Hattingen. Das Mehrgenerationen-Projekts „wir wohnen zusammen“ in Hattingen gibt's seit zehn Jahren. Warum es kaum Mieterwechsel gibt. Bewohner berichten.

Sich gegenseitig zu helfen. Auch mal spontan. Und Gemeinschaft zu leben – so viel, wie jeder möchte. Das leben die Mieter des Mehrgenerationen-Wohnprojekts „wir wohnen zusammen e.V.“ in Hattingen seit zehn Jahren. Wir berichten, wie das Leben außerhalb von Corona-Zeiten aussieht. Und auch in Corona-Zeiten gibt es - mit Abstand - Geselligkeit und gegenseitige Unterstützung.

Margret Krützner (82) kommt etwas später zum auch für Nachbarn offenen Kaffeetrinken im Gemeinschaftsraum des Hauses am Südring 23. Jeden Freitag um 15.30 Uhr geht’s hier los. Sie war eben noch für eine andere Mieterin, die krank ist, in der Apotheke. „Der Arzt hatte das Rezept dorthin geschickt, dann konnte ich die Medikamente abholen“, erklärt sie.

Entscheidung für das Wohnprojekt wiwozu in Hattingen ist für Rafael Kaminski ein Glücksgriff

Sie setzt sich an den hübsch gedeckten Tisch des Gemeinschaftsraums von wiwozu, an dem sich Karin Apel (68), Ludwig Vennhoff, Peter Hupperich (72), Helga Glas (66) und Rafael Kaminski (40) schon angeregt unterhalten. Kaminski ist einer der wenigen, der erst später einzog. „Wir haben damals eigentlich nur eine Wohnung gesucht“, berichtet der Vater einer Tochter (14) und eines Sohnes mit Einschränkung (15). Dass die Familie sich dann für eine Wohnung im Projekt entschied, war im Nachhinein ein Glücksgriff, sagt er.

„Ich kann mit Werkzeugen gar nicht umgehen, als wir Möbel bekamen, hat mir jemand gleich geholfen. Dafür helfe ich beim Anschließen eines Fernsehens“, erklärt er. Und nennt ein anderes Beispiel: „Neulich kam mein Sohn gerade aus der Schule, meine Tochter musste von der Klassenfahrt abgeholt werden, da ist einer der Mitbewohner spontan losgefahren, um sie abzuholen.“

Alles kann, nichts muss im Wohnprojekt am Südring

Alles kann, nichts muss: Das leben die Bewohner – fünf Kinder und 21 Erwachsene zwischen sechs und 82 Jahren, die in 14 barrierefreien Wohnungen zwischen 53 und 107 Quadratmetern leben. Dazu gibt es eine Gemeinschaftswohnung für gesellige Treffen, Feste. Dort ist auch ein Gästezimmer, das die Bewohner für Besucher reservieren können.

Die Wohnung der Familie Kaminski ist gleich die erste im Haus, an ihr kommt niemand vorbei. „Ich sage immer, das ist die Hausmeisterwohnung“, scherzt Kaminski, sieht er doch, wer kommt und geht, informiert Besucher gern durchs Fenster, wohin sie müssen.

Ideen für gemeinsame Aktivitäten hängen die Bewohner im Schaukasten aus

Gleich im Eingangsbereich hängt auch ein Schaukasten. Wer Lust hat, für mehrere zu kochen, der macht einfach einen Aushang. Wer mitessen möchte, trägt sich ein. Ins Kino gehen? Spazieren gehen? Eine Radtour? Museumsbesuch? Schwimmen? Idee ausgehängt – und schon Interessierte gefunden. So bilden sich immer wieder mal größere, mal kleinere Grüppchen für Aktivitäten. Manchmal auch spontan, besonders im Sommer. Zum Grillen beispielsweise. Oder zum Filmabend, Fußballgucken.

„Und wir lernen voneinander“, sagt Kaminski. Ökologisch bewusster lebt er inzwischen, trennt Bio-Müll sogar zwei Mal, hat kaum noch Restmüll. „Und das bei einer vierköpfigen Familie.“ Photovoltaik-Anlage, Erdwärme: „Das ökologische Wohnen ist mir hier wichtig“, sagt Karin Apel. In der Waschküche trifft man sich zufällig. „Gehe ich um 22 Uhr runter, schaffe ich es selten vor 23 Uhr wieder hoch“, berichtet Kaminski schmunzelnd. Gespräche ergeben sich bei vielen Begegnungen.

