Gladbeck/Recklinghausen. Die Finanzlage der Städte ist desaströs. Auch der Kreis wird bald nicht mehr helfen können. Landrat richtet deutliche Worte an Bund und Land

Rund 250 Millionen Euro – so groß sind addiert die Finanzlöcher der kreisangehörigen Städte in den Haushalten für das Jahr 2024. Diese Zahl nannte Landrat Bodo Klimpel jetzt in der Sitzung des Recklinghäuser Kreistages.

Die geplante Sanierung des Kreishauses in Recklinghausen verschlingt viel Geld.
Die geplante Sanierung des Kreishauses in Recklinghausen verschlingt viel Geld. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Eine Zahl, die die Verantwortlichen in den Rathäusern sowie Kommunalpolitiker und Bürger deprimieren muss. Denn nach den beschwerlichen Jahren des NRW Stärkungspaktes Stadtfinanzen mit harten Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wähnten sich die Kommunen auf einem soliden Weg mit dauerhaft ausgeglichenen Haushalten und wiedergewonnenen Gestaltungsspielräumen. Doch die gute Ausgangslage ist dahin.

Vielen Städten brechen die Steuereinnahmen weg

Corona-Pandemie sowie die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Flüchtlingskrise machen den Städten nach Worten Klimpels zu schaffen. „Und es kommt noch schlimmer“, sagte der Landrat im Kreistag bei der Vorstellung des Kreishaushaltsentwurfs 2024. Denn aktuell brächen vielerorts die Steuereinnahmen, insbesondere die Gewerbesteuer, weg.

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„Völlig fassungslos“ zeigte sich Bodo Klimpel, dass weder Bundes- noch Landesregierung ihr Versprechen eingelöst hätten, die Kommunen dauerhaft zu entlasten. Stattdessen würden die Städte mit immer neuen Standards und Anforderungen belastet. Auch kritisierte der Landrat, dass das Altschuldenproblem noch immer nichtgelöst sei. Allein die Last der Kassenkredite, dem kommunalen Dispo, beträgt kreisweitrund 1,2 Milliarden Euro – bei steigenden Zinsen.

Kreis Recklinghausen nutzt seine finanziellen Spielräume zugunsten der Städte

Bürgerneisterin Bettina Weist hatte für Gladbeck zuletzt in der Diskussion um die vom Land letztlich zurückgezogenen Altschuldenlösung von einem „Dilemma“ gesprochen und ein düsteres Bild für die Zukunft gemalt. Zwar seien die städtischen Finanzexperten schon jetzt dabei, nach möglichen Auswegen zu suchen, doch könne es schlimmstenfalls auch das „Leben in der Stadt treffen, das Gladbeck im Moment so lebenswert macht“. Einsparungen also im Freizeit-, Kultur- und außerschulischen Bildungsbereich. Über diese Dramatik hatte die Stadtspitze auch die Ratsfraktionen informiert.

Der Kreis selbst ist finanziell in einer komfortableren Lage. Doch er nutzt seine Spielräume zugunsten der Städte. Im Zeitraum von 2020 bis 2027, rechnete Klimpel vor, werde der Kreis 275 Millionen Euro aus seiner Ausgleichsrücklage nehmen, um die Kommunen zu entlasten. Täte er es nicht, müsste er die Kreisumlage, mit der die Städte die Aufgaben des Kreises mitfinanzieren, entsprechend erhöhen, um den gesetzlichgeforderten Haushaltsausgleich zu erreichen.

Finanzielle Reserven des Kreises sind bis 2027 nahezu komplett aufgezehrt

Die schlechte Nachricht: Die Reserven des Kreises sind bis 2027 fast komplett aufgezehrt. Danach wird vor allem die Umlage, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erhebt, voll auf die kreisangehörigen Städte durchschlagen. Allein 2024 soll der Kreis 231,9 Millionen Euro nach Münster überweisen (2023: 211,4 Millionen). Für 2027 sieht die LWL-Finanzplanung bereits eine Summe von 274,2 Millionen Euro vor. Insbesondere die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen führt zu diesen exorbitanten Kostensteigerungen.

Gegen diese Entwicklung, betonte Landrat Bodo Klimpel, könnten weder die Städteansparen, noch habe der Kreis die Möglichkeit, die Belastungen „bis in alle Ewigkeit“ zu kompensieren. „Ohne die dauerhafte Hilfe von Bund und Land fehlt mir die Fantasie, wie wir zu einer strukturellen Verbesserung kommen wollen“, so der CDU-Politiker.

71 Prozent des Etats für soziale Aufgaben

Der Haushalt 2024 des Kreises Recklinghausen, der jetzt im Entwurf vorliegt, hat ein Volumen von 1,47 Milliarden Euro (2023: 1,38 Mrd. Euro).

71 Prozent des Haushalts (1,043 Milliarden Euro) sind Ausgaben im Sozialbereich (u. a. Hartz IV, Grundsicherung im Alter, Landschaftsverband). Personalkosten und Pensionsaufwendungen als zweitgrößter Ausgabenblock schlagen mit 150,47 Millionen Euro zu Buche.

Die zehn kreisangehörigen Städte sind mit 520,63 Millionen Euro (2023: 499,04 Mio. Euro) am Kreisetat beteiligt (u. a. Kreisumlage und ÖPNV-Umlage). Sie finanzieren den Kreis damit zu 36 Prozent. Die Kostenerstattungen durch Land und Bund (zum Beispiel für Leistungen des Jobcenters) belaufen sich auf 691,14 Millionen Euro. 43,53 Millionen Euro (2023: 42,04) kann der Kreis an Schlüsselzuweisungen des Landes NRW einplanen.

2024 will der Kreis knapp 60 Millionen Euro investieren. Das Geld fließt u. a. in die Sanierung von Berufskollegs, Kreishaus und Kreisstraßen, aber auch in Photovoltaikanlagen.