Hattingen. . Die Schicksale der jüdischen Hattinger Bürger, die Opfer des Holocaust wurden.
Mehr als 30 Hattinger Juden – darunter Ursula Winter und Familie – gelang bis Ende 1939 die Flucht aus Hattingen. Die etwa 55 Verbliebenen wurden stigmatisiert und führten ein Leben in völliger Isolation. Am 26. Juni 1941 mussten die ersten Juden ihre Wohnungen verlassen und in die alte Gewehrfabrik an der Ruhrbrücke umsiedeln. Nur acht in „Mischehen“ lebenden Juden blieb das Ghetto erspart, zwei weitere jüdische Männer hielten dem Druck der Nationalsozialisten nicht mehr aus und nahmen sich das Leben.
Die Menschen im Ghetto lebten unter katastrophalen Bedingungen auf winzigem Raum, durften sich bald ohne den Judenstern nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Am 20. April 1942 – nachdem auf der Wannsee-Konferenz die Vernichtung aller europäischen Juden beschlossen war – wurden die ersten – Berta und Sophie Walter – aus der Gewehrfabrik deportiert. Vom Hattinger Bahnhof wurden sie über Düsseldorf ins Konzentrationslager Ghetto Izbica transportiert, einer Durchgangsstation zu den Vernichtungslagern von Belzec und Sobibor.
Wenige Tage später wurden auch Aron und Mathile Löwenstein, Amalie und Karl Cahn, Ossiel und Rika Landsmann, Hermann Ostwald sowie Alfred, Bacia, Günther, Inge, Isidor und Klara Markus aus der Gewehrfabrik deportiert. Meta Blume aus Blankenstein und Kurt Kamp aus Bredenscheid-Stüter gehörten ebenfalls zu diesem Transport. Sie wurden über Dortmund nach Zamosc bei Lublin deportiert, ebenfalls eine Durchgangsstation zum Vernichtungslager von Belzec.
Bis zuletzt Miete gezahlt
Im Ghetto verblieben zunächst Julius Friedhof, Max Markus, Hermann Meyer und Minna Portmann, zahlten bis zuletzt Miete an die Stadt Hattingen. Sie wurden mit dem dritten Transport am 27. Juli deportiert, zusammen mit Berta Rosengarten sowie Levi und Johanna Kamp aus Bredenscheid-Stüter – ins Altersghetto Theresienstadt. Keiner der 24 im Jahr 1942 deportierten Juden hat das Vernichtungslager überlebt.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde Else Dickmann im August 1943 nach Auschwitz verschleppt und ermordet – trotz ihrer Ehe mit einem Christen.
Als einzige Jüdin lebte Mathilde Mühlhaus mit ihrem Sohn und etwa 50 serbischen Kriegsgefangenen bis zu ihrer Deportation im Januar 1944 weiterhin in der Gewehrfabrik. In dem Jahr wurden auch die in „Mischehen“ lebenden Juden ins Lager Kassel-Bettenhausen verschleppt. Sie überlebten, ebenso wie Mathilde Mühlhaus. Sie wurde in Theresienstadt befreit.
„Arbeitserziehungslager“
Inzwischen hatte die Gestapo mit der Henrichshütte ein „Arbeitserziehungslager“ eingerichtet, vorrangig für geflüchtete ausländische Zwangsarbeiter. Auch deutsche Juden wurden ab Ende des Jahres nachweislich inhaftiert. Am 26. Januar 1945 wurde Erich Bruchsteiner tot in seiner Baracke aufgefunden – angeblich durch Selbstmord, in Wahrheit vom Lagerkommandanten zum Erhängen gezwungen. Die Jüdin Sara Wegerhoff wurde ebenso wie ihr 14-jähriger Sohn Hermann und die zehn Monate alte Tochter Karin im März ermordet und in einem Bombentrichter verscharrt.