Hattingen. Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Scheinrechnungen: Die Liste der Anklagepunkte gegen die Hattingerin ist lang. Der Prozess geht bald zu Ende.
Erst will Michael Janßen, Vorsitzender Richter am Landgericht Bochum, von der angeklagten Hattingerin Geld sehen. Dann könne man zu einem Urteil kommen. Das machte er mehrfach im Prozess um Steuerhinterziehung von fast einer Million Euro klar. Und Geld sah er jetzt an diesem fünften Verhandlungstag.
In dem Prozess geht es um Hinterziehung von Lohnsteuer und Umsatzsteuer und um Vorenthaltung von Arbeitsentgelten. Die 27-jährige Hattingerin war 2017 und 2018 Geschäftsführerin einer Firma für Gebäude- und Reinigungsservice, mit dabei: weitere Familienmitglieder. Es geht um Schwarzarbeit und Scheinrechnungen, die ausgestellt wurden – mit besagtem hohen Schaden.
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Henner Sentner, Anwalt der Hattingerin, legte dem Richter eine Bestätigung auf den Tisch, dass eine fünfstellige Summe an das Finanzamt Hattingen bezahlt wurde. Die Umsatzsteuer war bereits beglichen worden. Für den 32-jährigen B. war der Prozess kurz nach Beginn dieser Verhandlung bereits zu Ende. Vorausgesetzt, er bezahlt 10.000 Euro bis zum 3. September 2024 an die Staatskasse. „Dann ist das Verfahren komplett eingestellt. Zahlen Sie das nicht, sehen wir uns hier wieder“, machte der Richter klar.
Zweite Angeklagte aus Hattingen soll Wiedergutmachung zahlen
Für die zweite Beschuldigte Y. besteht durch die vielen Straftaten, die sie begangen hat, genauso wie für die Hattingerin S. keine Möglichkeit, dass das Verfahren eingestellt werden könnte. Daran ließ schon zu Beginn des Prozesses Richter Janßen keinen Zweifel. Insgesamt sieben Taten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in verschiedenen Bereichen werden Y. zur Last gelegt. Bis zur kommenden Woche hat sie jetzt Zeit, 10.000 Euro als Wiedergutmachung direkt einzuzahlen. Denn, so Richter Michael Janßen, es steht eine sogenannte Einziehung von circa 90.000 Euro im Raum. Das sind zehn Prozent des Schadens, der entstanden ist.
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„Legen Sie das Geld bis zur nächsten Woche nicht auf den Tisch, wird es eingetrieben, dann stehen diese 90.000 Euro auch im Urteil. Wenn nichts zu holen ist, bleibt diese Restschuld bestehen“, machte der Richter ihr klar. Dann werden die Plädoyers gehalten. Die Staatsanwältin führt aus, dass die Hauptangeklagte S. Rechnungen gestellt hat, für die es aber keine Leistung gab. Es liege eine Vielzahl von Straftaten vor, Verschleierung und Vertuschung sei an der Tagesordnung gewesen. „Es ist ein sehr hoher Schaden entstanden.“
Wann die Restschuld erlassen wird
Bei einer Privatinsolvenz müssen Verbraucher nicht mehr sechs Jahre wie früher, sondern nur noch drei Jahre warten, bis sie schuldenfrei sind. Damit die Restschuld erlassen wird, müssen sie aber bestimmte Regeln einhalten. Diese Möglichkeit räumt der Gesetzgeber aber nicht ein, wenn jemand durch eine Straftat Schulden angehäuft hat.
Denn wenn jemand rechtskräftig zu mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wird, kann er nicht mit Erleichterungen rechnen. Die Tagessätze, die bei Gericht verhängt werden, richten sich nach dem jeweiligen Einkommen des Angeklagter. Für die Hauptangeklagte aus Hattingen hat die Staatsanwaltschaft 120 Tagessätze à 30 Euro gefordert. Das sind die 3600 Euro, die sie zahlen soll.
Zugute hielt sie der 27-Jährigen, dass sie geständig ist. Sie forderte eine Gesamtstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. „Es ist bewusst so gewählt worden, damit noch eine Bewährung gegeben werden kann. Die soll für drei Jahre gelten. Außerdem soll die Hattingerin 3600 Euro bezahlen und Schadenswiedergutmachung leisten. Henner Sentner sagte, auch er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Bewährungsstrafe angemessen ist.
Beide Angeklagten nahmen die Chance zu einem letzten Wort wahr
Es sei ja eine besondere Struktur gewesen, in die auch Vater und Bruder involviert waren. „Man hat ihre Unerfahrenheit ausgenutzt, denn bei der ersten Tat war meine Mandantin gerade 21 Jahre alt. Sie hatte nicht hundertprozentig die Zügel in der Hand, hat ein kleines Kind, kein eigenes Einkommen und eine gute Sozialprognose.“
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Für die 35-jährige Y. forderte die Staatsanwältin ein Jahr und zwei Monate Gesamtstrafe, auch auf eine Bewährungszeit von drei Jahren. Beide Angeklagten nahmen die Chance zu einem letzten Wort wahr. Die Hattingerin erklärte: „Es tut mir von Herzen leid. So etwas wird nicht wieder vorkommen.“ Auch Y. sagte, sie bereue es aus tiefstem Herzen, so etwas werde sie nicht noch einmal machen. Ihr Anwalt hatte betont: „Sie wird alles dransetzen, hier nicht noch einmal zu sitzen.“