Hattingen. .

Offener Brief an den Stadtrat: Sicherheitsingenieur prangert die Zustände in der Feuerwache an.

Acht Wochen sind vergangen, seit der Stadtrat den geplanten Neubau der Hauptfeuer- und Rettungswache per Kampfabstimmung gekippt hat. Acht Wochen, in denen allein die SPD das Gespräch mit den Feuerwehrleuten gesucht und ihr Bedauern über die Entscheidung ausgedrückt hat. Mit 21 Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen hatte eine Mehrheit aus CDU, Grünen und FDP den seit zehn Jahren geforderten Neubau gestoppt, um Veränderungen bei den Eigentumsverhältnissen der Stadtwerke zu vermeiden.

Jetzt gibt es eine Stimme, die das Thema neu auf die Tagesordnung bringt. In einem offenen Brief an den Rat der Stadt richtet Ralf Rosner einen „eindringlichen Appell zur Wiederaufnahme des Genehmigungsverfahrens und zur Zustimmung zur Sache” vor allem an jene 24 Stadtverordneten, die nicht für den Neubau gestimmt haben.

Diplom-Ingenieur Rosner, Inhaber einer Firma für Qualitätstechnik und Arbeitssicherheit, prangert die „desolaten Zustände” in der alten Wache an der Friedrichstraße offen an – und hat Fragen: Werden die Arbeitsschutzrichtlinien nach der Arbeitsstättenverordnung erfüllt? Werden die Forderungen aus dem Sozialgesetzbuch nach der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen erfüllt? Werden die Forderungen nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts an das Hygienemanagement beachtet?

Fragen, die ganz offensichtlich auch die Stadtverwaltung umtreiben. So hat der Arbeitssicherheitstechnische Dienst die Feuerwache in den Sommerferien im Auftrag der Kommune überprüft. Ein Ergebnis liegt der Feuerwehr noch nicht vor. Und so bleibt den 80 Kräften der Berufswehr um Brandoberamtsrat Jürgen Rabenschlag und den 50 Mitgliedern vom Löschzug Mitte der Freiwilligen Wehr, die ebenfalls an der Friedrichstraße untergebracht sind, zurzeit nur die eine Gewissheit: dass vieles den gesetzlichen Anforderungen schon auf den ersten Blick nicht entspricht.

Das Hauptgebäude stammt aus den 1960er Jahren. Mo- derne Löschfahrzeuge passen kaum durch die Tore. Die Einsatzkleidung hängt eng an eng zwischen den Fahrzeugen, wird direkt von den Abgasen getroffen. Die ziehen (weil die vorgeschriebene Abzugsanlage fehlt) weiter in die obere Etage mit den Gemeinschaftsräumen. Dort gibt es für die drei Schichten zu je 20 Männern und Frauen nur zwei Duschen. Womit es der Berufsfeuerwehr deutlich besser geht als dem Löschzug der Freiwilligen direkt gegenüber.

Dort sind 50 Ehrenamtliche aktiv, werden wegen des großen Einsatzbereichs in der gesamten Innenstadt mit der sensiblen Altstadt und dem großen Hüttengelände meist direkt mitalarmiert. Und verfügen über keine einzige Dusche. Das Gebäude ist 90 Jahre alt, das Rangieren der Fahrzeuge Zentimeterarbeit.

Apropos Einsatz – der geht bei vielen Anforderungsprofilen deutlich später los. Wird der Container mit spezieller Atem- und Strahlenschutzausrüstung benötigt, müssen zunächst Holztüren aufgeschlossen, entriegelt, geöffnet werden. Dann setzt die Zugmaschine mehrmals vor und zurück, bis es Richtung Einsatzort geht. In der Fahrzeughalle der Berufswehr, die an eine große Garage erinnert, stehen Rettungsboot und Ölbarrieren für Einsätze auf der Ruhr quer hinter den Fahrzeugen. Auch hier gilt: Vor dem Retten wird rangiert.

Eine Garage ist auch die Rettungswache, in der die Rettungswagen stehen. Es gibt keine Hygieneschleuse, keinen Desinfektionsraum. Die massive Raumnot überall hat die Werkstätten in den Keller verbannt. Keine Belüftung, kein zweiter Ausgang dort, wo Maschinen gewartet werden.

Warten heißt es jetzt wieder für die Wehrleute. Nach zehn Jahren waren sie kurz vor dem Ziel, hatten den ersehnten Neubau fest im Blick. Jetzt fehlt erneut die Perspektive. Und die Brandschützer fragen sich: Wer rettet die Retter vor solchen Arbeitsbedingungen?

Kommentar

Sicherheit für die ganze Stadt fängt in der Feuerwache an

Duisburg hat Deutschland verändert. Auch in Welper. Dort wurde die Nutzung der Schulaula untersagt, bis Brandschutzklappen eingebaut sind, die seit zwei Jahren fehlen. Nach der Katastrophe bei der Loveparade häufen sich solche Verbote.

Und überall sind die Meinungen gespalten. Sicherheit gehe vor, heißt es hier. Da werde ängstlich überreagiert, hört man dort. Vielleicht ist wirklich schwer zu beurteilen, wie groß die Gefahr in der Aula war. Sicher ist: Man hätte gern davon gewusst. Ganz bedenklich ist die Erkenntnis, dass Ämter nicht miteinander reden, und die Inkonsequenz, am Freitag zu sperren und am Montag 250 Schulkinder reinzulassen.

Vom Versagen der Stadt zum Versagen der Politik: Dass der Neubau der Feuerwache jetzt auf Eis liegt, haben CDU, Grüne und FDP zu verantworten. Nicht nur die 80 haupt- und 300 ehrenamtlichen Wehrleute halten die Entscheidung für unverantwortlich.

Bereits 2001 haben alle Parteien im Brandschutzbedarfsplan festgezurrt, dass ein Neubau oberste Priorität hat. Es sind ja nicht nur die maroden Gebäude und die völlig indiskutablen hygienischen Zustände. Um alle Anforderungen des heutigen Rettungswesens zu erfüllen, wird doppelt so viel Platz benötigt wie an der Friedrichstraße. Wer dort saniert, wirft Geld den dann verlorenen 500 000 Euro hinterher, die für die Planung des Neubaus bereits ausgegeben wurden. Gründe genug für ein Umdenken. Brandschutzklappen in Gebäuden sind wichtig. Noch sicherer wird die Stadt, wenn die Retter vor dem Ausrücken nicht erst rangieren müssen. Ulrich Laibacher