Gladbeck. . Seit 1972 lebt Irmgard C. in ihrer Wohnung an der Johowstraße. Jetzt hat der neue Eigentümer der 83-Jährigen wegen Eigenbedarfs eine Räumungsklage geschickt. Vor dem Amtsgericht fiel noch keine Entscheidung – aber der Richter ließ eine Tendenz zugunsten der Mieterin durchblicken.
42 Jahre lebt Irmgard C. in ihrer Wohnung an der Johowstraße in Rentfort. Erst hieß ihr Vermieter Veba Wohnen, dann Viterra, die das Zweifamilienhaus 2005 privatisierte. Jetzt soll die 83-Jährige ihre Wohnung im Erdgeschoss verlassen.
Die derzeitigen Hauseigentümer, Thorsten und Simone B., haben das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt. Weil die alte Dame dagegen Widerspruch einlegte, folgte die Räumungsklage. Darüber wurde gestern vor dem Amtsgericht verhandelt.
Die entscheidende Frage: Wussten die Eheleute B. vom lebenslangen Wohnrecht der Seniorin, das ihr Viterra 2002 – wie allen über 65-Jährigen – eingeräumt hatte? Im Kaufvertrag, den das Wohnungsunternehmen 2005 mit dem ersten privaten Eigentümer Ingo. G. schloss, ist es eindeutig festgeschrieben, und – kurz gefasst – auch, dass diese Vereinbarung an jeden späteren Erwerber weiterzugeben ist.
Genau das aber ist nicht passiert. Obwohl G., als er das Haus 2012 weiterverkaufte, denselben Notar beauftragte, fehlt diese Passage im Kaufvertrag, „ein merkwürdiger Fehler des beurkundenden Notars“, wie Richter Rummeling anmerkte.
"Wenn Sie das Haus kaufen, kaufen Sie Frau C. mit"
Aber: Über das lebenslange Wohnrecht der Seniorin habe er vor dem Verkauf mehrfach mit den neuen Eigentümern gesprochen, erklärte Ingo G. als Zeuge, und bei einem Ortstermin des Amtsgerichts im Haus an der Johowstraße (in einem anderen Rechtsstreit) sei es auch, vor etlichen Zeugen, Thema gewesen.
Das bestätigte Annette G., die Nichte der 83-Jährigen. „Beim Ortstermin hat die Richterin Herrn B. gesagt: ,Sie wissen ja, wenn Sie das Haus kaufen, kaufen Sie Frau C. mit.’ Das habe ich noch genau im Ohr.“
Berufung oder Fortsetzung möglich
Der lange Weg, von dem Richter Rummeling sprach, kann zweierlei bedeuten: Gibt er der Mieterin jetzt schon Recht, kann der Vermieter die nächste Instanz anrufen.
Die Verhandlung kann aber auch vor dem Amtsgericht weitergehen mit der Frage, ob die Vermieter überhaupt Eigenbedarf geltend machen können. Sie möchten, dass die Eltern ins Haus an der Johowstraße ziehen.
Ingo B. räumte zwar ein, dass vom lebenslangen Wohnrecht der 83-jährigen Mieterin „mal die Rede gewesen“ sei, der Vorbesitzer ihm aber die angekündigten schriftlichen Vereinbarungen zu diesem Thema nicht ausgehändigt habe.
„Und dann ist nie mehr darüber gesprochen worden.“ Sein Anwalt vertrat die Auffassung, ob sein Mandant informiert war oder nicht, sei nicht entscheidend. Schon die Selbstverpflichtung von Viterra aus dem Jahr 2002 sei unwirksam, weil sie nicht auch von der Mieterin unterschrieben sei.
"Dass Sie die Wohnung wirklich verlassen müssen, ist unwahrscheinlich"
Wie Richter Rummeling entscheiden wird, ließ er noch offen, aber eine deutliche Tendenz zugunsten der betagten Mieterin klang schon durch. „Dass Sie die Wohnung wirklich verlassen müssen, ist unwahrscheinlich“, sagte er mit Blick auf Irmgard C., ergänzte allerdings auch: „So oder so, das wird noch ein langer Weg.“