Gladbeck. Pflegeanbieter Linimed NRW will das betreute Wohnen in Gladbeck aufgeben. Angehörige einer Bewohnerin schildert die Konsequenzen für ihre Mutter.
Im Juni 2018 hat der Pflegedienstanbieter Linimed seinen Neubau im Wohnquartier Roter Turm in Gladbeck eröffnet. Zwölf Appartementes für betreutes Wohnen im Erdgeschoss, darüber auf zwei Etagen 24 Zimmer für schwer kranke Menschen, die eine Intensivpflege benötigen. Alles sehr wertig, untergebracht in einem modernen Gebäude. Doch nun will die Linimed NRW GmbH mit Sitz in Düsseldorf die Sparte des betreuten Wohnens in Gladbeck aufgeben. Wie das Unternehmen dabei vorgeht, hat eine Angehörige der Gladbecker WAZ Redaktion geschildert.
Angehörige: Mietern des betreuten Wohnens in Gladbeck am Roten Turm ist mit vierwöchiger Frist der Pflegedienst von Linimed gekündigt worden
Ende August, so ihre Aussage, sei den Mietern des betreuten Wohnens mit einer vierwöchigen Frist der Pflegedienst von Linimed gekündigt worden. „Mit der Folge, dass am Tag darauf alle Mitarbeiter, die im Haus für das betreute Wohnen zuständig waren, sich einen Krankenschein genommen haben“, berichtet Elisabeth M. (Name von der Redaktion geändert), deren Mutter nach einem Schlaganfall vor gut zwei Jahren ein Appartement im Erdgeschoss der Einrichtung bewohnt.
Um die Betreuung trotz der Krankenscheine weiter gewährleisten zu können, habe das Unternehmen daraufhin einen ambulanten Pflegedienst beauftragt. „Der kommt aber nur dreimal am Tag. Das reicht nicht für meine Mutter, die ans Bett gefesselt und auf Hilfe angewiesen ist“, schildert M. die Zustände. Bei der Eröffnung des betreuten Wohnens am Roten Turm hatte die damalige Pflegedienstleitung im Gespräch mit der WAZ davon gesprochen, dass rund um die Uhr drei Pflegekräfte vor Ort seien. Und auch die Mieter im Bereich des betreuten Wohnens hätten bei Bedarf immer eine Pflegekraft als Ansprechpartner.
Zum Zeitpunkt der Kündigung sollen nur noch sechs der der zwölf Appartements bewohnt gewesen sein
Von den zwölf Appartements im Erdgeschoss, so die Gladbeckerin, seien zum Zeitpunkt der Kündigung des Pflegedienstes durch Linimed nur noch sechs bewohnt gewesen. Für ihre Mutter hat sie mittlerweile trotz der Kürze der Zeit einen Platz in der neuen Pflegeeinrichtung „Schlägel und Eisen“ in Zweckel an der Bohnekampstraße finden können. Elisabeth M. ist froh, dass für ihre Mutter jetzt der Umzug ansteht. M. berichtet von eingekoteter Wäsche, die im Zimmer ihrer Mutter einfach tagelang in der Schmutzwäsche gelegen hätte. Und sie zeigt Fotos von den wund gelegenen, tiefroten Stellen am Körper ihrer 80-jährigen Mutter.
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Und dass ein Pflegedienst, der nur dreimal am Tag zur Betreuung kommt, nicht ausreicht, habe sie bitter am eigenen Leib erfahren müssen, als ihre Mutter außerhalb dieser Zeit im Bad hingefallen sei. „Mir ist es allein nicht gelungen, sie wieder ins Bett zu bekommen.“ Und auf ihr verzweifeltes Klingeln hätten die Pflegemitarbeiter aus der Intensivabteilung erst nach sehr lange Zeit und dann auch nur äußerst unwillig reagiert. Drei Mieter, so die Gladbeckerin, nutzen im Moment noch das betreute Wohnen am Roten Turm. Neben ihrer Mutter seien noch zwei weitere Bewohner mittlerweile anderweitig untergebracht.
