Hattingen. In der Corona-Krise hat die Frauenberatung in Hattingen und dem EN-Kreis ihr Angebot erweitert. Hilfe für Opfer gibt es jetzt auch in Apotheken.
Obwohl sich die offiziellen Zahlen häuslicher Gewalt seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen nicht erhöht haben, beobachtet die Frauenberatung im Ennepe-Ruhr-Kreis doch eine beunruhigende Veränderung. Die Zahl der Beratungen sei in Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich angestiegen, erklärt Leiterin Andrea Stolte.
Mehr Hinweise von der Polizei
"Ich weiß nicht, ob es eine gute Nachricht ist, dass die offiziellen Zahlen häuslicher Gewalt nicht so sehr steigen", sagt Stolte. Sie befürchtet, wie auch Marion Steffens, die Leiterin des Frauenhauses EN, eine hohe Dunkelziffer. Denn deutlich angestiegen sei bis zum März die Zahl der Hinweise, die die Frauenberatung von der Polizei bekommt.
Sind die Beamten bei einem Einsatz, bei dem häusliche Gewalt im Spiel sein könnte, fragen sie bei den Betroffenen nach, ob die Frauenberatung sich bei ihnen melden darf. "Wir wenden uns dann proaktiv an die Opfer", erklärt Andrea Stolte.
Längere Beratungszeiten
Die Frauenberatung hat ihre telefonischen Beratungszeiten extra erweitert, betont die Leiterin. Persönliche Kontakte können derzeit nur in absoluten Ausnahmen mit viel Abstand im Gruppenraum stattfinden. Das sei für manche Hilfesuchende ein Hürde. "Für manche ist die Beratung am Telefon okay, aber anderen fällt es sehr schwer, sich dem Gegenüber zu öffnen." Dabei nehmen sich die Berater viel Zeit, vergeben deshalb auch Termine, um ausreichend Zeit zu haben.
Es sei wichtig, dass Angebote die Betroffenen erreichen. Besonders in einer Zeit des sozialen Abstands wird die Situation in mit Gewalt belasteten Familien schwierig. "Wenn der Partner mit in der Wohnung lebt, ist es schwer, Hilfe zu organisieren", betont Stolte.
Hilfe in Apotheken
Dabei soll ab sofort auch eine gemeinsame Initiative der Frauenberatungsstellen NRW und Apotheken helfen. Hinweiszettel mit den Kontaktdaten wichtiger Anlaufstellen sollen in den Apotheken ausliegen. „Der Gang zur Apotheke ist derzeit eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Opfer häuslicher Gewalt den eigenen vier Wänden entkommen können“, erklärt Aysel Sırmasaç, Geschäftsführerin des Dachverbandes der autonomen Frauenberatungsstellen NRW, die Aktion.
Auch Nachbarn und Angehörige möglicher Opfer ruft Andrea Stolte zur Aufmerksamkeit trotz des Abstands auf. Auch sie können sich an die Frauenberatung wenden. "Häufig erreichen uns dann Fragen wie: 'Soll ich die Betroffenen darauf ansprechen oder ist das zu privat'", erklärt die Beraterin. Ihr Tipp: "Sprechen Sie Opfer auf jeden Fall an, aber keinesfalls das Paar gemeinsam. Dann besteht die Gefahr, dass der Partner massiv gewalttätig wird."
Infektionsschutz im Frauenhaus
Auch das Frauenhaus steht trotz der Corona-Pandemie weiter als Anlaufstelle offen. Auch wenn das im Ennepe-Ruhr-Kreis zuletzt gut belegt war, seien die Frauenhäuser in NRW derzeit nicht so ausgelastet wie sonst, weiß Stolte. Um Ansteckungen vorzubeugen, wurden in der Einrichtung des EN-Kreises das Aufnahmemanagement verändert und der Infektionsschutz verbessert.
Deshalb unterstreicht Andrea Stolte ihr größtes Anliegen: "Trauen Sie sich, Hilfe zu suchen. Schweigen Sie nicht. Schauen Sie nicht weg. Wer wegschaut, schützt immer den Täter, nicht das Opfer."
Hier bekommen Sie Hilfe
Notruf des Frauenhauses (täglich 24 Stunden): 02339/ 62 92
Frauenberatungsstelle: 02324/ 380 930 50 (wochentags von 9 Uhr bis 16 Uhr, freitags bis 14 Uhr), info@frauenberatung-en.de.
Opferschützer der Polizei: 02336/ 9166819981
Bei akuten Bedrohungen wählen Sie den Notruf der Polizei: 110
Bundesweit kann man sich zudem an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter der Nummer 08000/ 116 016 wenden. Hier gibt es Unterstützung rund um die Uhr und in vielen Sprachen.