Hattingen. Das Traditionsgeschäft für Damen- und Herrenmoden schließt. Dabei ist Kundenmangel nicht der Grund für das Aus nach 101 Jahren.
Einkaufen wie Königin oder König: Dieses Gefühl bietet Kroniger Damen- und Herrenmoden in Hattingen. Doch jetzt hat der Räumungsverkauf begonnen. Was nicht an mangelnder Kundschaft liegt.
Nicht nur im gediegenen Ladenlokal mit den eingebauten Holzregalen und Kupferlampen, sondern auch in der ehemaligen Wohnung von Klaus-Henning Kronigers Mutter Margret Kroniger können Kunden einkaufen. In einem Raum gibt es Kleider und Blazer, Damen können die Tür schließen, anprobieren und sich vor menschhohen Spiegeln betrachten. Beratende nehmen auf Polsterstühlen Platz. „Kleider muss man anziehen, angezogen sehen sie anders aus als auf dem Bügel“, sagt der 72-Jährige. Geschäftliches und Privates sind miteinander verwoben. Und so finden Blusen einen Präsentationsort in einem Stubenwagen, „in dem schon meine Söhne gelegen haben“.
Kroniger: Geschäft bietet 160 Quadratmeter Mode für Damen und Herren in Hattingen
In einem weiteren Raum mit Jacken, Blusen, Hosen führen Stufen hoch zu einer kleinen Sitzgruppe mit Zeitschriftenständer. Hier serviert der Chef in der Einkaufspause Kaffee: 160 Quadratmeter Mode von alltagstauglich bis elegant gibt‘s an der Blankensteiner Straße 22 zu entdecken.
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1922 eröffnete Kronigers Großvater mütterlicherseits eine Maßschneiderei in den Räumen. Später stieg seine Tochter mit ein, dann der Enkel. „Meine Mutter hat 2008 aus gesundheitlichen Gründen aufgehört“, sagt Kroniger. So wie er jetzt auch. „Im vergangenen Jahr war ich viel im Krankenhaus.“ Es war das Jahr, in dem das Geschäft 100 wurde.
Die Kasse kaufte der Großvater des Inhabers
Familiär geht es zu in dem Laden mit den von Hand geschriebenen Regalauszeichnungen. Mit der Kasse, die „mein Großvater kaufte, als ich drei Jahre alt war“. Mit der 1970er-Jahre-Stofftapete. Mit dem Spiegel, dessen Rahmen Kronigers Urgroßmutter aus Zigarettenkisten fertigte. „Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens im Geschäft, dann müssen wir uns darin auch wohlfühlen. Und dann fühlen sich auch die Kunden wohl.“ Das tun sie, verweilen sie doch manchmal zwei bis drei Stunden.
„Wo sollen wir denn künftig hingehen?“: Das ist eine Frage, die Kroniger derzeit viele der Stammkunden aller Altersklassen aus dem gesamten Ruhrgebiet stellen. Denn sie schätzen seine ehrliche Beratung: „Ich sage auch schon mal einem Kunden, dass er ein Teil wieder ausziehen soll, weil es ihm nicht steht.“ Seinem Onkel, einem Gießerei-Direktor, riet er einst von einem Alcantara-Mantel ab, weil „sich ein Lodenmantel viel besser für seine Arbeit eignete“.
Klaus-Henning Kroniger: „Bei Herren muss spätestens die zweite Hose sitzen“
Damen hält Kroniger für die geduldigeren Kunden. „Möchte ein Mann eine Hose kaufen, dann muss spätestens die zweite sitzen“, sagt er mit einem Schmunzeln. Das Größe-Schätzen hat er bei P&C in Essen gelernt, ging zu Klasmeyer, bevor er zur Textilfachschule wechselte, um dann ins Familiengeschäft einzusteigen.
Moden hat Kroniger viele erlebt und verkauft: die „kastig-eckigen Sachen“ der 1960er Jahre, die Hippie-Welle in den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren waren es Trachten. Auch Arbeitskleidung war mal im Angebot, als das in Hattingen gebraucht wurde.
Inhaber wuchs im Geschäftshaus auf: Der Abschied fällt schwer
Wann genau das Geschäft letztmalig die schmucke Eingangstür schließt, weiß der gebürtige Hattinger, der in dem Geschäftshaus aufgewachsen und inzwischen Holthausener ist, nicht. „Irgendwann Anfang des nächsten Jahres.“ Auch wenn er sich sein Leben ohne sein Geschäft noch nicht vorstellen kann. „Ich habe das immer gerne gemacht.“