Geschäftsführer von Linimed NRW nimmt Stellung zu den Vorwürfen
Zu den Zuständen in der Linimed-Pflegeeinrichtung am Roten Turm äußert sich auf Anfrage dieser Zeitung Oliver Mülly von der Geschäftsführung der Linimed NRW GmbH. Man habe, so Mülly, als Unternehmen „die strategische Entscheidung getroffen, uns künftig ausschließlich auf unser Kerngeschäft außerklinische Intensivpflege zu konzentrieren und den Geschäftsbereich Betreutes Wohnen vollständig aufzugeben“. Selbstverständlich seien alle Patientinnen und Patienten „rechtzeitig über diese anstehende Veränderung informiert und zu ihrem Recht auf freie Wahl eines neuen Pflegedienstes beraten worden“.
Keine Äußerungen zu Personalangelegenheiten
Auf die Nachfrage der Redaktion, ob die Mitarbeiter aus dem Bereich des betreuten Wohnens am Tag nach der Aufkündigung der Pflegeverträge tatsächlich Krankenscheine vorgelegt hätten, bezieht Linimed keine Stellung. Zu Personalangelegenheiten, so Geschäftsführer Oliver Mülly, würde man sich grundsätzlich nicht äußern.
Hinweis der Redaktion: Die Linimed NRW gibt es seit dem 1. September 2022. Zuvor firmierte das Unternehmen unter dem Namen „Linimed Rhein-Ruhr“, bevor man sich im September 2022 mit drei weiteren Unternehmen aus dem Pflege- und Intensivpflegebereich zur Linimed NRW zusammengeschlossen hat.
Auf der Homepage von Linimed NRW (www.linimed-nrw.de) findet man keine Informationen zum Betreuten Wohnen in der Gladbecker Linimed-Immobilie am Roten Turm.
Der Behauptung, zurzeit sei ein fremder ambulanter Pflegedienst mit der Betreuung der Patienten im betreuten Wohnen beauftragt worden, widerspricht Mülly in seiner Antwortmail auf die ebenfalls per Mail an Linimed gesendeten Fragen der Gladbecker Redaktion.
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Die Linimed NRW GmbH komme „ihren vertraglich geschuldeten Pflichten aus den jeweiligen Pflegeverträgen mit den jeweils individuell vereinbarten Leistungen vollumfänglich bis zum Ende der Vertragslaufzeit mit eigenem Personal“ nach. Mülly: „Ein Outsourcing findet nicht statt.“ Man habe Leistungen „lediglich auf den vertraglich vereinbarten Umfang zurückgeführt und überobligatorische – unvergütete – Mehrleistungen reduziert“. Und weiter: „Eine Rund-um-die-Uhr Betreuung, ähnlich einem Pflegeheim, war auch bisher nicht vertraglich geschuldet und würde auch dem selbstbestimmten Leben innerhalb der eigenen Räumlichkeiten widersprechen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Patient:innen mit der Rufanlage innerhalb ihrer Räumlichkeiten auch keine Notrufe absetzen, sondern den Pflegedienst bei dessen Anwesenheit vereinfacht auf sich aufmerksam machen können. Dies ist ebenso eine obligatorische, unvergütete Mehrleistung.“
Schmutzige Wäsche, wund gelegene Patienten – das könne man nicht bestätigen
Ebenfalls nicht bestätigen könne man die Beschwerde über „schmutzige Wäsche und wund gelegene Patienten“. In diesem Zusammenhang wolle man aber erneut „auf den besonderen Charakter des betreuten Wohnens hinweisen“. Mülly: „Dies bedeutet, dass es uns als Pflegedienst nicht obliegt, den jeweiligen persönlichen Lebenswandel – Einrichtungen, Sauberkeit u.a. – zu bewerten.“ Die Anfrage der Redaktion habe man aber dennoch „zum Anlass genommen haben, weitere Qualitätsaudits durchzuführen“.
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Ausdrücklich betont der Geschäftsführer auch abschließend, dass ein Großteil der bisherigen Patientinnen und Patienten „auch weiterhin in den eigenen Räumlichkeiten wohnhaft bleibt und individuelle Pflegedienstleistungen mit einem weiteren Pflegedienst vereinbart hat“. Insofern gehe man von der Zufriedenheit der Patienten aus.