Hattingen/Witten. Ein Unternehmer aus Hattingen übt Kritik an der Abwicklung der Hochwasserhilfe. Was er bemängelt und was er sich für geschädigte Firmen wünscht.

„Großzügig“ findet Friedrich-Wilhelm Wengeler aus Hattingen-Blankenstein, Inhaber der Firma Wengeler & Kalthoff Hammerwerke, dass der Staat Hochwasseropfern 80 Prozent des Schadens erstatten möchte. Allein: „Die Abwicklung ist kompliziert.“ Bis heute hat er kein Geld erhalten.

Sein Betrieb, „der im Bereich der IHK Bochum am meisten abbekommen hat“, stand bis zu 1,50 Meter unter Wasser. Der Schaden ist immens. „Mehr als 12,5 Milliarden sollen für NRW bereit stehen, 80 Millionen sind bislang ausgeschüttet, da sieht man doch, dass die meisten noch kein Geld bekommen haben.“

Unternehmer aus Hattingen kritisiert die komplizierte Abwicklung der Hochwasserhilfe

Von einem „irren Aufwand“ bei der Beantragung spricht er und kritisiert: „Am 15. Juli kam das Wasser, Mitte September war das Antragsformular da, aber erst im Oktober gab es Schulungsveranstaltungen für die Gutachter“, sagt der Blankensteiner, der Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest ist und sich in der Initiative Industrie Mittleres Ruhrgebiet engagiert.

Aufbauhilfen

Am 17. September 2021 starteten laut Landesregierung die Aufbauhilfen: Unternehmen können bei Sachschäden Mittel für Reparaturkosten oder den wirtschaftlichen Wert geltend machen. Außerdem werden Einkommenseinbußen bis Januar 2022 kompensiert.

Voraussetzung ist eine Begutachtung der entstandenen Schäden. Das Verfahren ist dreistufig: Beauftragung eines anerkannten Gutachters zur Schadensermittlung. Dann gehen Unternehmen zunächst auf die Kammern zu. Dort werden sie zur Antragstellung beraten und erhalten eine erste kursorische Prüfung der Anträge. Im Anschluss reichen sie den Antrag online bei der NRW-BANK ein. Die bewilligt die Mittel und zahlt sie aus. Die Unternehmerinnen und Unternehmen können bereits vor Beantragung der Gelder mit den Aufbauarbeiten beginnen.

Um einen Gutachter hat er sich auch gleich zu Beginn gekümmert. „Überhaupt einen zu bekommen, war für viele Firmen schwierig.“ Mehrere Male kam er in den Betrieb an der Wittener Straße nahe Haus Kemnade, erstellte ein Gutachten, „das ging zur Prüfung zur IHK, von dort dann zur NRW-Bank, die wieder prüft“. Die Probleme bis dahin: Störungen beim Herunterladen der riesigen Dateien, teils Fehler in den Formularen. „Kleine Handwerksbetriebe kriegen das gar nicht hin“, ist der Unternehmer überzeugt.

Vier Wochen räumten die Mitarbeiter nach dem Jahrhunderthochwasser auf

Vier Wochen hat er mit seinen Mitarbeitern aufgeräumt, Maschinen auseinander gebaut, gereinigt, wieder zusammengesetzt. Vier Wochen zahlte er also Lohn, ohne dass er produzieren konnte. „Jetzt kann ich schon einen zweiten Antrag stellen, bei dem es um den entgangenen Unternehmer-Gewinn geht, aber auch das ist kompliziert. Es muss aufhören, dass alle sagen, dass sofort geholfen wird. Die Flutkatastrophe ist ein halbes Jahr her, aber wir haben noch nichts bekommen“, kritisiert Friedrich-Wilhelm Wengeler.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Immer noch repariert er Defektes im Betrieb. Immer noch ist ein großer Kammerofen nicht wieder hergestellt. Auch wenn die Kunden inzwischen „nichts mehr davon merken“, ist viel Flexibilität gefragt, um produzieren zu können. Zwar ist er sich sicher, dass er irgendwann Geld bekommt, sieht aber schwarz für viele Unternehmen, die eine so lange Durststrecke nicht verkraften.

Wunsch nach staatlichem Hochwasserschutz-Zuschuss für einzelne Betroffene

An das Hochwasser erinnert er sich gut: „1995 sind wir das erste Mal abgesoffen, da fiel die 15 Meter lange Bruchsteinmauer um, die heute aus Beton ist.“ Damals sei das Hochwasser bedingt gewesen durch den anschwellenden Bach, hohes Grundwasser und die damalige Schneeschmelze im Sauerland. „Im vergangenen Jahr sind wir aber von der anderen Seite überflutet worden. Da konnten die Pumpen auf dem Gelände nichts ausrichten. Wir sind mit klarem Ruhrhochwasser vollgelaufen“, berichtet Friedrich-Wilhelm Wengeler.

>>> Aktuelles zur Corona-Lage in Hattingen gibt es in unserem Newsblog

Gerne würde er den Hochwasserschutz verbessern – und kritisiert in dem Zuge: Für den Hochwasserschutz stehe viel Geld zur Verfügung für generelle Maßnahmen wie Sirenen, Warn-Apps. „Aber die einzelnen Betroffenen bekommen bislang keinen staatlichen Zuschuss, können höchstens ein günstiges Darlehen beantragen.“