Hattingen. Vom Rettungsstandort zum Wohnquartier: Die alte Feuerwache an der Friedrichstraße in Hattingen macht Platz fürs neue Südstadt-Tor. Eine Chronik

Der erste Abbruchbagger ist vorgerollt. In den Gebäuden haben die Abrissarbeiten begonnen. Die alte Feuerwache an der Friedrichstraße wird zunächst entkernt, dann abgebrochen. Die HWG und die Stiftung Trias bauen auf dem Areal Wohnungen. Zum Projekt zählen auch Mehrgenerationen-Angebote und ein Gesundheitszentrum.

Rückblende: In den 1920er-Jahren wird das markante Gebäude errichtet, in dem zuletzt der Löschzug Mitte der Freiwilligen Feuerwehr eine Heimat gefunden hat. Der war 1869 nach einem Großbrand in der Scheune des Brennereibesitzers Weygand gegründet worden.

Mitarbeiter einer Spezialfirma haben mit der Entkernung der alten Fahrzeughalle begonnen.
Mitarbeiter einer Spezialfirma haben mit der Entkernung der alten Fahrzeughalle begonnen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

In den 1960er-Jahren kommt das Hauptgebäude hinzu. Die Friedrichstraße wird Hauptstandort der Hattinger Feuerwehr und bleibt dies bis zum Umzug in den Wildhagen im September 2013.

Immer wieder werden die Einsatzkräfte vertröstet

Die Jahre davor haben die Retterinnen und Retter als quälend lang empfunden. Denn die Wache ist marode. Immer wieder werden die Einsatzkräfte vertröstet, was den lange ersehnten Bau einer neuen Hauptfeuer- und Rettungswache angeht.

Im August 2010 berichtet die WAZ über das Ergebnis einer Überprüfung durch den Arbeitssicherheitstechnischen Dienst. Es ist niederschmetternd.

Im Hauptgebäude passen moderne Löschfahrzeuge kaum durch die Tore. Die Einsatzkleidung hängt eng an eng zwischen den Fahrzeugen, wird direkt von den Abgasen getroffen. Die ziehen (weil die vorgeschriebene Abzugsanlage fehlt) weiter in die obere Etage mit den Gemeinschaftsräumen. Dort gibt es für die drei Schichten zu je 20 Männern und Frauen nur zwei Duschen.

Das Rangieren der Fahrzeuge ist Zentimeterarbeit

Womit es den 80 hauptamtlichen Feuerwehrleuten deutlich besser geht als dem Löschzug der Freiwilligen direkt gegenüber. Dort sind 50 Ehrenamtliche aktiv, werden wegen des großen Einsatzbereichs in der gesamten Innenstadt mit der sensiblen Altstadt und dem großen Hüttengelände meist direkt mitalarmiert. Und verfügen über keine einzige Dusche. Das Gebäude ist 90 Jahre alt, das Rangieren der Fahrzeuge Zentimeterarbeit.

Metallstücke liegen vor der ehemaligen Fahrzeughalle. Sie werden gesammelt und recycelt.
Metallstücke liegen vor der ehemaligen Fahrzeughalle. Sie werden gesammelt und recycelt. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Apropos Einsatz – der geht bei vielen Anforderungsprofilen deutlich später los. Wird der Container mit spezieller Atem- und Strahlenschutzausrüstung benötigt, müssen zunächst Holztüren aufgeschlossen, entriegelt, geöffnet werden.

Kampfabstimmung stoppt den Neubau

Dann setzt die Zugmaschine mehrmals vor und zurück, bis es Richtung Einsatzort geht. In der Fahrzeughalle der hauptamtlichen Wehr, die an eine große Garage erinnert, stehen Rettungsboot und Ölbarrieren für Einsätze auf der Ruhr quer hinter den Fahrzeugen. Auch hier gilt: Vor dem Retten wird rangiert.

Das ist die Lage, als die Rettungskräfte 2010 einmal mehr vertröstet werden. In einer Kampfabstimmung stoppen CDU, Grüne und FDP den seit zehn Jahren geforderten Neubau einer Wache, um Veränderungen bei den Eigentumsverhältnissen der Stadtwerke zu vermeiden.

Es gibt Tränen, die erst im September 2013 vergessen sind. Da wird sie endlich bezogen, die neue Hauptwache am Wildhagen. Aus dem Verkauf des alten Feuerwehrgeländes an der Friedrichstraße erhofft sich der Kämmerer einen kräftigen Ertrag für die Stadtkasse - schließlich war die neue Wache teuer.

Auch Bauschutt liegt in den Innenräumen schon zum Abtransport bereit.
Auch Bauschutt liegt in den Innenräumen schon zum Abtransport bereit. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Doch aus dem Verkauf wird zunächst nichts. Die Stadt braucht den Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen. Erst Anfang 2017 gibt es erste Überlegungen für eine neue Nutzung des Areals. Die Stiftung Trias will die alte Feuerwache sozial und ökologisch umbauen.

30 Prozent werden Sozialwohnungen

Im Laufe jenes Jahres werden die Überlegungen konkreter. Die Hattinger Wohnstättengenossenschaft kommt mit ins Boot, der Hausarzt Herbert Rusche und der Architekt Joachim Stiller schließen sich an.

Im Dezember 2017 wird das Konzept vorgestellt. Teil eins der Planung umfasst das Grundstück, auf dem noch die alte Feuerwache steht. Sie weicht drei Baukörpern mit drei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss. Es gibt barrierefreie Wohnungen und ein spezielles Angebot für Alleinerziehende mit besonderem Unterstützungsbedarf. Insgesamt werden 30 Prozent des neuen Bestandes als Sozialwohnraum gefördert.

Die alte Feuerwache an der Friedrichstraße wird jetzt abgerissen.
Die alte Feuerwache an der Friedrichstraße wird jetzt abgerissen. © WAZ FotoPool | Volker Speckenwirth

Im ersten Gebäude zum Bunker hin soll ein Gesundheitszentrum einziehen. Prof. Herbert Rusche verlegt dazu seine Hausarzt-Gemeinschaftspraxis von der Friedrichstraße 20 einen Steinwurf weiter.

Eine Apotheke und ein Café kommen hinzu

Er kümmert sich in der dritten Generation um die medizinische Versorgung der Südstädter und will seine Angebote für Senioren ausbauen. Eine Apotheke und ein Café sollen in dem Gesundheitszentrum ebenfalls unterkommen.

Am Standort der historischen Wache der Freiwilligen Feuerwehr wird ein viertes Gebäude entstehen. Dort realisiert Trias ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für Senioren mit geringen Einkommen und Flüchtlingsfamilien. Bei der Stiftung mit Sitz in Hattingen achtet Geschäftsführer Rolf Novy-Huy neben der sozialen Komponente bei der Vermietung vor allem auf die Verwendung nachhaltiger Baustoffe.

Jetzt fällt mit dem Abriss der alten Wache endgültig der Startschuss für das neue Südstadt-Tor.