Hattingen. Der Evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten steht unter Druck: Die Zahl der Austritte ist groß, der finanzielle Spielraum wird immer kleiner.

Viele Kirchenaustritte 2019, hohe Einnahmeverluste im Corona-Jahr: Die evangelischen Gemeinden müssen sich auf Einschnitte vorbereiten – die Zuweisungen aus dem Kirchenkreis-Säckel sinken für alle. Die Situation vor der Herbstsynode, die am Freitag und Samstag digital abgehalten wird, ist angespannt. Der Sparkurs, den es schon seit Jahren im Evangelischen Kirchenkreis Hattingen-Witten gibt, muss fortgeschrieben werden.

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Mehr als 11.000 Menschen haben dem Kirchenkreis in den vergangenen zehn Jahren den Rücken gekehrt . Dies hat beispielsweise schon zu einer Vereinigung von Bredenscheid-Stüter und Niedersprockhövel geführt – die stadtübergreifende Gemeinde ist mit 6886 Mitgliedern die größte vor Ort. Es folgen St. Georg (5738) und Welper-Blankenstein (3471). Die kleinste Gemeinde ist Niederwenigern (1775).

Nach der Gemeindegröße richten sich die Zuweisungen in Hattingen und Witten

Nach der Gemeindegröße richten sich auch die Zuweisungen, die es gibt: Bredenscheid-Sprockhövel bekommt für das Jahr 2021 beispielsweise 193.838 Euro – 20.342 Euro weniger als in diesem Jahr. Niederwenigern erhält 50.086 Euro (minus 5123 Euro).

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Superintendentin Julia Holtz führt die vielen Austritte im Jahr 2019 zum einen auf die kirchlichen Missbrauchsskandale in ganz Deutschland zurück. Außerdem habe es die meisten Austritte von Menschen im Alter zwischen 25 und 30 Jahren gegeben. „In dieser Zeit verdienen viele ihr erstes Geld, haben noch ein kleines Gehalt.“ Da wolle man Kirchensteuer sparen.

Kirchenkreis: Einnahmeverluste von rund 290.000 Euro im Corona-Jahr

Im wirtschaftlich schwierigen Corona-Jahr rechnet Holtz für ihren Kirchenkreis mit Einnahmeverlusten von rund 290.000 Euro.

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Wegen des Sparkurses werden schon seit Jahren Stellen abgebaut beziehungsweise nicht wiederbesetzt. Der Druck auf die Kollegen wachse, weiß Holtz. Immer mehr müssten sie sich mit dem Thema „Zeitökonomie“ auseinandersetzen, betont die Superintendentin. Dies habe Folgen für deren Arbeitsalltag: So seien zum Beispiel persönliche Besuche bei Menschen, die 75 oder 80 Jahre alt werden, oft nicht mehr möglich – der Zeitmangel führe auch zu Enttäuschungen bei Gemeindemitgliedern.

Superintendentin geht davon aus, dass der Mitgliederschwund anhält

Die Chefin des Kirchenkreises Hattingen-Witten geht davon aus, dass der Mitgliederschwund weiter anhalten wird. Sie verweist auf eine Studie des „Forschungszentrums Generationenverträge“ an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg. Demnach werden die evangelische und die katholische Kirche bis 2060 noch einmal die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren. 50 Prozent dieser Mitgliederverluste seien dem demografischen Wandel geschuldet. Bei der anderen Hälfte sei die Kirche gefordert. „Es ist unser Auftrag, die gute Botschaft zu den Menschen zu bringen, wir haben im besten Sinne des Wortes eine Mission.“

Klassische Form und neue Inspiration

Wie lassen sich Menschen wieder für die Kirche gewinnen? Superintendentin Julia Holtz sagt: „ Der 10-Uhr-Gottesdienst mit Orgelmusik bleibt wichtig . Aber er sollte nicht der einzige Ort sein, an dem Menschen christliche Spiritualität erleben können.“ Sie glaubt, dass man Menschen auch neue Zugänge zum christlichen Glauben anbieten sollte.

Ein Weg, den auch die Creative Kirche Hattingen-Witten erfolgreich beschritten habe, die mit ihren lebhaften „Himmelwärts“-Gottesdiensten in Vor-Corona-Zeiten den Saalbau Witten füllte. Gottesdienste mit populärer Lobpreis- und Gospelmusik . Julia Holtz ist davon überzeugt, dass der Kirchenkreis solche Angebote brauche.

Man müsse über neue Wege nachdenken, die Menschen zu erreichen. Holtz meint: „Der 10-Uhr-Gottesdienst am Sonntagmorgen sollte nicht mehr der einzige Termin sein, an dem Menschen Spiritualität erleben können.“

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