Hattingen. Bei der Bewertung der Fahrradfreundlichkeit in der Stadt hat Hattingen in zwei Jahren null Fortschritte gemacht. Das sind die schlimmsten Mängel.
Fahrradfreundlichkeit? Bleibt in Hattingen fürs Erste weiter ein Fremdwort – zumindest nach dem Urteil der 308 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die sich an der zehnten Auflage des bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Tests beteiligt haben. Von insgesamt teilnehmenden 113 Städten mit 50.000 bis 100.000 Einwohnern schaffte es Hattingen dieses Mal lediglich auf Platz 99 (2020: Platz 98). Und nach Schulnoten gab es zum zweiten Mal in Folge nur eine Vier minus.
Schwächen: die Führung an Baustellen, die Breite der Radwege, die Ampelschaltungen
Die Führung an Baustellen, die Breite der Radwege, die Ampelschaltungen, die Reinigung der Radwege und den Winterdienst bewerten die Radfahrerinnen und -fahrer dabei sogar als mangelhaft. Auch das „Fahren im Mischverkehr mit Kfz“, das „Fahren auf Radwegen“, die „Falschparkerkontrolle auf Radwegen“, ja, sogar die „Fahrradförderung in letzter Zeit“ erhielten die Schulnote fünf.
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Deutlich gestiegen ist in den vergangenen Jahren nach Ansicht der Fahrradklima-Test-Teilnehmer in Hattingen der Stress für Radfahrer. Gab es 2014 – bei Hattingens erster Teilnahme am Test – noch die Schulnote befriedend, so taugt der „Spaßfaktor“ nun nur noch für ein Ausreichend. In punkto Sicherheitsgefühl reichte es sogar nurmehr für eine Fünf plus.
Baudezernent: Attraktive Radwege bewegen mehr dazu, Rad zu nutzen
Angesichts der Aussage von Baudezernent Jens Hendrix im Zuge der erst kürzlich eröffneten drei neuen Fahrradstraßen, dass attraktive und sichere Radwege mehr Menschen dazu bewegen, das Rad anstelle des Autos zu nutzen, lassen auch diese Hattingen-Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests aufhorchen: dass die Teilnehmenden auch Breite (5,2) und Oberfläche der Radwege (4,8) in dieser Stadt nun deutlich schlechter bewerten als noch vor einigen Jahren.
Test, Teilnehmende, Fragen
Der Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist eine der größten Befragungen zur Zufriedenheit der Radfahrenden weltweit. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt und fand 2022 zum zehnten Mal statt. Rund 245.000 Radfahrerinnen und Radfahrer haben bei diesem Durchgang abgestimmt, davon nur 16 Prozent ADFC-Mitglieder. 1114 Städte kamen in die Wertung.
Bei den 27 Fragen ging es darum, ob man sich auf dem Rad sicher fühlt, wie gut die Radwege sind und wie viel die eigene Kommune für die Fahrradförderung tut. Fünf Zusatzfragen drehten sich dieses Mal um das Radfahren im ländlichen Raum.
Damit aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden, müssen pro Stadt von der Größenordnung Hattingens mindestens 50, bei Städten zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern mindestens 75 Teilnahmen, bei denen über 200.000 Einwohnern mindestens 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen.
Einige kleine Lichtblicke sehen die Teilnehmenden am ADFC-Fahrradklima-Test in Hattingen aber auch: Für die für Radler in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen, den in der Stadt vergleichsweise seltenen Fahrraddiebstahl, die Erreichbarkeit des Stadtzentrums und die Wegweisung für Radfahrer reichte es jeweils zumindest zu einer Drei minus.
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Der Fahrradboom halte auch nach der Corona-Pandemie an, betont ADFC-Hattingen-Sprecher Robert Dedden. Auch daher fordert er, „dass sich alle Menschen auf dem Rad wohl und sicher fühlen“. Leider aber sei das bei weitem nicht immer der Fall. „85 Prozent“, so Dedden, „fühlen sich beim Radfahren nicht sicher. Dabei ließe sich schon mit kleineren Maßnahmen die Situation deutlich verbessern, beispielsweise durch Radstreifen an Landes- und Kreisstraßen, fahrradfreundliche Lösungen an Baustellen. Damit Hattingen wirklich einladend zum Radfahren wird, brauchen wir ein durchgängiges Radwegenetz innerorts und sichere und komfortable Radverbindungen in die Nachbarkommunen und die Stadtteile.“ Hier habe sich Hattingen bereits auf den Weg gemacht, es bleibe aber noch viel zu tun.
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Nach Ansicht von Robert Dedden könne eine deutliche Verbesserung für den Radverkehr am Ende indes nur gelingen, „wenn weiterhin intensiv an der Verbesserung der Fahrradinfrastruktur gearbeitet wird. Außerdem brauchen wir dringend eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes, damit wir als Kommune mehr Gestaltungsfreiheit bekommen, um die Radfahrbedingungen bei uns vor Ort zu verbessern“.
Dazu zählt Dedden auch, dass Kommunen eigenständig über Tempo-30-Strecken für den Pkw-Verkehr entscheiden dürfen, auch dies könne sich positiv auf das Sicherheitsgefühl von Radlern auswirken.
Hattingens Bürgermeister Dirk Glaser sagt unterdessen, in Sachen Fahrradfreundlichkeit sei die Stadt trotz ihres erneut schlechten Abschneidens beim Fahrradklima-Test „mit vielen Maßnahmen in den letzten Jahren auf einem guten Weg“. Der Weg zu einer fahrradfreundlichen Stadt sei aber „nicht von heute auf morgen zu gehen. Trotzdem können wir auf unsere bisherigen Schritte stolz sein.“ Hier nennt Glaser zum Beispiel die ersten Fahrradstraßen, die überdachten Fahrradhäuser an zwei Verwaltungsstandorten, zudem die geplanten Musterabschnitte am Ruhrtal-Radweg, um den Fuß- und Radverkehr zu entzerren, die Ruhrpromenade im Rahmen der IGA 2027 und die geplante Aufwertung und Asphaltierung der Glückauf-Trasse. „Trotzdem“, so der Bürgermeister, „werden wir die bemängelten ,Problem-Baustellen’ der Auswertung natürlich berücksichtigen und schauen, wie wir etwa mit dem Winterdienst auf Radwegen künftig umgehen werden.“