Gladbeck. An der Lambertischule in Gladbeck wird das Jahrgangsübergreifende Lernen eingeführt. Zweitklässler und i-Dötze bilden dann einen Klassenverband.
„JüL“ wird jetzt an der Lambertischule als erster Grundschulein Gladbeck eingeführt. Was laut ausgesprochen nach schwedischem Weihnachtsfest klingt, hat damit aber nichts zu tun. Denn das Kürzel JüL steht für Jahrgangsübergreifendes Lernen oder Jahrgangsübergreifende Lerngruppen. Dies bedeutet in der Praxis, dass mit Beginn des neuen Schuljahres, nach den Sommerferien, i-Dötze und Zweitklässler fortan an der Kirchstraße im gemeinsamen Klassenverband lernen. Die Schuleingangsphase in jahrgangsgemischten Gruppen zu durchlaufen, soll den Kindern, die unterschiedlichste Voraussetzungen im Entwicklungsstand haben, statt Lernfrust mehr Lernerfolge bieten.
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Die Schulleitung habe schon „seit ein paar Jahren darüber nachgedacht, JüL einzuführen“, erzählt Rektorin Cäcilia Nagel. Mit der Voraussetzung, es nur zu tun, „wenn das Kollegium dahinter steht“. Da sich bereits vor Corona gezeigt habe, dass der Entwicklungsstand der Schülerinnen und Schüler zunehmend unterschiedlich ist, „hatten wir schon viele unterschiedliche Differenzierungsmaßnahmen eingeführt“, so Nagel. Der Schritt zum Jahrgangsübergreifenden Lernen sei damit nicht mehr so groß gewesen, so dass das Kollegium der Einführung von JüL zugestimmt habe. Nach Vorstellung in den Klassenpflegschaften, habe dies auch die Schulkonferenz befürwortet.
Leistungsstarke Kinder können sich am Unterrichtsstoff der höheren Klassen beteiligen
![Die Steuergruppe Schulentwicklung, mit Schulleiterin Cäcilia Nagel, dem angehenden Konrektor Boris Hudournik und Lehrer Mirco Daum (v.l.), bereitet das Jahrgangsübergreifende Lernen an der Lambertischule vor. Die Steuergruppe Schulentwicklung, mit Schulleiterin Cäcilia Nagel, dem angehenden Konrektor Boris Hudournik und Lehrer Mirco Daum (v.l.), bereitet das Jahrgangsübergreifende Lernen an der Lambertischule vor.](https://img.sparknews.funkemedien.de/237645287/237645287_1676391443_v16_9_1200.jpeg)
In der Praxis sieht es nun so aus, dass die jetzigen Erstklässler den deutlichsten Einschnitt beim Übergang ins JüL-System haben. Denn ihre Klassenverbände müssen beim Wechsel ins zweite Schuljahr aufgeteilt werden, um acht jahrgangsübergreifende Lerngruppen für den JüL-Start mit den neuen Lamberti-i-Dötzen bilden zu können. Das soll dann aber allen Kindern Vorteile bringen. Denn die leistungsstarken Kinder können sich bereits am Unterrichtsstoff der höheren Klassen beteiligen, gegebenenfalls so auch eine Klasse überspringen. Andere „Zweitklässler“ erhalten indes mehr Zeit für ihre Lernentwicklung. „Indem ihnen der Druck genommen wird, haben sie weniger Misserfolge. Sie können Unterrichtsinhalte wiederholen, bis die Inhalte sitzen“, was die Lernfreude stärke. „Und dann auch Selbstbewusstsein gewinnen, wenn sie das Gelernte den jüngeren Kindern in ihrer Klasse erklären“, sagt die Rektorin.
