Hattingen. Unter dem Rathausplatz in Hattingen schlummert ein Tiefbunker. Warum er alle fünf Jahre befahren wird – und auch anders genutzt werden könnte.
Wenn man es nicht weiß, würde man nicht darauf kommen: Unter dem Parkplatz Rathausplatz liegt ein Tiefbunker. Er ist zwar laut Wilfried Maehler vom Bochumer Studienkreis für Bunker, Stollen, Deckungsgräben und unterirdische Fabrikationsanlagen, kurz Verein Bochumer Bunker (SBB), komplett dokumentiert: Doch hinein geht es nur etwa alle fünf Jahre. „Für das Öffnen benötigt man schweres Gerät“, sagt er. Und das rückt nur an, wenn die Experten für Sicherungszwecke den Bunker „befahren“, wie sie es nennen.
Schwere Treffer hat der Bunker, laut Denkmalpfleger Jürgen Uphues ausgelegt für 3000 Menschen, im Zweiten Weltkrieg abbekommen, teils sind Menschen auch verletzt worden. „Oberirdisch waren nur die Eingangsbauwerke“, erklärt Maehler. Vier habe es davon gegeben, „zwei außen und zwei mittig“. Die beiden mittleren Zugänge wurden mit Betonplatten überbaut, die Treppen mit losem Bauschutt verfüllt. Einer der äußeren Eingänge ist wegen eines Bombenschadens schon früh verfüllt und abgedeckt worden.
Tiefbunker unter dem Rathausplatz in Hattingen könnte sogar Tiefgarage werden
Nach dem Krieg, heißt es im Befahrungsbericht, hätten die Alliierten geplant, den Bunker zivil zu nutzen. Umgesetzt worden sei diese Idee aber nicht. Zwar sei er später für Zivilschutzzwecke hergerichtet, dann aber aufgegeben und verschlossen worden.
Ordnungsamt und Feuerwehr Hattingen arbeiten bei der Öffnung und dem Wiederverschließen zusammen. Weil Maehler ihn befahren hat, kennt er den Bunker gut, verfasste mit Michael Ide den Bericht im Auftrag der Stadt. Hinein geht’s nur mit guten Lampen, denn innen herrscht Dunkelheit. „Es gibt keinen Strom, die Temperatur liegt bei acht, neun Grad Celsius“, erklärt Maehler.
Wandaufschriften mahnen: „Denkt an Eure Kinder!“
Der Tiefbunker ist ein Luftschutzbunker mit einem durchgehenden Hauptflur. Von dem gehen Räume ab.„Das Bauwerk ist zweiteilig geschaffen worden mit mittig durchlaufender Bautrennfuge. Im Grunde handelt es sich daher um zwei konstruktiv getrennte Bauwerke.“ Inzwischen ist der Bunker komplett ausgeräumt, selbst Türen, Türrahmen, Leitungen und Verschlüsse sind nicht mehr da. „Es sind lediglich wenige Einbauten aus der Zeit der späteren Zivilschutznutzung vorhanden.“ Sie stammen aus der Zeit des Kalten Krieges – beispielsweise eine Toilette mit einem Vorhang.
Gassichere Luftschutzkaminverschlüsse sind noch zu finden, außerdem verschiedene Hinweise in damaliger Schrift auf den grauen Bunkerwänden. „Ein Angriff kann überraschend kommen – werdet nicht gleichgültig!“ steht da oder „Sucht den Bunker schon bei Voralarm auf“ sowie „Denkt an Eure Kinder! Achtet auf die Luftlagemeldung!“
Eingedrückte Wände durch Bombentreffer
Dass der Bunker von Bomben schwer getroffen wurde, zeigen eingedrückte Wände, bei denen die Gitterraumbewehrung freigelegt ist. Auch einige Risse in den Wänden zeugen davon. Im Bericht von 2013 ist notiert, dass „selbst die durch die Druckwelle der Explosion verformte äußere Schleusentür“ noch an ihrem Platz ist.
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Die Decke des Bunkers ist 1,40 Meter stark und wiegt 5680 Tonnen. Sie liegt auf 1,80 Meter dicken umläufigen Außenwänden. Innen wird die Deckenplatte durch massive 44 Zentimeter dicke Betonwände gehalten. Die Bodenplatte ist 80 Zentimeter dick. Beeindruckend ist das Gesamtgewicht des Tiefbunkers: 13.558 Tonnen.
Konstruktion ist für den Luftschutz nicht ideal
Verbliebene Spuren und Befestigungen zeigen innen die Standorte der Maschinenräume gegenüber den äußeren Zugängen.
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Maehler und Ide sind zu dem Schluss gekommen, dass der Luftschutzbau von einem Architekten geplant wurde, „dessen Kenntnisse eher dem Siedlungsbau zuzuordnen sind“. Luftschutz-Detailplanungen und Ausgestaltungen seien nur in Fragmenten gegeben – und in sich nicht schlüssig.
Maehler hat dafür einige Belege, genannt seien hier fehlende Luftauslässe über die Schleusen mittels Überdruckventilen, nicht nachvollziehbare Standorte der Filteranlagen – und dass sich in einigen Bereichen gemauerte Wände befinden, wo eigentlich Betonwände hätten stehen müssen.
Mittlere Eingangsbauwerke waren ungünstig
Auch die mittleren Eingangsbauwerke seien ungünstig, weil sie einen zentral umlaufenden Gang blockierten, zum anderen, weil die Treppen „systemschwächend direkt ins Bauwerk führten. Sinnvoll wäre eine um 90 Grad gedrehte Anordnung gewesen, die die Treppen wie bei den Zugängen 1 und 4 sicher an der Außenwand entlang geführt hätte“.
Der Bunker habe durch seine „planerische und konstruktive Unzulänglichkeit eine nicht zu unterschätzende historische Aussagekraft“. Die konstruktiven und organisatorischen Schwächen der damaligen Gesellschaft würden offensichtlich.
Bunkerdecke könnte aufgeschnitten werden
Nutzen könnte man den Bunker auch heute noch, schrieben die Experten schon 2013: „Es ist auch möglich, den Tiefbunker zu überbauen und als Kelleranlage einzuplanen. Ein Aufschneiden der Bunkerdecke ist mit heutigen Betonschneideverfahren kostenvertretbar durchzuführen. Für eine großflächige Nutzung des Bunkers etwa als Tiefgarage oder Lagerfläche können Innenwände entfernt werden.“