Hattingen. Beim Benefizkonzert für die Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei eint nicht nur die Hilfsbereitschaft die Gäste. So steht Hattingen zusammen.

Begeisterung bei den rund 280 türkischen und deutschen Besuchern in der Henrichshütte. Yardim eli – Hattingen hilft, heißt es am Mittwochabend. „Dieses Benefizkonzert ist ein Eisbrecher zwischen den Kulturen“, davon ist Yalcin Dogru überzeugt. Der stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates freut sich, dass so eine Veranstaltung endlich gelungen ist.

Diese Freude teilt er mit dem Leiter des Industriemuseums Robert Laube. Es ist das erste gemeinsame Konzert dieser Art. „Auch, wenn das Erdbeben im Februar in der Türkei und in Syrien ein trauriger Anlass ist, aber es führt uns zusammen“, ist Dogru überzeugt.

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Genauso sehen es auch Ali Aylanc, Imam der Fatih Moschee von Ditib in Hattingen, und deren zweiter Vorsitzender Metin Kaya. An diesem Abend lauschen auf der Hütte die Besucher nicht nur den verschiedenen Musikgruppen, es wird auch intensiv miteinander kommuniziert. Erfrischend offen werden in Gesprächen kleiner Gruppen die Probleme zwischen den Kulturen angesprochen.

Wie man Probleme umschiffen kann, wird auf der Veranstaltung auch bewiesen

„Man kann doch aufeinander zugehen und muss nicht noch weitere Jahrzehnte in Parallelgesellschaften nebeneinander leben.“ In dieser Beurteilung sind sich Robert Laube, Yalcin Dogru, Ali Aylanc und Metin Kaya einig. Ein Anfang sei gemacht.

Türkische Spezialitäten servieren Elanur Bakir und Rukiye Dag von der Ditip Moschee Hattingen beim Benefizkonzert.
Türkische Spezialitäten servieren Elanur Bakir und Rukiye Dag von der Ditip Moschee Hattingen beim Benefizkonzert. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Birgit Schulz vom Museumsteam und Helmut Helling vom Vorstand des Fördervereins Henrichshütte sitzen an der Kasse und freuen sich über so viele Besucher, die den Weg in die Gebläsehalle finden. „Es sind zum Glück mehr, als ich anfangs befürchtet habe, und weniger, als ich erhofft habe“, sagt der Museumsleiter. Aber für das erste Veranstaltungsformat dieser Art sind alle zufrieden mit der Gästezahl.

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Wie man Probleme umschiffen kann, wird auf der Veranstaltung auch bewiesen. Da streng gläubige Muslime keinen Alkohol trinken, die meisten Deutschen aber auf ihr Bierchen bei einem solchen Konzert nicht verzichten wollen, gilt in der Halle Alkoholverbot, draußen auf dem Hüttengelände aber kann man alkoholische Getränke kaufen und genießen.

Die Gebäude sind zusammengebrochen wie Kartenhäuser

An diesem Abend ist auch der Deutsch-Türkische Arbeiter- und Freundschaftsverein mit dabei. Alle setzen sich gemeinsam dafür ein, Spenden zu sammeln, um sie in die türkischen Erdbebengebiete zu schicken. Denn es sieht da auch drei Monate nach dem großen Beben immer noch unfassbar deprimierend aus. Es wird lange dauern, bis die Schuttberge weggeräumt sind.

Jeder Euro geht ins Erdbebengebiet

An dem Benefizabend „Yardim eli – Hattingen hilft“, der zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien veranstaltet wurde, waren viele Akteure beteiligt. Aufgetreten sind: das Kammerorchester und das Ballett der Musikschule Hattingen, das Monday Night Orchester mit Swing, Rock und Latin, Alkan Selahattin und die Silly Souls of Music.

Für kulinarische Köstlichkeiten sorgten viele fleißige türkische Frauen. Es gab zum Beispiel türkische Pizza, mit Käse gefüllte Teigtaschen, Weinblätter mit Reisfüllung und veganer Bulgur. Als Nachtisch wurden Torten, Kuchen und Baklava, die türkische Engelshaar-Süßspeise angeboten. Jeder Euro, der eingenommen wurde, geht ins Erdbebengebiet.

In der Eingangshalle laufen Bilder und Videos, die Metin Kaya jetzt zu Ostern aus der Stadt Hatay mitgebracht hat. „Da steht kein Stein mehr auf dem anderen“, sagt er. Die Gebäude sind zusammengebrochen wie Kartenhäuser. „Und die, die noch stehen, haben solche gigantischen Risse, dass sie absolut unbewohnbar sind.“ 100.000 Euro habe die Ditib-Gemeinde direkt nach dem Erdbeben für die Opfer gesammelt. Aber wenn man die riesigen Schuttberge sieht, weiß man, dass es lange dauern wird, bis die Stadt wieder aufgebaut ist.

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„Die Menschen leben jetzt alle in Containern, sie haben zu essen und können sicher schlafen“, erzählt Kaya. Aber eine Perspektive haben sie unter den Umständen nicht. Der zweite Vorsitzende des Moscheevereins war dort, hat mit angepackt, den Menschen Mut zugesprochen und mit ihnen das Fastenbrechen gefeiert. Denn das Leben dort ist zurzeit eine einzige Improvisation.

Metin Kaya kommt dann auf sein eigenes Leben zu sprechen. „Die Hüttengeschichte ist auch meine Geschichte“, sagt er. Sein Vater stand seit 1973 am Hochofen auf der Henrichshütte. Stolz zeigt er ein Bild, das auch ganz groß auf dem Hüttengelände hängt. Auch er hofft, dass durch das Benefizkonzert in der Gebläsehalle der Startschuss für mehr Miteinander gefallen ist.