Gladbeck. Die digitale Ausstattung der Schulen in Gladbeck ist weit vorangeschritten. Computer-Tafeln eröffnen neue Möglichkeiten des Unterrichtes.
Weiße Kreide, die in der Hand des Lehrers schwungvoll und mit schrillem Ton über das Grün der trockenen Tafel kratzt, so dass viele Schülerinnen und Schüler protestierend eine Gänsehaut kriegen. Ein Erlebnis, das Schülergenerationen in Gladbeck nervte, im modernen Unterricht aber eine zunehmend verblassende Nostalgie ist. Denn Kreidetafeln sind auch an Gladbecker Schulen ein Auslaufmodell. Bis zum Ende des Jahres sind alle Klassen mit moderner, digitaler Tafel-Technik ausgestattet.
Die grünen Hänger machen Smartboards Platz, über die lautlos Eingabestifte gleiten. Die digitalen Tafeln sind hochmoderne Computerbildschirme, die dem Unterricht völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Wie moderner IT-gestützter Unterricht bereits in einer Grundschule aussieht, wurde jetzt dem Schulausschuss im neuen Anbau der Mosaikschule vorgestellt.
Mit einem schnellen Klick im Tafel-Menü wird die Internetsuche aktiviert
Die Medienbeauftragte der Primarschule in Butendorf, Jill Doebel, hatte zum kurzen Demo-Unterricht in den Raum einer dritten Klasse gebeten. An der Wand, frontal vor den Schülerpulten, hängt statt Kreidetafel ein zwei Meter breiter und ein Meter hoher schwarzer Bildschirm, der wie ein riesiger LED-Fernseher aussieht und auf Knopfdruck zu Leben erwacht. Die Klassenlehrerin der 3D zeigt im Schnelldurchlauf, was die elektronische Tafel so alles kann. Klar, mit einem elektronischen Stift lässt sich wie mit Kreide auf ihr schreiben und über diverse Menüfelder auch bunt zeichnen. Der digitale Helfer kann aber noch viel mehr.
Lesen Sie auch
- Nach Überfällen. Was die strategische Fahndung gebracht hat
- Jugendarbeit & Kirche. Pfadfinder ohne Zukunft? Das sieht man in St. Josef anders
- Nahverkehr. Wie sich die Vestische auf das 49-Euro-Ticket vorbereitet
- Stadtgeschichte. Nur zögerlich kamen die Nazis in Gladbeck an die Macht
- Bürgerversammlung. Riesener-Forum: Bebauung des Jovyplatzes ist vom Tisch
Denn Jill Doebel schreibt flott „Mosaikschule“ auf, markiert das Wort – und mit einem Klick im Menü wird das Internet aktiviert, und die Suchmaschine listet zum Beispiel einen Link zur Homepage der Schule auf. „So lassen sich Themen schnell im Unterricht erweitern und Informationen sammeln“, erklärt die Pädagogin. Zum Schreibenlernen an der Tafel können aus einem Menü vorgefertigte Schreibblätter passgenau für den Unterricht serviert werden, also je nach 1., 2. 3. oder 4. Klasse mit der entsprechenden Hilfsliniatur dargestellt werden. Und selbstredend kann das in der Klasse ausgeteilte Arbeitsblatt auch auf dem Bildschirm visualisiert und nach der Eigenarbeit die Ergebnisse dort auch gesammelt und eingetragen werden.
Eine elektronische Pinnwand informiert auch über wichtige Termine wie Klassenarbeiten
Apropos sammeln. Dass das auch interaktiv geht, durften die Ausschussmitglieder selbst ausprobieren. Dazu hatten alle aus dem bereitstehenden Klassen-Medienkoffer ein iPad erhalten. Mit dessen Kamera konnte ein QR-Code (funktionierte auch mit dem Smartphone) von der Tafel eingescannt werden. Um dann zur Überschrift „Mittelalter, Burgen und Ritter“ über die aufploppende Arbeitsmaske passende Begriffe einzugeben und an die Elektro-Tafel zu senden. Das Wörter-Sammelsurium lasse sich jetzt weiter unter Oberbegriffen sortieren. „Ein guter Auftakt, um in ein neues Thema einzuführen“, so Jill Doebel.
