Kein Klimaschutz ohne Naturschutz, sagt Thomas Griesohn-Pflieger. Die Stadt Hattingen ignoriere das, schimpft der ehemalige Stadtsprecher.
Hattingen. Im Dezember 2022 war ihm die Rettung eines Biotops am Wildhagen ein Anliegen. Zusammen mit dem Verein Artenschutz Ruhrgebiet, „Südstadt zusammen“ und der Wildnisschule Ruhrgebiet setzte sich Thomas Griesohn-Pflieger von der Arbeitsgemeinschaft Ökozelle dafür ein, dass das schützenswerte Gewässer vom Müll befreit, lichter geschnitten und sonnenexponiert wieder hergerichtet wurde.
Im April bereits hatte er die Abtrennung des Bouleplatzes vom Bach kritisiert. Kinder und Natur seien vergessen worden, prangerte der ehemalige Sprecher der Stadt Hattingen an. Politische Vorstöße dieser Art gibt es von ihm immer öfter. Denn Thomas Griesohn-Pflieger (68) ist zornig.
Arbeit mit der Sense verbindet Sinn und Sinnlichkeit
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„Wut wäre das falsche Wort“, sagt der Naturfreund. „Denn Wut will vernichten. Zorn will verändern.“ Die Umwelt ins Positive verändern will Griesohn-Pflieger schon seit 50 Jahren. Da entdeckte er seine Liebe zur Natur im Allgemeinen und zur Vogelwelt im Besonderen. Exkursionen bietet er an, Reisen ebenfalls. Und immer wieder geht der Blick ins Stadtgebiet von Hattingen. „Die Natur wird vergiftet, dabei kann jeder etwas dafür tun“, sagt Griesohn-Pflieger.
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Besonders deutlich wird das für ihn in der Ökozelle in Holthausen, in der er sich mit Gleichgesinnten seit fast zehn Jahren um ein Grüngebiet kümmert. „Wenn ich da mit der Sense arbeite, verbinden sich Sinn und Sinnlichkeit“, sagt Griesohn-Pflieger. „Man spürt am eigenen Leib, was die Natur bietet und wie wichtig sie ist.“
Zurück zur Vogelwelt. Drei Goldammer-Paare habe es auf dem Areal der Ökozelle anfangs gegeben. Jetzt sind alle weg. „Und die Vögel sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Verlust der Artenvielfalt verläuft so dramatisch, dass dringend gegengesteuert werden muss.“
Genau das aber vermisst der pensionierte Stadtsprecher in Hattingen. „Es sind ja nicht nur die politischen Entscheidungen, die immer wieder gegen Natur und Klima getroffen wurden“, schimpft Thomas Griesohn-Pflieger.
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Und meint damit die zuletzt gefassten Baubeschlüsse für das Feuerwehrhaus Nord, den Rewe in Winz-Baak und das Wohnungsprojekt in Welper. Dass dort wieder einmal Grünflächen für Bauprojekte vernichtet würden, sei ein Schlag gegen die Natur und ein Festhalten an der Betonmentalität des vorigen Jahrhunderts.
„Bäume sind das Symbol“, meint Griesohn-Pflieger nicht zuletzt mit Blick auf die Platanen, die für den Erweiterungsbau der Gesamtschule in Welper fallen mussten. „Aber Wiesen und andere Grünflächen sichern die Existenz der Menschheit.“ Sie seien die größten CO2-Speicher, die größten Wasserspeicher, die Garanten fürs Überleben der Menschen. „Ohne Naturschutz gibt es keinen Klimaschutz“, wiederholt der Naturfreund.
„Kommune für biologische Vielfalt“ spät umgesetzt
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Vor diesem Hintergrund nimmt er die Vorgehensweise von Rat und Verwaltung beim Umweltschutz immer kritischer wahr. „Die Ignoranz ist erschreckend“, poltert der 68-Jährige. Beispiele ließen sich viele finden. 2018 etwa habe der Rat der Stadt beschlossen, der Gemeinschaft „Kommune für biologische Vielfalt“ beizutreten. Umgesetzt habe die Verwaltung das erst nach seiner Anfrage drei Jahre später.
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Aber auch die politischen Parteien klammerten das Thema aus. „In keiner Etatrede der Fraktionsvorsitzenden zum Haushalt 2023 spielt der Naturschutz eine Rolle“, sagt Griesohn-Pflieger. Und geht noch weiter. „Offenbar wollen viele Stadtverordnete gar nicht wissen, was die Menschen bewegt.“
Von den 48 Stadtverordneten im Rat der Stadt Hattingen seien 15 für Wählerinnen und Wähler nicht erreichbar. Weder per Telefon noch per E-Mail. „Das lässt sich beim Blick auf die Internetseite der Stadt leicht feststellen“, so der ehemalige Stadtsprecher. „Man kann gut verstehen, dass private Telefonnummern oder Mailadressen nicht im Ratssystem der Stadt veröffentlicht werden. Aber während 33 Ratsmitglieder sich über das eigens eingerichtete Mailsystem der Stadt anschreiben lassen, verweigern sich 15 Volksvertreter – darunter auch zwei Fraktionsvorsitzende – dem Bürgerkontakt. Das ist keine Werbung für die Demokratie.“