Gladbeck / Recklinghausen. Seit Jahresbeginn wurden in Gladbeck und dem Kreis viele Fahndungsfotos veröffentlicht. Doch welche Regeln gelten da eigentlich? Ein Überblick.
Seit Anfang Januar hat das Polizeipräsidium Recklinghausen 14 öffentliche Fahndungen herausgegeben, bei denen auch Fotos von mutmaßlichen Tätern veröffentlicht wurden. Auch im Dezember hatte es bereits neun Aufrufe gegeben. Eine derartige Häufung ist selbst Polizeisprecherin Ramona Hörst nicht in Erinnerung. Liegt dieser Fahndungsflut ein Strategiewechsel zugrunde?
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Die Pressechefin des Präsidiums verneint diese Frage. Es gebe keine neuen Richtlinien in dieser Hinsicht. Es sei vielmehr so, dass Staatsanwaltschaften und Richter aktuell bei den rechtlichen Überprüfungen der einzelnen Fälle offensichtlich vermehrt zu dem Schluss kommen, dass öffentliche Fahndungen angemessen und erfolgversprechend seien.
Wer entscheidet, ob eine Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet wird?
Ob Fotos von Gesuchten veröffentlicht werden, liegt nicht in der Entscheidungsgewalt der Polizei. Sie liefert zwar eine Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft, die aber prüft dann, ob die Kriterien für eine Bildfahndung erfüllt werden. Ist das der Fall, wird die Öffentlichkeitsfahndung direkt von der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Amtsgericht beantragt. Am Ende entscheiden also die Richter darüber, ob eine entsprechende Medieninformation veröffentlicht wird. Ist die Fahndung beendet, sprich der Verdächtige ermittelt, müssen die Fotos gelöscht werden. Diese Aufforderung geht auch an die Medien. Deshalb entfernt diese Lokalredaktion entsprechende Fotos dann auch von ihrer Internetseite.
Unter welchen Voraussetzungen dürfen Fotos veröffentlicht werden?
Die Öffentlichkeitsfahndung gilt oft als letzte Maßnahme, um einen Tatverdächtigen zu fassen. Vor allem im Internet verbreiten sich Fahndungsfotos in rasanter Geschwindigkeit. Doch bevor die Behörden diesen Schritt gehen, müssen zunächst alle anderen Ermittlungsansätze ausgeschöpft sein. Deshalb liegen in der Regel Monate zwischen der Tat und der öffentlichen Fahndung. Paragraf 131b der Strafprozessordnung nennt zudem als Voraussetzung für die Freigabe eines Fotos, dass der Beschuldigte einer „Straftat von erheblicher Bedeutung“ verdächtig ist.
Worum geht es bei den Öffentlichkeitsfahndungen in Gladbeck und dem Kreis?
Bei den diesjährigen 14 Öffentlichkeitsfahndungen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Recklinghausen (Kreis RE und Bottrop) geht es um höchst unterschiedliche Straftaten. Der Klassiker sind gestohlene EC-Karten, mit denen Unbekannte sich an Geldautomaten bedienen und dabei von der Überwachungskamera der Bank erfasst werden. Auch Ladendiebe befinden sich unter den Gesuchten. Sie stahlen wertvolle Smartphones oder auch Winterjacken.
Für Gladbeck findet man im Fahndungsportal der Polizei derzeit – Stand Freitagvormittag – zehn öffentliche Fotofahndungen. In fünf Fällen davon geht es um Ladendiebstahl bzw. bandenmäßigen Ladendiebstahl. Außerdem hat die Polizei zwei Fotos von Männern veröffentlicht, die verdächtig sind, für Einbrüche verantwortlich zu sein, in zwei Fällen wird außerdem nach Tätern gefahndet, die Diebstähle begangen haben. Außerdem fahndet die Polizei nach einem Computerbetrüger.
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Ungewöhnlich erscheint die Foto-Freigabe in einem Fall, bei dem in einer Bibliothek in Bottrop eine Kasse gestohlen wurde. Die Polizei schätzt das Alter des fotografierten Täters auf erst 14 bis 16 Jahre. Für Außenstehende seien die Beweggründe der Entscheider nicht immer nachvollziehbar, räumt Polizeisprecherin Ramona Hörst ein. Der Verdacht auf gewerbs- oder bandenmäßige Kriminalität könne zum Beispiel ein wichtiges Kriterium für die Ermittler sein. Diese zehn Fahndungen sind veröffentlicht worden in einem Zeitraum von September bis Januar.
Hatten die Maßnahmen der Ermittler Erfolg?
Von den 14 Fahndungen seit Jahresbeginn führten drei zu einem Durchbruch. In Gladbeck wurde ein Verdächtiger identifiziert, der Falschgeld unter die Leute bringen wollte, in Marl flogen zwei mutmaßliche Wechselgeldbetrüger auf. In Dorsten stellte sich ein 54-jähriger Mann, der wegen sexueller Belästigung einer Elfjährigen gesucht wurde, selbst der Polizei. „Manchmal wird der Fahndungsdruck für die Betroffenen einfach zu groß“, sagt Ramona Hörst.
Kann es Pannen geben bei einer Öffentlichkeitsfahndung?
Dass Fotos von unschuldigen Personen veröffentlicht werden, komme leider immer mal wieder vor, räumt die Polizeisprecherin ein. Ein solcher Fall datiert zum Beispiel aus Dezember 2023. Die Polizei suchte nach zwei vermeintlichen EC-Karten-Betrügern. Am Ende konnten die beiden Personen auf dem Foto den Sachverhalt aufklären. Demnach hatten sie die EC-Karte bei einer Bank in Waltrop im Automaten gefunden. Direkt im Anschluss hoben sie Geld von ihrem eigenen Konto ab. Die fremde Karte gaben sie bei der Polizei ab. Die Fahndung wurde vom Polizeipräsidium sofort zurückgezogen.
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