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![Der Schulausschuss tagte im neuen Anbau an der Mosaikschule in Gladbeck. Vorgestellt wurde von der Medienbeauftragten der Schule, Lehrerin Jill Doebel (Klassenlehrerin 3D), der moderne Unterricht mit einem Smartboard. Der Schulausschuss tagte im neuen Anbau an der Mosaikschule in Gladbeck. Vorgestellt wurde von der Medienbeauftragten der Schule, Lehrerin Jill Doebel (Klassenlehrerin 3D), der moderne Unterricht mit einem Smartboard.](https://img.sparknews.funkemedien.de/237514769/237514769_1675162053_v1_1_200.jpeg)
Das gelte auch für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, denn als Erklärende zu agieren erfordere, sich Gedanken zu machen, wie etwas funktioniert, „was wiederum das eigene Verstehen fördert“, so Nagel. Auch ein hartes Sitzenbleiben mit dem Verlust des vertrauten Klassenverbandes gebe es so am Ende der ersten oder zweiten Klasse nicht mehr. „Denn die Kinder, die etwas länger für das Erreichen des Klassenziels benötigen, bleiben immer mit einem ihnen bereits bekannten Teil der Klassenkameraden zusammen.“
Stärkung des aktiven und eigenverantwortlichen Lernens der Kinder
![Schulmaterial für das Jahrgangsübergreifende Lernen. Schulmaterial für das Jahrgangsübergreifende Lernen.](https://img.sparknews.funkemedien.de/237645289/237645289_1676391645_v16_9_1200.jpeg)
Mit der Einführung von JüL will das Lamberti-Team den Kindern ein Lernumfeld ermöglichen, „das ihnen mehr Möglichkeiten und Zeit gibt, mit individuellem Lerntempo auch ihre Wahrnehmungsfähigkeiten zu verbessern“, so die Rektorin. Denn diese seien etwa für das Lesen- oder Schreibenlernen essenziell wichtig. Zum Beispiel, um Unterschiede in der Schreibweise von Buchstaben erkennen zu können, die einander ähneln wie b, p oder d. Mit dem Ziel, einen möglichst altersgerechten Lernstand zum Ende der JüL-Eingangsphase, also dem Wechsel ins dritte Schuljahr, zu erreichen. Denn Corona, mit seinen Lockdowns, sozialen Einschränkungen und Schulschließungen, habe „wie unter einem Brennglas die Auswirkungen einer negativen Entwicklung verstärkt, die in den vergangenen zehn bis 15 Jahren schon deutlich geworden sind“, sagt Cäcilia Nagel. Nämlich: „Dass die Kinder vergleichsweise mit weniger Basisfähigkeiten in die Schule kommen, die ihre motorische und kognitive Entwicklung betreffen.“
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Für das Kollegium bedeute JüL, insbesondere in der Einführungsphase, einen höheren Zeitaufwand bei der Stundenvorbereitung. Zudem einen höheren Materialbedarf, um feingliedriger leistungsdifferenziert die Lerninhalte zu vermitteln. Und einen größeren Dokumentationsaufwand pro Schulkind, denn es gelte ja, „den individuellen Leistungsstand jedes Kindes genau zu erfassen, um die Kinder den passenden Niveaugruppen zuordnen zu können“, so Cäcilia Nagel. Eine Herausforderung bedeute JüL auch für das Kollegium, da sich damit die Rolle des Lehrenden verändere. „Sie geht weg vom Lehren als Verteilen von Wissen hin zum Gestalten und Begleiten von Lernprozessen und zur Stärkung des aktiven und eigenverantwortlichen Lernens der Kinder.“
Zügige Fertigstellung des Schulanbaus ist dringend nötig
![Boris Hudournik und Mirco Daum (v.l.) sind als Mitglieder der erweiterten Schulleitung für die Betreuung des Schulanbaus zuständig. Sie hoffen, dass nach den zeitlichen Verzögerungen bald Dach und Fenster kommen, so dass der Innenausbau starten kann. Boris Hudournik und Mirco Daum (v.l.) sind als Mitglieder der erweiterten Schulleitung für die Betreuung des Schulanbaus zuständig. Sie hoffen, dass nach den zeitlichen Verzögerungen bald Dach und Fenster kommen, so dass der Innenausbau starten kann.](https://img.sparknews.funkemedien.de/237645291/237645291_1676391754_v16_9_1200.jpeg)
Um die Lerngruppen stärker differenzieren zu können, werden dringend weitere Räumlichkeiten an der Lambertischule benötigt. Der die Situation entlastende Anbau steht zwar bereits im Rohbau, wird aber nicht, wie zunächst anvisiert, zum JüL-Start bezugsfertig, sondern wohl erst zum Sommer 2024. So lange will sich das Kollegium mit Zwischenlösungen behelfen (z.B. Nutzung Musikraum).
Das Jahrgangsübergreifende Lernen sei in Gladbeck neu, werde aber bereits in der Nachbarschaft praktiziert. Cäcilia Nagel: „Wir wollen so jetzt auch an Grundschulen in Gelsenkirchen, Recklinghausen, Herten und Haltern hospitieren, um zu sehen, was aus ihrer JüL-Praxis für unsere Schule passen könnte.“ Und die Lamberti-Schule könne dann Modell für weitere Gladbecker Grundschulen sein, „die sich ebenfalls für Jahrgangsübergreifendes Lernen interessieren“.