Hattingen/Sprockhövel. Ist eine Gewerkschaft noch zeitgemäß? Für Metall-Chefin Clarissa Bader aus Hattingen klar ja! Hier spricht sie über die Probleme der Firmen.

Der Chef mobbt, zahlt zu wenig Geld. Der Arbeitgeber flüchtet aus dem Tarifvertrag oder kündigt sogar. Es droht ein Arbeitskampf, ein Betriebsrat muss gegründet werden.

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„Dann sollten sich alle Beschäftigten auf den Weg zur Gewerkschaft machen, um sich Hilfe zu holen und ihre Rechte einzufordern“, sagt die Hattingerin Clarissa Bader, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper. Sie kümmert sich um mehr als 20.000 Mitglieder im EN-Kreis und Wuppertal.

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Brauchen wir Gewerkschaften heute überhaupt noch?

Unbedingt. Wir sind eine Solidargemeinschaft, mit dem Ziel Arbeitsbedingungen und auch Lebensbedingungen zu verbessern. Und das ist so wichtig wie eh und je. Die Digitalisierung und Transformation sind Riesenthemen und benötigen Mitbestimmung und Gestaltung. Betriebe werden umstrukturiert wie zum Beispiel die Edelstahlwerke in Witten, die in Zukunft auf grünen Stahl setzen wollen. Die Frage ist, auf welche Kosten die Veränderungen stattfinden. Wir versuchen, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu wahren, schauen genau hin, versuchen die bestmöglichen Bedingungen auszuhandeln und können vieles im Sinne der Beschäftigten erreichen.

Mit welchen Themen befasst sich die IG Metall?

Zusammenfassend kann man sagen: Alles rund um die Arbeitswelt und das Sozialrecht, da bieten wir kompetente Beratung an. Wir unterstützen Betriebsräte beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen, setzen uns für flächendeckende Tarifverträge ein. Es geht um Kündigungsschutz, wir prüfen Arbeitsverträge und wir beraten Menschen, wenn es um Arbeitslosigkeit oder Erwerbsminderungsrente geht. Wir stehen Betriebsräten zur Seite und setzten uns für Sozialpläne ein.

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Wie geht es den Firmen aktuell?

Unterschiedlich. Die Probleme, die die Unternehmen haben, sind häufig eher struktureller Natur. Das hat etwas mit falschen oder zu späten Entscheidungen zu tun und hat weniger konjunkturelle Gründe. Auch daher würden wir uns mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten wünschen. Die meisten Firmen sind bisher eigentlich ganz gut durch die verschiedenen Krisen gekommen. Während Corona hat die erleichterte Möglichkeit, Kurzarbeit anzumelden, sehr geholfen. Aktuell sind wenige Betriebe in Kurzarbeit. Die Lage ist derzeit stabil, aber etwas eingetrübt. Eine wirtschaftliche Flaute ist noch nicht zu spüren.

Was ist das größte Problem?

Der immer größer werdende Preisdruck. Wir möchten, dass alle Branchen im Tarif sind, damit eben diese Preisspirale sich nicht weiterdreht und an Personalkosten gespart wird, um sich gegenseitig zu unterbieten. Besser statt billig, sollte die Devise sein. Fachkräfte sind entscheidend, und die bekommt man über das Gehalt und gute Bedingungen. Wir sehen, dass die Arbeitgeber das langsam auch bemerkt haben, mit der Konsequenz, dass qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umworben werden.

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Für Unternehmen sind Gewerkschaften oft ein rotes Tuch.

Leider ist das immer noch häufig so. Es herrscht das Vorurteil, das wir den Unternehmen das Leben schwer machen und unsere Tarifverträge zu starr sind. Das stimmt so nicht, natürlich setzen wir uns für die Rechte der Beschäftigten ein und versuchen, mit kollektiven Regelungen einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber wir sind auch immer bereit auf die jeweiligen spezifischen Belange der Unternehmen einzugehen, sei es mit Haustarifverträgen oder auch mit Sanierungstarifverträgen, die helfen, wenn ein Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten ist. Meistens gibt es besserer Alternativen als Menschen zu entlassen und nur den Rotstift anzusetzen.

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Wie entwickelt sich die Mitgliederzahl in diesen Zeiten?

Insgesamt geht die Mitgliederzahl zwar zurück, weil teilweise Personal abgebaut wird oder industrielle Betriebe ganz geschlossen werden. Wir sind mitten im Strukturwandel. Der Zulauf zur Gewerkschaft ist weiter da, weil der Druck in der Arbeitswelt größer wird. Wir halten dagegen.