Gladbeck. In Zweckel sind am Mittwoch chemische Stoffe aus einem Werk ausgetreten, die bei Anwohnern zu Kopfschmerzen führten. Eine Warnung gab es nicht.

Ganz plötzlich nimmt Heike Engelhardt am Mittwochvormittag (19. Juli) gegen 11 Uhr in ihrem Haus an der Redenstraße in Zweckel einen starken, unangenehmen Geruch wahr, sofort bekommt sie heftige Kopfschmerzen. Auch anderen Anwohnern geht es ähnlich, der Geruch weht vom Ineos Phenol-Chemiewerk in die Nachbarschaft herüber. Die Anwohner schalten sich in einer WhatsApp-Gruppe zusammen und beschließen, Fenster und Türen geschlossen zu halten – eine offizielle Warnung gibt es allerdings nicht.

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„Ich wohne seit 1965 in Zweckel und es gab schon öfter Mal Geruchsbelästigungen durch das Chemiewerk. Aber sowas wie heute, das habe ich noch nicht erlebt“, berichtet Engelhardt. Der Werksleiter von Ineos Phenol, Benie Marotz, bestätigt auf Nachfrage, dass chemische Stoffe aus dem Werk an der Dechenstraße 3 ausgetreten sind, die bereits in geringem Maße sehr unangenehm riechen und in hoher Konzentration zu gesundheitlichen Problemen führen könnten.

Geruchsbelästigung in Zweckel: Überdruck musste aus Anlage entlassen werden

Der Werksleiter schildert den Vorfall: „Gegen 9 Uhr ist ein Kraftwerk in unserem Werk ausgefallen, was wiederum dazu geführt hat, dass gegen 10 Uhr die ganze Anlage ausfiel. Um einer Gefahr für Mensch und Umwelt vorzubeugen, wurde über ein Sicherheitsventil Überdruck aus der Anlage entlassen – das hat für die Anwohner in den direkt angrenzenden Straßen unangenehm gerochen.“ Der Grund für den unangenehmen Geruch seien Chemikalienrückstände aus einem Tank, die durch das Ablassen des Drucks in die Luft gelangt seien.

Mit mehreren Messgeräten sei daraufhin überprüft worden, ob die Chemikalienkonzentration in der Luft gefährlich ist, alle gemessenen Werte hätten allerdings weit unter einem kritischen Schwellenwert gelegen. „Unser Schwellenwert ist so festgelegt, dass bei diesem Wert eine Person immer noch acht Stunden an jedem Tag arbeiten könnte, ohne krank zu werden. Die ausgetretenen Werte lagen weit darunter und haben sich zudem nach kurzer Zeit wieder verflüchtigt“, erklärt Marotz.

Werksfeuerwehr von Ineos konnte vor Ort keine Gefahr feststellen

Auch die hinzugerufene Werksfeuerwehr konnte laut dem Werksleiter keine weitere Gefahr feststellen. Dennoch habe man die Kreisleitstelle der Feuerwehr und die Bezirksregierung über den Vorfall am Vormittag informiert. Die Feuerwehr Gladbeck selbst sei in den Vorfall nicht involviert gewesen, wie Stadtsprecher David Hennig bestätigt: „Die Ineos-Werksfeuerwehr handelt in solchen Fällen in Eigenregie. Nur bei großen Problemen, wenn die Werksfeuerwehr alleine nicht mehr zurechtkommt, wird die Stadtfeuerwehr hinzugerufen.“

Die Werksfeuerwehr von Ineos Phenol konnte am Mittwoch keine Gefahr durch Chemikalien in der Luft feststellen. (Symbolbild)
Die Werksfeuerwehr von Ineos Phenol konnte am Mittwoch keine Gefahr durch Chemikalien in der Luft feststellen. (Symbolbild) © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Auch wenn die Geruchsbelästigung nur von kurzer Dauer gewesen ist, ärgern sich die Anwohner aus Zweckel darüber, nicht informiert und gewarnt worden zu sein. Heike Engelhardt erzählt: „Ein rechtzeitiger Hinweis, die Fenster und Türen geschlossen zu halten, hätte uns schon geholfen und vielleicht die Kopfschmerzen erspart“, so Engelhardt.

Anwohner in Zweckel ärgern sich, nicht gewarnt worden zu sein

Doch warum wurde keine Warnung ausgesprochen? Nach Angaben der Pressestelle des Kreises Recklinghausen ist die Kreisleitstelle der Feuerwehr dafür zuständig, Warnungen über die NINA-Warnapp zu veranlassen, um die Anwohner im Umkreis des Chemiewerks zu informieren. Svenja Küchmeister bestätigt, dass es einen Kontakt zwischen der Leitstelle und der Werksfeuerwehr gegeben hat. Sie führt aus: „Die Werksfeuerwehr hat direkt durchgegeben, dass keine Warnung ausgesprochen werden muss, da keine Gefahr bestand.“

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Die Anwohner aus Zweckel fragen sich nach dem Vorfall, ob die ausgetretenen Chemikalien schädlich für das Obst und Gemüse in ihrem Garten sein könnten: „Kann man das noch essen?“, so Heike Engelhardt. Der Werksleiter kann die Anwohner beruhigen – es bestehe keine Gefahr beim Verzehr des Obsts und Gemüses. „Das kann man sich vorstellen wie Autoabgase, da macht man sich ja auch keine Gedanken, ob diese den Anbau im Garten schädigen.“

Bei Ineos kam es nach dem Vorfall am Mittwochvormittag zu keinen weiteren Zwischenfällen, wie Werksleiter Marotz bestätigt. Am Mittwochnachmittag wurde die Anlage langsam wieder hochgefahren. In den kommenden Tagen wolle man weitere Messungen durchführen, um die Luftreinheit zu überprüfen.