Gladbeck.

. Sommerzeit, Urlaubszeit – viele Erholungssuchende brechen fröhlich zu einer Auslandsreise auf. Tatjana Michailova ist aus Russland nach Gladbeck gekommen. Die 58-Jährige ist Touristin besonderer Art, da es bei ihrem Aufenthalt nicht um Sehenswürdigkeiten im Revier, sondern um Leben und Tod ging.

Genauer gesagt, um die Behandlung im St.-Barbara-Hospital. Denn genau das bietet der Klinikverbund neuerdings in Zusammenarbeit mit einer russischen Vermittlungsagentur an. „Für mich war das ein letzter Strohhalm, an den ich mich geklammert habe“, sagt die Patientin in Zimmer 494. Denn obwohl sie bereits seit geraumer Zeit Probleme hatte, habe sie die Diagnose daheim in tartarischen Kazan wie ein Schlag getroffen: Darmverschluss durch Krebsgeschwüre im fortgeschrittenen Stadium. „Die Ärzte sagten, dass sie nichts mehr machen können und ich noch zwei bis drei Wochen zu leben habe.“

Eine niederschmetternde Diagnose, mit der sich ihre Tochter Svetlana nicht habe abfinden wollen. Sie hatte von russischen Agenturen gehört, die mit deutschen Kliniken kooperieren. Daraufhin habe sie im Internet recherchiert und kam so mit UniMedTour und Geschäftsführer Sergej Schmidt in Kontakt. Der auch über die Kosten von sicherlich 20 000 Euro aufklärte, mit der die Geschäftsfrau zu rechnen habe. „Viele Patienten, die von ihren russischen Ärzten aufgegeben werden, haben tatsächlich noch gute Behandlungschancen bei entsprechender ärztlicher Erfahrung und medizinischer Ausstattung, wie sie beispielsweise am St.-Barbara-Hospital gegeben sei, so Schmidt. „Natürlich praktizieren in Russland auch gute Spezialisten in medizinischen Zentren in Großstädten“, dies allerdings auch zu entsprechenden Konditionen. „Und in kleineren Städten sehen die medizinischen Standards oft deutlich schlechter aus.“

Mit der Behandlungsmöglichkeit im Ausland wolle man den Patienten aber keine Wunder versprechen. „Wir bitten die Kunden, uns alle ärztlichen Unterlagen zu geben, die schicken wir dann an unsere Partner in Deutschland, um ihre Ansicht zu den Erfolgschancen zu erfahren“, erklärt Sergej Schmidt.

Erfolgreicher großer Eingriff

In diesem Fall an Chefarzt Dr. Notger Brüstle. „Da noch keine Lymphbereiche vom Krebs befallen waren, haben wir gute Chancen mit einer OP gesehen.“ Der Experte sollte recht behalten. Nach erfolgreichem Eingriff mit Unterstützung aus Urologie und Gynäkologie wird Tatjana Michailova als geheilt entlassen. „Ich möchte noch einmal nach Gladbeck kommen“, sagt sie mit einem Lächeln. „Nicht als Patientin, sondern um die Stadt als Touristin kennen zu lernen.“

Krankenhaus-Tourismus entlastet Budgets

Der Krankenhaus-Tourismus durch Patienten aus Russland ist eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle, da sie das Budget der behandelnden deutschen Klinik stärkt.

Warum, erklärt der Geschäftsführer des Klinikverbundes KKEL, Berthold Grunenberg. „In unseren Behandlungsmöglichkeiten von Kassenpatienten sind wir finanziell durch die Vorgaben der Krankenkassen im Budget gedeckelt.“ Klartext: Nur eine bestimmte Anzahl von Operationen wird gemäß dem Klinikschlüssel finanziert. Nicht eingeplante Zusatzbelastungen, wie beispielsweise jüngst der neue Tarifabschluss, der die Gehälter der Beschäftigten betraf und zu erheblichen Mehrausgaben bei den Personalkosten führte, bedeuteten eine große Herausforderung für den Klinikverbund.

Entlastung bietet die Belegung mit Patienten aus dem Ausland. „Da wir diese komplett als Privatpatienten abrechnen können, die nicht unter die Krankenkassendeckelung fallen.“ Der komplette Behandlungserlös fließt so ohne Abzüge ins Krankenhausbudget.

„Diese Patienten zahlen aber keine Sonderpreise, sondern werden wie jeder deutsche Patient behandelt und abgerechnet“, unterstreicht der ärztliche Direktor, Dr. Notger Brüstle. In St. Barbara wurden bislang 45 russische Patienten in der Gynäkologie, 35 in der Urologie und vier in der Viszeralchirurgie behandelt. Vorzugsweise im Sommer, wenn die Belegzahlen sinken und Betten frei sind