Gladbeck. Umfangreiche Revision und Erneuerung der Anlagen im Gladbecker Chemiewerk. Zudem wird der von der RAG erworbene Gleisanschluss generalüberholt.

Es hat ein bisschen was von der Anmutung einer Modelleisenbahn, wie da jetzt vormontiert Gleisstück an Gleisstück vom ehemaligen Gelände der Zechen- und Hafenbahn an der Talstraße Richtung Ineos-Phenol-Werksgelände verlegt werden. Klar, dass hier keine aufgeregten Jungenhände, sondern schweres Spezialgerät im Einsatz ist, um die tonnenschweren Gleisstücke zu transportieren. Der Chemiegigant hat die Gleisanlage von der RAG erworben und treibt die Sanierung quasi im Rekordtempo voran. Die wichtige Transportader ist aber nur ein aktuell laufendes Großprojekt für das Gladbecker Werk . Denn parallel wird am Standort Dechenstraße die Produktionsanlage gewartet und erneuert. „Insgesamt investieren wir einen hohen Betrag im einstelligen Millionen Euro Bereich“, informiert Geschäftsführer Benie Marotz. Dies erhöhe nicht nur die Sicherheit und den Umweltschutz, „sondern ist ein deutliches Bekenntnis zu unserem Standort und eine wichtige Absicherung der Arbeitsplätze hier in Gladbeck“.

Im Ineos Phenol-Chemiewerk wird bei der Revision auch die Kühlung der Destillationsanlage erneuert.
Im Ineos Phenol-Chemiewerk wird bei der Revision auch die Kühlung der Destillationsanlage erneuert. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Mehr als eine Millionen Euro sind für die Generalüberholung des sanierungsbedürftigen Bahnstrangs verplant. Gleise, Schwellen und Schotter-Unterbau werden auf einer Strecke von 1,5 Kilometern durch die beauftragte Strabag erneuert. „Alles verläuft bislang nach Plan, am Montag soll das Gleis wieder befahrbar sein“, informiert Projektleiter Timm Robbert. Nach nur 14 Tagen - ein strammes Tempo, „um die Störung der Anwohner zeitlich zu begrenzen und eine schnelle Wiederinbetriebnahme der dringend benötigten Gleisstrecke zu gewährleisten“, ergänzt Ineos-Bereichsleiter Technik Andrzej Kurpik. Um den ambitionierten Zeitplan zu halten, werde so „rund um die Uhr gearbeitet“. Die davon betroffenen Gleis-Anlieger im Bereich der Frentroper-, Tauschlag-, Söllerstraße, Am Dorffelde, Lortzing- und Haydnstraße wurden vorab über die Baumaßnahme per Anschreiben informiert, mit der Bitte um Verständnis für dabei auftretende Unannehmlichkeiten, etwa Lärm.

Lediglich ein Anwohner hat sich bislang über die Arbeiten beschwert

Bislang habe sich „lediglich ein Anwohner beschwert“, so der Umweltbeauftragte des Werks, Volker Weber. Die Gleissanierung sei von enormer Wichtigkeit, beim Ziel, „möglichst viele der Transporte auf die Schiene zu kriegen“. Und die Trasse sei nun mal „die Hauptachse unseres Anschlusses an das Schienennetz der Deutschen Bahn und der weiten Welt“. Rund 80 Prozent des im Werk produzierten Phenols werden bereits über Kesselwagen und Züge zu den Kunden abtransportiert, beim Aceton sind es etwa 50 Prozent, die anderen Anteile übernehmen Lkw. Umwelt- und Sicherheitsingenieur Weber suchte das Persönliche Gespräch mit dem Beschwerdeführer und bat um Verständnis, dass die Gleissanierung eine notwendige und nicht so schnell wiederkehrende Aktion sei.

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Anders ist es bei den Revisionsarbeiten im Werk selbst, die in gesetzlich vorgeschriebenen Intervallen regelmäßig erfolgen müssen. Zurzeit etwa alle drei Jahre. Das Ganze wird vom TÜV überwacht und letztlich zertifiziert, um die Produktionsanlagen weiter betreiben zu dürfen. Auch die zuständigen Aufsichtsbehörden der Bezirksregierung und des Kreises Recklinghausen sind über die Arbeiten informiert.

Lautes Pfeifen entsteht bei der Hochdruck-Reinigung der Kühlanlage

Corona erhöht den logistischen Aufwand

Die Corona-Pandemie sorgt für zusätzlichen logistischen Aufwand während der Revisionsarbeiten im Gladbecker Ineos Werk. Grund: Neben der Stammbelegschaft von 266 Personen bevölkern nun zusätzlich bis zu 300 Mitarbeiter von beauftragten externen Firmen täglich das Werksareal. Sie betreten das Gelände über einen separaten Zugang, an dem bei jedem Arbeiter die Temperatur gemessen wird.

Zudem wurden die Kapazitäten - bezogen auf Umkleiden, Duschen und Aufenthaltsräume - vergrößert, damit Abstandsregeln besser eingehalten werden können. Die Arbeiter sind zudem in kleinere ‘isolierte’ Teams von acht bis zehn Personen eingeteilt. Vorteil: Sollte ein Teammitglied an Covid-19 erkranken, kann eine selektive Isolation/Quarantäne stattfinden, die nicht den gesamten Revisionsprozess gefährdet.

Ineos-Sicherheitsbeauftragte führen regelmäßige Corona-Schnelltests in den Arbeiterkolonnen durch. Hinzu kommen Abstriche für genauere PCR-Tests im Labor, die am Morgen erfolgen und für die ein Untersuchungsergebnis bis zum Abend vorliegt. Die Fremdarbeiter sind zur Risikominimierung auch in überschaubaren Unterkünften (Monteurswohnungen) mit maximal bis zu vier Personen untergebracht.

Konkret werden zum Beispiel an einer Destillationsanlage die Leitungen der Kühlanlage erneuert, die einen Durchmesser von 1,20 Metern haben und sich auf ihrem Weg durch die Produktionsanlage immer weiter verjüngen. In einer anderen der fast 30 Destillationskolonne erfolgt ein Austausch der Einbauten. „Bei der Reinigung des Kühlsystems ist des Öfteren ein lautes Zischen und Pfeifen zu hören. Dies liegt daran, da wir hier mit einem Hochdruckgerät arbeiten“, erklärt Benie Marotz. Das Industriegerät arbeite mit einem zehn Mal höheren Wasserdruck als der ‘Kärcher’ im Privathaushalt, „mit rund 2000 Bar“. Auch hier habe die Sicherheit oberste Priorität. Um die Arbeiter nicht zu gefährden, werde so an der Lanze ein Roboter eingesetzt. „Sein Bediener steht in zwei Metern Abstand, wie ein weiterer Kollege, der einen Notausschalter in Händen hält.“

Die Sicherheit der Nachbarschaft und die Vermeidung von Belästigungen und Störungen sei generell im Fokus des Unternehmens . „Dies wollen wir gewährleisten durch eine ständige Weiterentwicklung und Verbesserung der Anlagen- und Arbeitssicherheit“, unterstreicht Werksleiter Benie Marotz, die auch eine Abstellung der Produktionsanlage erforderlich machte. Seit dem 27. Oktober ist die Produktion herunter gefahren, innerhalb von vier Wochen, bis voraussichtlich zum Nikolaustag dem 6. Dezember, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und die Anlagen wieder hochgefahren werden.