Über die neuen Themen, die z.B in der Woche im Unterricht behandelt werden, informiere auch eine Art digitale Pinnwand, die via Padlet-App von den Kindern daheim abgerufen werden kann. Natürlich auch von den Eltern, um aktuelle Schulinfos zu erhalten und wichtige Termine wie Klassenarbeiten oder Elternabende nicht zu vergessen. Oder um Lernhilfe-Videos abzurufen, in der ersten Klasse etwa für das selbsttätige Erschließen des Zahlenraumes bis 20.
Bis zum Jahresende alle Klassen ausgestattet
Die digitale Ausstattung an Gladbecker Schulen erreicht bis zum Jahresende ein wichtiges Zwischenziel. Dann seien alle Klassen mit digitalen Smartboards und jede Schülerin oder jeder Schüler mit einem Tablet ausgestattet. Das teilte Schuldezernent Rainer Weichelt im Schulausschuss mit. Der technische Support kostet die Stadt rund 1,2 Millionen Euro jährlich.
Bis Ende 2023 würden sukzessive 504 bestellte Smartboards an die Schulen ausgeliefert, so dass dann jede Klasse über eine digitale interaktive Tafel verfügt. Rund 3,4 Millionen Euro werden dafür (mit Unterstützung durch Fördermittel) aufgewendet. Hinzu kommen noch knapp 900 iPads, so dass dann alle Schülerinnen und Schüler in Gladbeck über einen solchen Tablet-Computer verfügen.
Bei den smarten Tafeln und Tablets geht die Stadt von einer „Lebenszeit“ von vier bis fünf Jahren aus, bis die Technik überaltert ist. Diese dann zu ersetzten, bedeute eine enorme Herausforderung, der sich die Stadt noch stellen müsse, so Weichelt. Denn mit Fördergeldern sei nur ein Ankauf möglich gewesen und kein Leasing, wo die Geräte turnusmäßig durch Austausch auf dem Stand der Zeit gehalten werden.
Es sei ja nur ein Bruchteil der Möglichkeiten des Smartboards und von Lern-Apps, sagt Jill Doebel, die sie dem Schulausschuss beim kurzen Exkurs darstellen könne. Dieser reichte aber offenbar aus: „Es ist sehr beeindruckend, was das Gerät alles kann“, so Schulausschussvorsitzender Dustin Tix (SPD).
Es gibt auch ältere Lehrer, die sich voll in die digitale Technik reinhängen
Ratsherr Jörg Baumeister (CDU) wollte neben Lob wissen, „ob auch ältere Kolleginnen und Kollegen mit der neuen Technik zurechtkommen“, und wie oder ob das Lehrerpersonal geschult werde. Rektorin Ute Kirsten schaltete sich ein, dass dies keine Frage des Alters sei, „sondern wie man selbst bereit ist“, sich mit Smartboard & Co. auch autodidaktisch auseinander zu setzen. „Es gibt auch älterer Kolleginnen oder Kollegen, die sich da voll reinhängen“, so Kirsten. Als Medienbeauftragte der Schule habe sie „interne Schulungen gemacht“, ergänzte Jill Doebel. Gleichwohl habe sich das Lehrerkollegium auch gewünscht, „dass neben dem Bildschirm je ein Whiteboard-Tafelflügel installiert wird, auf dem mit einem Filzstift geschrieben werden kann“. Für Möglichkeiten des analogen Unterrichts und um eine Ausweichmöglichkeit zu haben, „falls das Smartboard durch einen technischen Ausfall nicht nutzbar ist“.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++
Rolf-Dieter Jünnemann (sachkundiger Bürger SPD) äußerte die besorgte Frage, ob durch die zunehmende Nutzung von Ipad und Tastatur „die Kinder das richtige Handschreiben noch lernen“. Rektorin Ute Kirsten konnte beruhigen, dass trotz aller Technik freilich auch das Schreiben mit Stift und Füller noch geübt werde. Und Fatima Yigit vom Jugendrat meldete sich zu Wort. Sie sei Schülerin der 13. Klasse und benutze für Unterricht und Lernen regelmäßig ein Ipad. Auf dem sie aber im Schulalltag kaum etwas über die Tastatur eingebe, denn für die flotte Notiz nutze sie „lieber den Eingabestift und meine Handschrift“.