Hattingen. Hansjörg Federmann blickt auf Hattingen 2030: Kirchen bleiben, Gottesdienste ändern sich und viele wissen nicht mehr, was man Weihnachten feiert.

„Im Jahr 2030 wird der schiefe Turm von St. Georg immer noch das Zentrum von Hattingen sein, aber die Christen sind dann die Minderheit in der Bevölkerung.“ Das ist die Prognose von Pfarrer Hansjörg Federmann aus Blankenstein. Er geht davon aus, dass sich Kirche verändern wird, aber auch einiges bleibt.

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„Es wird zwei stadtweite lebendige Gemeinden geben – eine evangelische und eine katholische“, glaubt der 53-Jährige. Die Kirche werde „weit mehr Energie als bisher darauf verwenden, um Menschen den Glauben nahezubringen, die dazu keinen Bezug mehr haben“. Das Werben um Mitglieder sieht er als wichtige Aufgabe – zum Beispiel auch durch die Jugendarbeit.

Menschen kennen den Hintergrund von Weihnachten nicht mehr

Hansjörg Federmann wird drastisch in seiner Prognose, wenn er erklärt, dass christliche Inhalte vielen Menschen nicht mehr bekannt sein werden: „Weihnachten wird für die Mehrheit die Schlittenfahrt eines weißbärtigen Mannes sein.“ Schon heute seien im Handel so gut wie keine Weihnachtskarten mit christlichen Motiven zu finden.

Generationenwechsel in Gemeinden

Hansjörg Federmann lebt in Blankenstein und ist dort verwurzelt. Elf Jahre lang, bis 2016, war er in der dortigen evangelischen Gemeinde Pfarrer. Seitdem ist der 53-Jährige Beauftragter für Fundraising und Mitgliederbindung im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Mit Blick auf das Jahr 2030 in Hattingen merkt er an, dass den evangelischen Gemeinden ein Generationenwechsel bevorsteht. „Viele, die über Jahrzehnte die Gemeinden als Pfarrer geprägt haben, werden dann im Ruhestand sein.“

Den christlichen Glauben müsse man stärker erklären, mehr verdeutlichen, was das Wertvolle sei, das die Kirche leistet. Aber: Dass Kirche ein wichtiger sozialer Akteur in Hattingen bleiben wird, der Kindergärten, Altenheime und Krankenhäuser betreibt, davon ist der Blankensteiner überzeugt.

Und: Auch in zehn Jahren wird in Kirchen musiziert, gesungen und gebetet werden und auch dann wird die Nächstenliebe in sozialen Projekten vor Ort und in der Dritten Welt gelebt, ist Federmann sicher.

Gottesdienste werden sich verändern

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„Es wird auch weiter Gottesdienste geben“ – aber unter neuen Vorzeichen. „Da wird sich einiges ändern.“ Die Gottesdienste werden vielfältiger. Zwar werde es die klassische liturgische Variante mit Orgel noch geben, aber mehr und mehr orientierten sie sich an Themen und Anlässen der Menschen. Ein Beispiel für so eine Ausrichtung ist der Valentinstags-Gottesdienst, den es in Blankenstein schon seit mehreren Jahren gibt und der immer wieder auch Menschen von außerhalb anzieht, wie Federmann berichtet.

Zu diesen neuen Entwicklungen tragen auch äußere, finanzielle Zwänge bei. Schon jetzt seinen die Fundraising-Teams vielfach ein kreativer Motor der Gemeinden. Wie im Paul-Gerhardt-Haus, in dem über das Projekt „Eine Küche für Paul“ die Mitsingabende etabliert wurden, die es auch nach der erfolgreichen Spendensammlung für die neue Küche weiter gibt.

Gemeinden behalten unterschiedliche Standorte

„Die Kirchenmitglieder werden die Kirchensteuer weiter als Mitgliedsbeitrag für eine gute Sache verstehen“, sagt Federmann. Darüber hinaus sei es für die Menschen aber eine bewusstere Entscheidung, sich zu beteiligen. Deshalb müssen die Kirchen für sich werben.

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Unterschiedliche Standorte würden die Gemeinden auch 2030 weiter pflegen, jedoch könne nicht mehr überall alles angeboten werden. Federmann erwartet eine Spezialisierung. Gemeindezentren könnten gemeinsam genutzt werden – von Evangelen, Katholiken und auch als Stadtzentren von ganz anderen Initiativen. „Wir werden weggehen von einen ‘Wir-haben-alles-für-uns’ und wir werden uns irgendwann fragen, warum wir das nicht schon immer so gemacht haben“, blickt der Pfarrer positiv in die Zukunft.

Entscheidend bleibe die persönliche Begegnung. „Auch in zehn Jahren werden Jugendliche noch auf die Jugendfreizeit am Brahmsee fahren und die Zeit ihres Lebens haben.“