Gladbeck. . Manfred Berger züchtet seit Jahrzehnten Brieftauben. Der Vorsitzende der Reiseverinigung Gladbeck hat die besten Zeiten des Taubensports erlebt, als es in Gladbeck noch 15 Vereine mit insgesamt 450 Mitgliedern gab. Nun gibt es in der RV Gladbeck noch 65 Taubenzüchter, und vieles hat sich verändert.

Frühling und Sommer sind für Urlaubsreisen und Wochenendausflüge tabu. Zwischen April und September sind Taubenzüchter zu Hause unabkömmlich – dann ist Flugsaison.

Marianne Berger kennt das seit mehr als 30 Jahren und hat sich längst daran gewöhnt, macht sogar aktiv mit beim Hobby ihres Mannes. Manfred Berger (70) ist Vorsitzender der Reisevereinigung Gladbeck, seine Frau Geschäftsführerin, und auch im Taubenschlag im Garten der Doppelhaushälfte in Butendorf kennt sie sich (fast) so gut aus wie ihr Mann.

Keine Geldwetten mehr

Tauben haben schon den kleinen Manfred begeistert. „Wir wohnten in den 50er Jahren in Schultendorf. Sonntags guckten überall Männer gen Himmel und warteten auf die Rückkehr ihrer Tauben vom Preisflug. Ich war fasziniert, dass es Tiere gibt, die freiwillig immer wieder nach Hause kommen“, erinnert er sich. Seit vielen Jahren schon hält er jetzt selber Ausschau nach seinen „Rennpferden des kleinen Mannes“, wie Reisetauben früher landläufig hießen.

Früher – das waren die Zeiten, als fast jeder Bergmann Brieftauben züchtete. „Als ich 1972 anfing, hatte die Reisevereinigung Gladbeck rd. 450 Mitglieder in 15 Vereinen“, erinnert sich Manfred Berger. Übrig geblieben sind 65 Taubenzüchter, die meisten Vereine haben sich inzwischen aufgelöst. Der Altersdurchschnitt der Züchter ist bei 68 Jahren angekommen. Nachwuchs Fehlanzeige. Berger glaubt, die Hauptgründe zu kennen: „Erstens muss man in dieses Hobby Zeit investieren, zweitens kostet es Geld.“ Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Urlaub und den Wochenenden im Frühjahr und Sommer.

10 Pfennige Mindesteinsatz

Früher, das waren auch noch die Zeiten, als die „Taubenvätter“ auf ihre Tiere wetteten. „10 Pfennige waren der Mindesteinsatz, 32,50 D-Mark konnte man maximal auf eine Taube setzen“, erzählt Berger. „Und wenn die dann weit vorne gelandet ist, gab es bis zu 350 Mark Gewinn.“

Rein theoretisch gibt’s die Geldwetten auch heute noch, nur niemand setzt mehr was ein. Berger: „Irgendwann ist das eingeschlafen, weil immer dieselben Züchter abgesahnt haben. Das Leistungsgefälle wurde einfach zu groß, weil manche Züchter viel Geld für richtig gute Tauben von bekannten holländischen und belgischen Züchtern kaufen.“

Jede Taube heißt Hans

Längst vorbei sind auch die Zeiten der Taubenausstellungen im Winter, wo es nicht um Schnelligkeit, sondern um die Schönheit der Tiere ging. Früher stellte jeder Verein eine eigene Ausstellung auf die Beine, heute schafft das nicht einmal mehr die Reisevereinigung. Die RV Gladbeck ist zwar noch eigenständig, musste aber bekanntlich ihre Einsatzhalle verkaufen und hat sich mit den Reisevereinigungen Buer und Horst zu einer Transportgemeinschaft zusammengeschlossen.

Ja, vieles hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert im Brieftaubensport. Nur eines ist geblieben, wie es immer war: Jede Taube, egal ob Männchen oder Weibchen, heißt bei allen „Taubenvättern“ Hans.