Gelsenkirchen. Verbände in Gelsenkirchen appellieren an die Politik, sie bei den Verhandlungen mit den Kassen über höhere Vergütung zu unterstützen

Auch in Gelsenkirchen schlagen Wohlfahrtsverbände und ambulante Pflegedienste wie Caritas, Diakonie, DRK und APD Alarm. Botschaft: Die Pflegekräfte haben zu wenig Zeit für Patienten, im Gegenzug ist die Vergütung zu niedrig.

Die Kostensituation hat sich in den vergangenen zehn Jahren nach Einschätzung von Caritasdirektor Peter Spannenkrebs stark verschärft: „Kostenentwicklung und Vergütung der Kassen driften immer weiter auseinander. Die Steigerung durch höhere Löhne und Sachkosten beträgt seit dem Jahr 2002 etwa 20 Prozent, demgegenüber steht die Anhebung der Vergütung für ambulante Pflege von nur sieben Prozent.“ Weil die Pflege zudem ein sehr zeitintensiver Beruf sei, sei eine weitere Verdichtung der Arbeit für Pflegekräfte nicht mehr möglich.

Arbeiten im ständigen Eiltempo

Wie der Alltag aussieht, davon hat sich der Stadtverordnete Ernst Majewski (SPD) gestern ein Bild gemacht. Der Vorsitzende des Seniorenbeirates hat Anke Turek, Fachkraft der Caritas, auf ihrer Tour zwischen 6 und 10 Uhr zu 16 Patienten begleitet. Sein Eindruck: „Es ist Arbeiten im ständigen Eiltempo, da bleibt so gut wie keine Zeit für etwas menschliche Wärme.“ Kaum angekommen, sei man eigentlich auch schon wieder weg.

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Die Krankenkassen haben strenge Vorgaben. Je nach Art und Umfang der Dienste steht den Pflegekräften ein Zeitfenster von wenigen Minuten zur Verfügung. Drei Minuten etwa, um den Patienten nach seinem Wohlbefinden zu befragen, Blutzucker zu messen, Medikamente zu verabreichen und ihm die Kompressionsstrümpfe anzuziehen, dann aufzuschreiben, was gemacht wurde und sich zu verabschieden – für 9,20€ Vergütung – Staus und Parkplatzsuche nicht mitgerechnet, die Anfahrt allein wird mit vier Minuten taxiert.

Unzufriedene und überarbeitete Kollegen

Die Hetze hat Folgen. „Unzufriedene und überarbeitete Kollegen“, wie es Kerstin Wegner (DRK) und Hans Werner Rössing (APD) beschreiben. „Und einen hohen Krankenstand“, fügt Nicola Vogt, Fachbereichsleiterin der Ambulanten Pflege bei der Caritas, hinzu. „Wir registrieren vermehrt Ausfälle durch Burn-Out.“ Doch die Spirale dreht sich noch weiter, der Beruf verliert – auch durch die geringere Anerkennung im Vergleich zu Krankenhauspersonal – an Reputation; trotz nahezu identischer Anforderungen, und dadurch „bleibt der examinierte Nachwuchs weg“.

Caritas, Diakonie, Familien- und Krankenpflege, DRK-Schwesternschaften und der freigewerbliche Ambulante Pflegedienst fordern die Politik daher auf, die ambulante Pflege bei den Vergütungsverhandlungen zu unterstützen.