Bochum/Dortmund. Unverschämte Bewertungen im Internet sind ein großes Problem für Gastronomen. So verschwindet die Kritik wieder aus dem Netz.
„Das Personal war besoffen. „Bedienung unfreundlich, das Essen ungenießbar“. „Musste mich fast übergeben.“ In den Rezensionsspalten auf Online-Portalen, besonders bei Google, geht es oft zur Sache. Das ist für die betroffenen Gastronomen nicht nur ärgerlich, es kann auch ernste wirtschaftliche Konsequenzen haben. Denn viele Gäste machen den Besuch eines Restaurants davon abhängig, wie gut oder schlecht es im Internet bewertet wird. Schon ein paar schlechte Bewertungen können Auswirkungen auf die Gesamtnote haben. „Und wer nicht mindestens vier von fünf Sternen hat, bekommt dann Probleme“, weiß Marc Weber, Betreiber des Webster-Brauhauses und Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Duisburg.
„Ungerechtfertigte Bewertungen sind ein latentes Problem“, bestätigt Thorsten Hellwig, Sprecher des Dehoga Nordrhein-Westfalen. Bei einer Umfrage des Verbandes gaben knapp 80 Prozent der befragten Restaurant-Betreiber und Hoteliers aus Nordrhein-Westfalen an, dass sie schon mal unsachliche oder unangemessene Bewertungen im Internet erhalten haben. Bewertungen zum Beispiel von Gästen, die den Betrieb gar nicht besucht haben. Oder von Kunden, denen das Essen zwar schmeckte, die aber sauer waren, weil es im Lokal keinen Wassernapf für den mitgeführten Hund gab.
Sachliche Kritik ist willkommen
„Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik“, sagt Christian Bickelbacher, der in Bochum mehrere Restaurants betreibt. Sachlich vorgetragen, nicht beleidigend. „Der stellen wir uns“, stellt Weber klar. Hoher und überraschender Krankenstand, Kühlschrank defekt – vieles könne man erklären, manches auch verbessern. Nicht immer, auch das ist den Gastronomen klar, finden Wirt und Kunde zusammen. „Aber damit muss man leben.“
Über 4200 Bewertungen hat die Three Sixty-Sportsbar, die meisten davon sind fünfstellig. Rund 50 haben nur einen Stern vergeben. Einigen haben Bickelbacher und sein Team zurück geschrieben, vielen aber nicht. „Was soll man auch jemandem antworten, der schreibt, dass der Salat im Supermarkt billiger ist? Oder dem die Bilder an den Wänden nicht gefallen? Oder der sich beschwert, dass er unangemeldet aber angeheitert mit vier Kumpels gekommen ist und nicht eingelassen wurde, weil es zu voll ist? Solche Bewertungen, sagt Bickelbacher, „sind uns dann auch ein Stück weit egal“. Nur wenn sein Personal beleidigt wird, hat er sich schon mal bei Google gemeldet.
Für Laufkundschaft spielen Bewertungen eine große Rolle
„Man muss ein dickes Fell haben“, findet Jan Möller, einer der Geschäftsführer der Muto GmbH, die mehrere Lokale in Dortmund betreibt. Er hofft, dass die meisten Kunden schlechte Bewertungen „einordnen können“. „Außerdem“, findet er, „wirkt ein lupenreines Profil auch irgendwie merkwürdig.“ Deshalb geht er auch nur gegen „drastische Falschbehauptungen“ vor. „Und wenn meine Angestellten persönlich angegriffen werden.“
Bickelbacher weiß, dass nicht jeder in der Branche so entspannt sein kann. „Wir haben hier in Bochum fast nur Stammkundschaft. Die interessiert sich gar nicht für die Bewertungen im Internet.“ In Messestädten wie Düsseldorf oder Tourismus-Hochburgen wie Köln sei das anders. „Für Laufkundschaft spielen Bewertungen eine ganz große Rolle.“ Und viele schauen nur auf die Gesamtnote, lesen gar nicht erst, was in den einzelnen Bewertungen steht.
Knapp 90 Euro für eine gelöschte Bewertung
Inzwischen wächst deshalb auch die Zahl der Gastronomen, die sich gegen solche Fakebehauptungen wehren. „Irgendwann reicht es“, sagt einer. In allen Fällen, da sind sich die Wirte einig, ist das recht aufwendig. Denn so eine Löschung muss bei Google beantragt werden. Und sie hat nur eine Chance auf Erfolg, wenn die Bewertung beleidigend oder offenkundig unwahr ist. Um das zu prüfen kontaktiert der Suchmaschinengigant die Kommentatoren. Können sie nicht schlüssig darlegen, dass sie ein Lokal oder ein Geschäft tatsächlich besucht und negative Erfahrungen gemacht haben, wird die Rezension gelöscht. „Bei der ganzen Sache gibt es gewisse Spielregeln“, sagt Christian Keppel. Und viele auszufüllende Formulare.
Er kennt sie alle, denn er hat das Löschen von unfairen Bewertungen zu seinem Geschäftsmodell gemacht. Seit 2007 stellt sein Unternehmen „Dein Guter Ruf“ alle nötigen Anträge für Betroffene. Das sind nicht nur Gastronomen, sondern auch Bäcker und Bestatter, Metzger oder Makler, Ärzte und Augenoptiker. „Mittlerweile kann man ja fast alles bewerten.“ Knapp 90 Euro kosten Keppels Dienste pro Bewertung, bei Großaufträgen gibt es Rabatt. „In 85 Prozent aller Fälle sind wir erfolgreich.“ Andere „Lösch-Firmen“ nennen ähnliche Zahlen.
Viele Wirte fürchten nach Löschung einen Shitstorm
Marc Weber weiß, dass viele seiner Kollegen und Kolleginnen trotzdem zurückhaltend sind, wenn es um die Löschung von Bewertungen geht. „Das kann nämlich leicht zu einem echten Shitstorm im Netz führen.“ Ein Gastronom aus dem Rheinland, der seinen Namen genau deshalb nicht in der Zeitung lesen möchte, kann das nur bestätigen. Seit die lokale Presse von seinen Löschungsplänen berichtet hat, wird er online beleidigt, für sein Lokal hagelt es 1-Sterne Bewertungen. „Und das von Menschen“, sagt der Wirt, „die nie in ihrem Leben bei mir waren. Und die auch nie zu mir kommen werden.“Eine gute Nachricht aber gibt es auch: „Meine Stammgäste“, hat der Wirt festgestellt, „stehen komplett hinter mir.“