhaus zu bauen, einen Lehrer zu berufen. Das alles - und mehr zusammen mit historischen Fotos - kann jetzt am Ort dieser ersten Schule am Domplatz 3 nachgelesen werden. Die Informationen auf der Tafel recherchiert und sie gestaltet hat Gerhard Hartmann. Viertklässler der heutigen Grundschule schraubten sie an, sangen Lieder, hörten von der Historie.
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Übrigens gibt es bei der Tafel am Domplatz 3 ein Novum, denn unter ihr hängt eine Tasche mit Handzetteln zur Tafel. Das ist eher ein Zufall, verrät Kühne lachend. „Ich hatte 50 drucken lassen, gekommen sind aber 500.“ Und davon profitieren jetzt Geschichtsinteressierte und können sich die Geschichtstafel einfach mit nach Hause nehmen.
Die sechste Tafel ist fertig: Sie widmet sich wieder einer Schule
Die sechste Tafel ist übrigens auch schon fertig: „Sie ist der vierten katholischen Schule in Niederwenigern gewidmet, in der heute der Supermarkt ist“, sagt Edmund Reimertz vom Kultur-Förderkreis Niederwenigern. Doch sie wird erst im Spätsommer aufgehängt werden können.
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