Gelsenkirchen.

Wie schon 2005 sollen die 1500 Mitarbeiter der Katholischen Kliniken Emscher-Lippe auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Das Unternehmen will so zahlungsfähig bleiben und genügend Luft erhalten, um sich strukturell neu aufzustellen und die Klinikstandorte zu sichern. Zur aktuellen Krise, Hintergründen und Plänen sprach die WAZ mit Geschäftsführer Berthold Grunenberg.

Rund vier Mio. Euro sollen am Jahresende in der KKEL-Kasse fehlen, die mit dem Weihnachtsgeld von 3,6 Mio. aufgefangen werden sollen?

Berthold Grunenberg: Das ist richtig. Allein im laufenden Jahr konnten wir auch durch eine Erkrankungswelle bei den Mitarbeitern im Frühjahr rund 500 Patienten weniger behandeln als geplant, und haben so unser Ziel um 1,5 Mio. Euro verfehlt. Hinzu kommen weitere Belastungen aus Vorjahren von rund 2,6 Mio., davon allein 1,4 Mio. Mehrausgaben, da der Gehaltstarif 2012 angehoben wurde.

Tarifanhebungen sind doch normale Vorgänge, für die man Reserven vorhalten, oder durch Preisanpassung und Steigerung der Auslastung Mehreinnahmen erzielen muss?

Grunenberg: Natürlich ist es auch unser Ziel, Mehreinnahmen zu erwirtschaften. Das ist im Finanzierungssystem der Krankenhauslandschaft aber nicht so einfach wie in der freien Wirtschaft. Wenn beispielsweise der Handwerker fleißig ist und mehr Kunden bedient als im Vorjahr, hat er entsprechend 1:1 einen höheren Gewinn. Wenn wir im Krankenhaus durch Fallsteigerung mehr Patienten behandlen, erhalten wir das aber nicht entsprechend vergütet.

Sie sprechen die Deckelung der Fallzahlen durch die Krankenkassen an?

Grunenberg: Genau. Die Kosten für das Personal und die erzielbaren Erlöse bilden eine Schere, die seit Jahren immer weiter zu Ungunsten der Krankenhäuser auseinander klafft. Im immer stärker reglementierten Krankenhausfinanzierungsrecht ist genau festgelegt, welche Behandlung wie finanziert wird. Zudem muss für jedes Geschäftsjahr einen Plan vorgelegt werden, mit der Prognose, welche und wie viele Behandlungen wir durchführen werden.

Auch die angestrebte Fallausweitung, um mehr Geld einzunehmen?

Grunenberg: Selbstverständlich, wobei die Krankenkassen diese Zahl dann ihren Vorstellungen anpassen, so dass statt der von uns beispielsweise angestrebten 500 zusätzlichen Fälle nur 200 akzeptiert werden.

Und wenn dann aber tatsächlich 500 Fälle mehr behandelt werden?

Grunenberg: Dann dürfen wir nur 35% dieser Mehreinnahmen behalten. Erst nach drei Jahren belegter Fallausweitung wird die Erstattung von den Krankenkassen quasi auf 100 Prozent angepasst.

Wichtige Themen für die Katholischen Kliniken sind auch Investitionen in Gebäude, Technik und stärkere Vernetzung, um attraktiv und zukunftssicher aufgestellt zu sein.

Um die KKEL-Standorte zu stärken, muss auch in Gebäudebestand und Technik investiert werden?

Grunenberg: Sie sprechen eine weitere Schwierigkeit an. Denn das Land ist für die Investitionspauschale zuständig, die beim KKEL auf eine Summe von rund einer Million Euro für Gebäudeinvestitionen und 1,7 Millionen für Ersatzbeschaffungen von Geräten gedeckelt ist. Auch hier klafft die Schere auseinander, da nicht alle tatsächlich benötigen Investitionen vom Land refinanziert wurden.

Die KKEL haben ja nicht allein mit den Finanzdeckelungen zu kämpfen. Warum geht es anderen Krankenhäusern offensichtlich besser?

Grunenberg: Das liegt an verschiedenen Faktoren. An der Krankenhausdichte und somit Konkurrenz in der Region, am Angebotsmix der Behandlungsmöglichkeiten, an der Anzahl der behandelten Patienten und an dem Netzmanagement, mit dem Krankenhausverbünde selbst Patientenströme steuern können.

Meinen sie mit Angebotsmix, dass die Poliklinik ein Auslaufmodell ist?

Grunenberg: Es gibt klare Zeichen, dass die in der Regelversorgung mit ihren Fachabteilungen breit aufgestellten Stadtteilkrankenhäuser politisch nicht mehr gewollt sind. Es wird so künftig noch stärker darum gehen, ein klares Profil in den Fachabteilungen an den Standorten zu schärfen. Wie es die Knappschaftshäuser erfolgreich zeigen, wäre es zudem sinnvoll, dass sich die katholischen Häuser in der Region stärker vernetzen.

Ist es als katholischer Träger nicht unsozial, den Weihnachtsgeld-Verzicht der Mitarbeiter zu fordern?

Grunenberg: Man kann es auch als Akt der Solidarität sehen, der eingefordert wird, um das Gesamte zu erhalten.

Müssen die Mitarbeiter also für ihre Fehler, für Versäumnisse des Managements gerade stehen?

Grunenberg: Man könnte jetzt einfach sagen, unsere Strukturänderungen 2005 waren wohl nicht ausreichend. Wir haben damals versucht, als katholischer Arbeitgeber moderat, sehr mitarbeiterorientiert und nicht knallhart betriebswirtschaflich vorzugehen – so dass wir keine Kündigung aussprechen mussten.

Was in Zukunft an den großen Häusern in Gladbeck und Horst nicht mehr auszuschließen ist?

Grunenberg: Eine Projektgruppe wird die künftige KKEL-Struktur erarbeiten. Klar ist, dass dabei auch Konkurrenzen in der Region und den KKEL-Häusern Thema sind. Intern wird es um eine Standortkonzentration der klinischen Fachgebiete mit den vernetzten Abteilungen gehen, wobei auch personelle Synergien angesprochen werden. Ziel ist, die KKEL für zehn Jahre sicher und möglichst sozialverträglich aufzustellen.