Hattingen. . Der Heimatverein Hattingen zeigt das Schicksal der jüdischen Familie Cahn – und arbeitet auch einen dunklen Fleck in der eigenen Geschichte auf.
Auch der Heimatverein Hattingen/Ruhr hat einen dunklen Fleck in der Geschichte: Denn er stellte einen – erfolglosen – Antrag auf „Arisierung“ des Bügeleisenhauses der Familie Cahn. Diesem Thema widmet der Heimatverein jetzt im Brunnenraum des Hauses die Sonderausstellung „Die Cahns. Eine jüdische Familie in Hattingen“ als Beitrag zur Gedenk- und Aktionswoche für Toleranz und Demokratie gegen das Vergessen mit dem Titel „Hattingen hat Haltung“.
„Wir haben für die Ausstellung einen der ersten Heimatschecks des NRW-Heimatministeriums bekommen“, freut sich Heimatvereinsvorsitzender Lars Friedrich.
Fotos durch gute Kontakte zu Nachfahren erhalten
Stadtarchivar Thomas Weiß lobt ausdrücklich, dass der Verein sich mit dem Arisierungsantrag, diesem „schmerzhaften Punkt“, auseinandersetzt. Viele der Ausstellungsstücke – zumeist Dokumente – stammen aus dem Stadtarchiv. Doch Friedrich pflegt auch Kontakte zu den Nachfahren der Familie – und konnte so beispielsweise noch Familienfotos bekommen.
„Die Fotos zeigen, dass die Familie nicht dem Vorurteil, wie Juden angeblich aussehen, entsprach. Die Fotos könnten aus jedem anderen Familienalbum stammen“, sagt Weiß. Integriert waren die Cahns, die im Bügeleisenhaus und in Welper eine Metzgerei betrieben – und auch nichtkoscheres Fleisch anboten. Weiß erklärt: „Sie waren in Vereinen, waren anerkannt, beliebt, lebten nicht in einer Parallelgesellschaft“ – bis die Nazis kamen.
Beeindruckend und beklemmend
Beeindruckend und beklemmend ist es, die Familiengeschichte in der Ausstellung zu rekonstruieren. 1857 eröffnete die Metzgerei. Viele Zeitungsanzeigen zeugen davon, dass die Cahns den Hattingern Verlobungen und Trauerfälle mitteilten. Alltag ist auch das Anschreibebuch – viele Familien zahlten später. Doch dann ließen die Nazis die Cahns wirtschaftlich ausbluten. Im Haftbuch der Polizei sind Carl und Amalie Cahn geführt, zu sehen sind auch ihre Kennkarten von 1939 mit dem roten „J“. „Und das nur, weil man freitags statt sonntags in die Kirche ging“, zeigt Weiß auf. „Daran sehen wir, wohin das führt, wenn wir mit der Ausgrenzung beginnen“, mahnt Lars Friedrich, der für die Ausstellung einen Online-Stammbaum der Cahns erstellt hat.
Nazis zwangen Carl Cahn zweiten Vornamen Israel auf
Plötzlich jedenfalls hieß Carl Cahn Carl Israel Cahn. „Jüdische Männer bekamen diesen Namen einfach“, so Friedrich. Sogar eine Gymnasialausbildung – wo auch immer abgelegt – hatte der Metzger. „Die Familie hatte sich ins Bürgertum entwickelt.“
Erschütternd ist das Dokument, in dem steht, dass Carl Cahn „unbekannt verzogen“ ist – was bedeutet: deportiert. Nach Zamość. Anfang Mai 1942 war das. „Den Juni haben er und seine Frau Amalie wohl nicht mehr erlebt“, sagt Weiß. Dabei hatten beide noch versucht, aus Deutschland auszureisen – warum das nicht gelang, kann Weiß nur vermuten. „Es war wohl schon zu spät.“
Stolperstein vor dem Museum und Öffnungszeiten
Selma Abraham, geborene Cahn, starb im Ghetto Riga: Ihr ist ein Stolperstein am Haldenplatz gewidmet. Nachfahren werden zur Ausstellung kommen. Geöffnet ist sie samstags, sonntags, feiertags jeweils 15 bis 18 Uhr. Anfragen zu Führungen per E-Mail schicken an info@buegeleisenhaus.de.