Gladbeck. Gladbecker Schulen kassieren im neuen Schulsozialindex schlechte Noten. Schuldezernent Rainer Weichelt erklärt, warum das sogar helfen kann.
„Der Schulsozialindex ist nichts Böses.“ Das sagt der Gladbecker Schuldezernent Rainer Weichelt klipp und klar. „Er ist ein Steuerungsinstrument, das uns wichtig ist. Und es ist nicht schlimm, einen schlechten Schulsozialindex zu haben. Das ist eine Feststellung, dass wir Herausforderungen haben. Und wir tragen unseren Teil dazu bei, sie zu bewältigen.“
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! +++
Weichelt spricht über den neuen Schulsozialindex, nach der Premiere 2020 und der Aktualisierung zum Schuljahr 2022/2023 nun in einer neuen Fassung ab dem Schuljahr 2024/2025. Und was bewertet dieser Index jetzt? Jedenfalls nicht die pädagogische Qualität der Schulen, sondern er „identifiziert lediglich bestehende soziale Herausforderungen“ – das schreibt das Schulministerium. Faktoren, die den Schulen ihre Indexstufen von 1 (niedrige Belastung) bis 9 (hohe Belastung) zuweisen, sind zum Beispiel die Menge an Kindern aus armen Familien, Kinder aus nicht Deutsch sprechenden Familien, Kinder mit Migrations- oder Fluchterfahrungen und Kinder mit besonderem Förderbedarf.
Schlechte Noten für Gladbecker Schulen: Wie die sogar helfen können
Einige Gladbecker Schulen schneiden anhand dieser Faktoren erwartbar mau ab. Die Lambertischule in der Innenstadt bekommt eine „8“, die Südparkschule und die Erich-Fried-Schule haben gar eine „9“. Am oberen Ende der Skala stehen mit einer „3“ das Rats- und Heisenberg-Gymnasium gemeinsam mit der Josefschule und der Pestalozzischule. Den kompletten Schulsozialindex gibt es im Internet unter schulministerium.nrw.
Das klingt ja erstmal nicht so prickelnd. Ist aber, wie Rainer Weichelt sagt, gar nicht so schlimm, im Gegenteil: Eine „schlechtere“ Note kann sogar ein Vorteil in der Arbeit mit den sozialen Herausforderungen der Schulen sein. Denn in der Vergangenheit, vor dem Schulsozialindex, regte sich viel Kritik am „Gießkannen-Prinzip“ der Förderung für Schulen, so der Dezernent. „Alle wurden gleich gefördert, unabhängig davon, ob sie vor größeren oder kleinen Herausforderungen standen. So ist die Ungleichheit noch gefördert worden.“
So will die Stadt soziale Herausforderungen an Gladbecker Schulen bekämpfen
Der Förderer, von dem hier die Rede ist, ist die Schulaufsicht, also das Schulministerium des Landes. Die Stadt als Schulträger „steuert natürlich auch mit“, ist aber, vereinfacht dargestellt, für das Äußere der Schulen zuständig, während das Land für das Innere, also auch das Personal, verantwortlich ist. Heruntergebrochen kann das bedeuten: je schlechter der Schulsozialindex, desto besser die Förderung, zum Beispiel mit zusätzlichen Lehrerstellen. „Deswegen waren wir vom vorherigen Index auch nicht so begeistert“, erinnert sich Rainer Weichelt, „der hat die Schulen unserer Ansicht nach zu gut bewertet.“ Die Lambertischule bekam 2020 eine „7“, die Südparkschule eine „6“, genau wie die Erich-Fried-Schule.
Jetzt ist also das Land, das Schulministerium, gefragt. Die Stadt will trotzdem nicht tatenlos danebensitzen, wie schon in den vergangenen Jahren will sie als Schulträger eben „mitsteuern“. Und wie geht das? Zum Beispiel mit dem Programm „Talentschule NRW“, das der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule mehr Lehrer beschert hat, „da haben wir damals gemeinsam mit der Schule sehr intensiv dafür geworben, in dieses Programm aufgenommen zu werden“, erinnert sich der Dezernent. Im Süden plant die Stadt mit dem Amigonianer-Orden und dem Kinderschutzbund eine Hausaufgabenhilfe, die UWE-Befragung aller Viertklässler soll helfen, das Wohlbefinden der Kinder in der Schule zu steigern. „Schule muss ein Stück Heimat sein“, sagt Weichelt.
So soll das Konzept „Familienschule“ in Gladbeck helfen
Und dann gibt es noch das Projekt „Familienschule“. Bisher tragen die Regenbogenschule und die Pestalozzischule diesen Titel, die kommende Grundschule im Gladbecker Süden soll folgen, genau wie alle anderen Grundschulen. Die Grundidee ist ganz simpel: „Familien ziehen sich im Moment eher aus Erziehungsaufgaben zurück. Und das ist längst nicht nur in Familien mit Migrationshintergrund so. Mit dem Projekt wollen wir Familien wieder zum aktiven Bestandteil der Bildung ihrer Kinder machen“, erklärt Rainer Weichelt.
Lesen Sie auch:
- Überblick: Hier wird’s richtig jeck in Gladbeck
- Indische Pflegekräfte gegen den Personalmangel in Kliniken
- Neue Fahrradstraße: So soll die Ringeldorfer Straße aussehen
- Türkisch, arabisch, polnisch: Supermarktvielfalt in Gladbeck
- Gladbeck: Bedrohte Schönheit im prachtvollen Federkleid
Das soll vor allem mit vielen kleineren Projekten funktionieren. Mit Elterncafés zum Beispiel, in denen sich Eltern, Lehrer und Sozialarbeiter über die tagtäglichen Herausforderungen austauschen können. Mit Fachvorträgen, etwa darüber, warum es für Kinder wichtig ist, früh ins Bett zu gehen. Warum Zahnhygiene eine große Rolle spielt. Und zum Beispiel auch, wie man als Elternteil damit umgeht, wenn sich der Nachwuchs eben nicht die Zähne putzen will. „Je früher wir anfangen, desto besser“, sagt der Schuldezernent, „desto effektiver können wir den Kindern eine soziale Heimat geben.“