Hattingen. Das Gesundheitssystem kritisiert Ulrich Kampa, Intensivmediziner des Evangelischen Krankenhauses Hattingen, der jetzt im Ruhestand ist.
Intensivmediziner Prof. Ulrich Kampa ist eine Institution des Evangelischen Krankenhauses Hattingen. Jetzt hat er sich in den Ruhestand verabschiedet. Und zeigt auf, was im Gesundheitssystem nicht gut läuft – von der Ernährung vor Operationen bis hin zu ethischen Fragen.
Viel hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten in seinem Beruf verändert. Der wirtschaftliche Druck in der Medizin sei viel größer geworden. Gerade in der Corona-Pandemie merke man das. Aber auch seine eigene Einstellung zum Handeln in der Medizin hat sich gewandelt.
Intensivmediziner aus Hattingen kritisiert Umgang mit Ernährung vor Operationen
Als unterbewertet sieht er den Bereich Ernährung. Völlig falsch sei die Vorgehensweise bei geplanten Operationen. „Am Abend vor der OP bekommen die Patienten kein Essen mehr, am Morgen dann auch nichts mehr zu trinken. Bei den Energiespeichern reagiert unser Körper aber wie zur Steinzeit. Sie werden sehr schnell leer, dann geht es an die Energiereserven“, erklärt Kampa.
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Man stelle sich mal vor, Spielern der Fußball-Nationalmannschaft würde gesagt, dass sie einen Tag vor einem großen Spiel nichts mehr essen dürften und an insgesamt drei Tagen nüchtern bleiben müssten. „Es würde doch jeder, der das behauptet, für völlig verrückt erklärt.“
Ulrich Kampa: Mediziner kennen kaum Bedeutung von Ernährung für Heilungsprozesse
Sprechende Medizin, Ernährung und Bewegung
Prof. Ulrich Kampa plädiert für die „sprechende Medizin“ . Ethik in seinem Berufsfeld ist seit Jahrzehnten ein Anspruch, der ihm extrem wichtig ist. „Es geht um Körpersprache und um Wertschätzung Patienten und Kollegen gegenüber.“
Ein weiteres Feld ist die Ernährung . Bewiesen sei, dass mediterranes Essen absolut gesund ist. „In Italien liegen eben auf der Pizza frische Tomaten.“ Das viel gepriesene Vollkorn ist in Südeuropa gar nicht auf dem Speiseplan.
Gesund sein und bleiben, liege noch an vielen anderen Umständen. Alltagsbewegung sei wichtig: Treppen hochlaufen anstatt den Aufzug zu nehmen, sich viel bewegen. Und auf die Lebensumstände komme es an. „Die beste Medizin ist die Lebensfreude, die Sonne genießen, draußen sitzen.“
Mit sehr oft mangelernährten Patienten mache man aber genau das vor und nach einer geplanten Operation. Kein Wunder, dass sich viele danach nicht mehr erholten. Kaum ein Mediziner kenne die Bedeutung von Ernährung, gerade was Heilungsprozesse betreffe. Die Ernährung müsse gerade vor und nach Operationen viel mehr Beachtung finden.
Probleme durch leere Energiespeicher träten auch bei der Wundheilung auf. Da fehle bis zum heutigen Tag einfach das Wissen in der Medizin. Aber es werde eben nicht viel Geld mit gesunder Ernährung verdient.
Arzt nennt Beispiele für die Folgen miserabler Ernährung im Land
Ulrich Kampa liefert Beispiele für die Folgen miserabler Ernährung im Land. „26 Prozent der Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind im Risikobereich oder haben bereits eine Mangelernährung. Ein Oberschenkelhalsbruch bei 65- bis 75-Jährigen wird häufig durch Eiweißmangel ausgelöst. Eiweiß braucht der Körper aber unbedingt für den Muskelaufbau.“
Die Frage nach ethischen Werten bei der Behandlung von Patienten hat für Kampa einen hohen Stellenwert. Als junger Arzt habe er immer gedacht, man müsse für den Patienten alles Machbare anwenden. Das gelte für ihn schon lange nicht mehr, sagte Ulrich Kampa beim Altstadtgespräch im Oktober. Da ging es um alte Menschen auf der Intensivstation. Ehrlichkeit sei im Umgang mit Patienten wichtig. „Wahrheit heißt nicht, brutal zu sagen, wie es um den Patienten steht, sondern gemeinsam eine gute Lösung für die verbleibende Zeit zu finden“, betont der Intensivmediziner, der das Urteil zur Sterbehilfe begrüßt hat .
Niederlande geben laut Mediziner mehr Geld für die Prävention aus
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Das ganze Gebiet der medizinischen Versorgung in Deutschland sei sehr komplex. „Hier wird im Gegensatz zu den Niederlanden zum Beispiel nicht viel Geld für Prävention ausgegeben. Ein schlechter Blutdruck spielt bei Krankheiten eine große Rolle und vor allem Bewegungsmangel. Für die eigene Gesundheit verantwortlich zu sein, wird in Deutschland nicht eingefordert. Weil man ja auch mit der Behandlung von Komplikationen viel Geld verdienen kann.“
Noch sei der Ruhestand ungewohnt, wenn morgens vor fünf Uhr kein Wecker klingele, er dennoch wach werde. „Im Augenblick ist alles noch wie Urlaub“, sagt der Arzt.
Arzt ist froh, aus der Medizin raus zu sein – aber sein Team fehlt ihm
Aber: „Ich bin froh, aus der Medizin raus zu sein, aber mein Team fehlt mir“, gibt er zu. 31 Jahre sei exzellentes Zusammenarbeiten die Regel gewesen. Man habe sich gegenseitig gestützt, aufgefangen in schwierigen Situationen. Wenn auch die Seele von Ärzten, Schwestern und Pflegern ohne Hilfe nicht mehr auskommt. „Jeder war für jeden da“, sagt Kampa. „Es war nicht nur ein Arbeits-, es war ein Freundeskreis.“