HATTINGEN. . Ärzte des Evangelischen Krankenhauses in Hattingen befürworten eine Widerspruchslösung beim Organspenden. Einen Zwang zum Spenden lehnen sie ab.
Die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Kampf um mehr Organspender werden vom Transplantationsbeauftragten des Evangelischen Krankenhauses (EvK) und seinem Vorgänger befürwortet. Spahns Vorstoß für eine Widerspruchslösung, nach der jeder Volljährige als Organspender registriert wird, wenn er oder der Angehörige dem nicht widersprechen, sei „richtig“, betonen Dr. Nikola Popovic (43) und Prof. Dr. Ulrich Kampa (61). Man müsse Menschen „zwingen, sich wenigstens einmal im Leben mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie Organspender sein wollen oder nicht“.
Neurologe Popovic wie auch Anästhesist und Intensivmediziner Kampa, der die Funktion des Transplantationsbeauftragten zum Jahreswechsel nach 28 Jahren an den jüngeren Kollegen übergeben hat, haben diese Frage für sich selbst dabei längst beantwortet: Beide besitzen einen Organspendeausweis. Und beide haben in diesem erklärt, im Fall eines Hirntodes alle ihre Organe zu spenden.
Eine sehr persönliche Entscheidung
Niemanden indes könne und solle man zu einem Ja zur Organspende zwingen. „Das“, betonen die beiden Mediziner, „ist eine sehr persönliche Entscheidung.“
In der Bevölkerung stehe beim Thema Pro und Contra Organspende zumeist die Entnahme der Organe im Fokus. Dabei sei es viel wichtiger, zunächst über den Hirntod aufzuklären, so die EvK-Ärzte. Denn ein Hirntod – also der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms – sei zwingende Voraussetzung für eine Organentnahme.
Zwei Mediziner müssen Hirntod unabhängig voneinander diagnostizieren
Zwei Mediziner müssten einen Hirntod dabei unabhängig voneinander diagnostizieren, ehe Organe überhaupt entnommen werden dürfen, erläutert Nikola Popovic. Ein Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation überprüfe die Diagnose zusätzlich. Und Ulrich Kampa fügt hinzu: „Wenn die Hirnfunktion eines Menschen erloschen ist, muss man akzeptieren, dass sein Körper nicht mehr überlebensfähig ist ohne Geräte. Dann ist dieser Mensch unwiederbringlich tot.“
Abfrage alle zehn Jahre erneuern
85 Prozent der Deutschen stünden Organspenden positiv gegenüber, sagt Nikola Popovic, aber nur etwa jeder Dritte besitze einen Spendeausweis. Die von Bundesgesundheitsminister Spahn angestoßene Widerspruchslösung könne diesen Widerspruch verringern. Und Ulrich Kampa sagt: „Mein Vorschlag ist, die Entscheidung für oder gegen eine Organspende erstmals mit der Beantragung des Personalausweises abzufragen und diese Abfrage anschließend alle zehn Jahre zu erneuern.“
Zusätzlich die Angehörigen vor einer möglichen Organentnahme noch einmal nach der aktuellsten Spende-Einstellung des Verstorbenen zu fragen, halten beide Mediziner allerdings für sehr sinnvoll. „Denn nichts wäre schlimmer“, sagt Ulrich Kampa, „als wenn man jemandem Organe entnehmen würde und im Nachhinein stellt sich heraus, dass er genau das gar nicht gewollt hätte.“
>>> DEUTSCHLANDWEIT WARTEN RUND 9400 AUF EIN ORGAN
Im EvK hat Ulrich Kampa in seinen 28 Jahren als Transplantationsbeauftragter 21 Organentnahmen gezählt, jährlich melde das Krankenhaus etwa zwei Patienten, die als Spender überhaupt in Frage kommen.
Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation warten derzeit deutschlandweit rund 9400 Menschen auf ein Organ.