Gladbeck. Der Sozialpsychiatrische Dienst hilft bei Psychosen, Messiewohnungen, Suchterkrankungen und mehr. Wie das Hilfsangebot funktioniert.
Ganz unscheinbar, die Eingangspforte, es steht auch nur „Gesundheitsamt: Bezirksstelle Gladbeck“ auf dem Schild. Das passt irgendwie zum Sozialpsychiatrischen Dienst, der im Kreis Recklinghausen eine so wichtige Aufgabe erfüllt und meistens trotzdem unter dem Radar fliegt. „Psychiatrisch“, da kann man sich schon denken, dass sich das Team mit den dunklen Momenten des Lebens beschäftigt. Aber wie, und wo, und wann? Gute Frage. „Wir sind ein bisschen Bahnhof“, wagt Dr. Günter Schönhauser, Leiter des Dienst im Kreis, eine erste Erklärung.
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Und zwar für alle Kreisbürger, ohne Ausnahme. Der „Bahnhof“ Sozialpsychiatrischer Dienst will Menschen in Lebenskrisen in den richtigen Zug setzten, zu den richtigen Hilfsangeboten, Richtung „Raus aus der Krise“. Dafür müssen Dienst und Menschen aber natürlich erstmal zusammenfinden. „Das kann auf ganz unterschiedliche Weisen passieren“, sagt Christian Cronenberg, Sozialarbeiter und -pädagoge in der Zweigstelle in Gladbeck, einer von zehn im Kreis. „Es melden sich zum Beispiel Hausärzte, die eine Krise vermuten. Oder Angehörige, Nachbarn, die Polizei. Oder die betroffene Person meldet sich selbst bei uns.“
Diese Krisen, die der Sozialpsychiatrischen Dienst dann bekämpft, sind so vielfältig wie die Menschen selber. „Das reicht von Psychosen über Depressionen, von Messiewohnungen zu Suchterkrankungen, egal ob Alkohol, Drogen oder digitale Medien“, erklärt Sozialarbeiterin Dagmar Schlutter. In einer alternden Gesellschaft gehts es immer öfter auch um die entsprechenden Probleme. „Wenn jemand nachts im Bademantel die Wohnung verlässt, dann helfen wir auch.“
Kontakt zum Sozialpsychiatrischen Dienst
Der Sozialpsychiatrische Dienst ist in Gladbeck via Dagmar Schlutter oder Christian Cronenberg zu erreichen. Dagmar Schlutter ist unter 02043 68 33 78 22 oder per E-Mail an d.schlutter@kreis-re.de erreichbar, Christian Cronenberg unter 02043 68 33 78 24 oder per E-Mail an c.cronenberg@kreis-re.de. Telefonisch sind die Sozialarbeiter montags bis donnerstags von 8.30 bis 16 Uhr zu erreichen, freitags von 8.30 bis 12 Uhr. Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite des Kreises RE, unter kreis-re.de.
Das Angebot des Sozialpsychiatrischen Diensts ist kostenlos und freiwillig. Alle Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht, alle Angelegenheiten werden vertraulich behandelt. Bei akuten Krisen außerhalb der Sprechzeiten empfiehlt der Sozialpsychiatrische Dienst die Telefonseelsorge unter 0800 11 10 11 1.
Und wie genau? Zunächst mal: niedrigschwellig und möglichst präventiv. „Wir wollen so wenig eingreifen, wie möglich“, sagt Cronenberg, „deswegen ist unser erster Kontakt auch schriftlich.“ Wie es dann weitergeht, entscheidet der Klient selbst, Telefongespräche, Ortstermine, Hausbesuche. Nur, wenn die Sozialarbeiter den Fall gemeinsam mit Bezirksarzt Fadil Miftari als besonders kritisch einschätzen, greifen sie zu ihrer letzten „Eskalationsstufe“: zu einem unangekündigten Hausbesuch.
Sozialpsychiatrischer Dienst Gladbeck: „Wir machen keine Therapie“
Wie der Sozialpsychiatrische Dienst dann hilft, hängt ganz vom Fall ab. „Wir machen Hausbesuche zum Beispiel auch mit anderen Angeboten zusammen, etwa dem Beratungs- und Infocenter Pflege“, sagt Sozialarbeiterin Lisa van Loon. Vermittlung an Therapeuten, Nachsorge nach der Therapie, alles dabei. Und im äußersten Falle auch die Entscheidung zu einer Zwangsunterbringung in einer LWL-Psychiatrie. „Da muss dann aber erhebliche Fremd- oder Selbstgefährdung bestehen“, erklärt Miftari. Nur eine Sache bietet der Sozialpsychiatrischen Dienst ganz ausdrücklich nicht an: „Wir machen keine Therapie.“
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Dafür überbrückt das Team aber häufig die Zeit, bis ein Klient eine Therapie beginnen kann, „den Fachärztemangel merken wir deshalb auch sehr deutlich“, so Schönhauser. Da helfen auch die Angebote abseits der Eins-zu-Eins-Betreuung. Einmal in der Woche, immer montags von 15.30 bis 17 Uhr findet das Kontaktcafé statt, Betroffene sitzen bei Kaffee und Kuchen und reden über alles, was gerade so anliegt. Dazu kommen Gruppen für Betroffene von Psychosen, für Angehörige psychisch Erkrankter, eine Psychoedukative Gruppe und mehr. Eine rein digitale Sprechstunde für die junge Generation ist in Planung, nicht nur das zeigt: Der Sozialpsychiatrische Dienst wird weiter gebraucht – auch für scheinbar kleine Angelegenheiten, die für Betroffene schier unüberwindbare Hürden sein können. „Ich habe eine Klientin begleitet, die ein Girokonto bei ihrer Bank eröffnen musste“, erinnert sich Dagmar Schlutter, „das war für sie ein richtiger Kraftakt. Aber gemeinsam haben wir‘s geschafft.“