Hattingen. Dirk Sondermann hat sich mit den schönsten Sagen aus dem Revier beschäftigt. Und sieht sich einmal mehr bestätigt: Hattingen ist eine Sagen-Stadt.

Sagen, deren Geschichten sich in Hattingen abspielen, gibt es sehr viele. Die Stadt eignet sich besonders gut als Sagen-Ort, weiß Dirk Sondermann (57), der auch die Sagen für „Als die Kohle noch verzaubert war – Die schönsten Sagen aus dem Ruhrgebiet“, erschienen im Klartext-Verlag, ausgewählt hat.

Man hatte einfach 800 Jahre Zeit

„Mit den drei Burgen hat Hattingen Kristallisationspunkte, die nicht jede Stadt aufzuweisen hat“, sagt Sondermann, der nicht nur diplomierter Theologe, sondern auch Inhaber eines Gartenbaubetriebes ist. Als Autor beschäftigt er sich mit der regionalen Sagenwelt, gründete das Institut für Erzählforschung im Ruhrgebiet. An vielen sagenhaften Orten in der Stadt, sagt Sondermann, würden die Menschen heute einfach vorbeigehen. „Zum Beispiel unten am Leinpfad. Dort, wo die Birschel-Mühle ist, war einst das Rittergut Haus Cliff.“

Die Inhalte der Sagen sind sehr verschieden – da gibt es Bergbausagen, Sagen, die Mühlen zu tun haben und, und, und. Dirk Sondermann: „Sehr viele drehen sich natürlich um die Isenburg, man hatte einfach 800 Jahre Zeit, Sagen zu bilden. Und die Geschichte mit der Ermordung des Erzbischofs Engelbert I. ist eine Riesensache, das war damals so, als würde man heute die Bundeskanzlerin ermorden. Annette von Droste-Hülshoff schrieb darüber sogar eine Ballade.“ Die beginnt mit „Der Anger dampft, es kocht die Ruhr ...“

Toter Hund, defekte Turmuhr

Erwähnenswert findet Sondermann auch, dass in „drei diversen Quellen die Nibelungen mit der Isenburg in Verbindung gebracht werden. Das ist eine spannende Angelegenheit“. Manche Hattinger Sage sei auch schlicht übernommen. „In Hessen gibt es auch eine Burg Blankenstein. Von dort hat man flugs einfach eine Sage für die Burg Blankenstein in Hattingen übernommen“, erklärt der Experte. der eben erst an der Donau unterwegs war – in einer bestimmten Mission: „Man kann das Nibelungen-Lied als Reiseführer nehmen. Das funktioniert.“

Sagen müssen übrigens nicht alt sein. Es gibt auch moderne Hat­tinger Sagen. „Beispielsweise der tote Hund in einem Karton im Reschop Carré“, nennt Sondermann eine. Ihren im Center gestorbenen Hund packten Besitzer in einen Fernseh-Karton, der wurde aus dem Auto gestohlen. Oder die zum Tod von Pfarrer Klaus Sombrowsky: Schon einige Tage vor seinem Tod blieb die Turmuhr von St. Georg stehen – etwa um die Stunde, zu der er gestorben sein soll. „Stehen gebliebene Uhren sind ein uraltes Sagenmotiv“, erklärt Dirk Sondermann.