Konflikte finden die Wohnprojekt-Bewohner normal und finden Lösungen

„Natürlich sind wir nicht immer einer Meinungen und es gibt Konflikte. Aber das ist normal“, sagt Vennhoff. „Man muss schon diskussionsfreudig sein“, sagt Helga Glas. Und nicht alle Wünsche gehen in Erfüllung. Peter Hupperich zum Beispiel liebäugelt schon lange mit einem Gartenhäuschen für den Gemeinschaftsgarten, in dem halbhohe Beete eingefasst sind in Steine von dem Haus, das einstmals an diesem Fleck stand. Das Gartenhäuschen aber lehnte die Gemeinschaft bislang immer ab. „Ich bleibe dran“, sagt er schmunzelnd.

Mieterwechsel hat es seit Dezember 2010 erst drei gegeben. „Wir haben keine hohe Fluktuation. Das spricht ja auch für große Zufriedenheit“, sagt Vennhoff. Wie schnell Hilfe nötig sein kann, hat er vor einigen Jahren selbst erlebt – nach einem Fahrradunfall seiner Frau. „Ich hatte gerade einen neuen Job, war zehn Stunden am Tag weg – und die anderen haben meine Frau in der Zeit versorgt.“ Hilfe ist also in greifbarer Nähe in dem stadtnahen Gebäude, von dem aus man auch schnell im Schulenbergwald ist.

Gemütliche Treffen wird es nach den Corona-Beschränkungen wieder geben

Gemütliche Treffen gibt’s regelmäßig: An einem Sonntag im Monat kann, wer will, zum gemeinsamen Frühstück kommen. Alle drei Wochen steht ein Gruppenabend an.

Noch mehr Gemeinschaft hatte sich Karin Apel bei ihrem Einzug in das seit zehn Jahren bestehende Projekt versprochen, ist aber dennoch zufrieden in der Wohnung. „Meine Erwartung hat sich inzwischen reduziert, aber man musste das anfangs ja auch alles erst sehen.“ Inzwischen seien die Kinder größer, zu Beginn hatten sich Älteren noch mehr in die Kinderbetreuung eingebracht.

Menschen, die Wohnprojekte planen, beneiden wiwozu-Bewohner um Kooperation mit der HWG

Viele Menschen, die Wohnprojekte planen, kommen zu Besichtigungen. „Sie beneiden uns darum, dass die HWG das Haus so gebaut hat, wir nur Mieter sind, das ist sehr selten. Wir haben hier kein eigenes Geld drin, das ist ein Riesenvorteil“, sagt Vennhoff.

Während der Corona-Krise treffen sich die Mieter seltener. "Die Mitgliederversammlung haben wir ausfallen lassen", sagtHupperich. Aber beispielsweise das Freitagscafé, zu dem in Nicht-Corona-Zeiten auch Auswärtige willkommen sind, findet nur in kleinem Kreis und mit Abstand statt. "Im Garten und im Gemeinschaftsraum geht das gut", sagt Hupperich. So seien sogar kleine Geburtstagsfeiern möglich.

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„wir wohnen zusammen e.V.“, kurz wiwozu, ist das erste Mehrgenerationenprojekt in Hattingen. Projektträger und Eigentümer der Wohnungen am Südring 23 ist die HWG. 2007 hatten die ersten Planungen für die das Projekt begonnen.

Ansprechpartner für den Bewohnerverein ist Ludwig Vennhoff. Kontakt: 02324 59 44 937 oder per E-Mail an wiwozu@web.de.

Der Verein „Projekt Wohnen in Hattingen“, kurz ProWoHat, ist ein Wohnprojekt mit Wohnungen für Menschen mittleren Alters – und zwar am Südring 19. Das Haus ist ebenfalls von der HWG. Es ergänzt die „Straße der Wohnprojekte“, dazu zählt auch eine Demenz-WG, wie die HWG auf Ihrer Homepage schreibt. Kontakt via E-Mail an robert.dedden@t-online.de.